10 Aussagen, die Schwarze und BIPoCs in Österreich immer wieder hören
Rassismus geht uns alle etwas an. Um das noch mehr ins Bewusstsein zu rücken, haben wir hier ein paar Aussagen aufgelistet, die Schwarze und BIPoCs in Österreich schon nicht mehr hören können.
An der Bushaltestelle, am Christkindlmarkt oder an der Supermarktkassa: Alltagsrassismus ist überall. Dabei wird nicht unterschieden, ob man in Österreich geboren, aufgewachsen oder zugezogen ist. Alltagsrassistische Bemerkungen passieren aus reiner Neugier oder als vermeintliche Komplimente oft unbewusst und ungewollt – oder auch aus purer Ignoranz.
Um etwas Licht in die Sache zu bringen und diese Dinge ins Bewusstsein zu holen, habe ich hier ein paar Beispiele für alltagsrassistische Dinge, die Schwarze und BIPoCs in Österreich bestimmt schon mal gehört haben, für euch.
„Woher kommst du?“
Meine Antwort auf diese Frage ist ganz klar: „Ich bin aus Kärnten.“ Leider sind die meisten Personen mit dieser Antwort nicht zufrieden. Die Konversation läuft dann so weiter:
„Ja, aber, woher kommst du wirklich?“
„Aus Kärnten.“
„Nein. Du weißt, was ich meine. Woher kommst du ursprünglich?“
Die fragende weiße Person ist mit der Antwort nicht zufrieden und hakt nach, bis Folgendes kommt:
„Meine Eltern sind aus [afrikanisches Land], aber ich bin hier geboren.“
In ihrem Gesichtsausdruck ist eine Erleichterung, eine Bestätigung zu sehen. Endlich kommt das, was sie erwartet hat, denn eine Schwarze Person kann in ihrer Gedankenwelt nicht „ursprünglich“ aus Österreich kommen. Bevor man so etwas sagt, sollte man sich überlegen: Was ist, wenn die Person keine Eltern mehr hat und/oder adoptiert ist und gar nicht weiß, in welchem Land genau sie ihren Ursprung hat? Und würde ich diese Frage auch einer weißen mir unbekannten Person stellen?
„Ich war schon mal in Kenia.“
Mit der ersten Frage sehr eng verbunden: „Ich war schon mal in Kenia.“
Führen wir die vorherige Konversation weiter aus:
„Meine Eltern sind aus dem Kongo, aber ich bin hier geboren.“
„Sehr schön. Ich war schon mal in Kenia. Da waren die Menschen alle so nett.“
Etwas aus dem Zusammenhang gerissen, oder? Wenn man auf die Frage: „Woher kommst du?“, die Antwort: „Aus Italien“, erhält, sagt man immerhin auch nicht: „Ich war schon mal in Spanien.“ Es sei denn natürlich, man ist nicht besonders bewandert in Sachen Geografie.
„Du sprichst aber schon gut Deutsch.“
Das kommt in diesen seltsamen Gesprächen entweder als Nächstes oder auch komplett aus dem Nichts. Viele weiße Menschen sind von der Deutschkenntnis Schwarzer und BIPoCs begeistert. Deine Faszination steigt bestimmt, sobald dann auch noch in einem österreichischen Dialekt, zum Beispiel Kärntnerisch oder Steirisch, gesprochen wird.
„Ah, du bist hier geboren! Deshalb kannst du so gut Deutsch.“
Oder:
„Wo hast du so gut Deutsch sprechen gelernt?“
Bevor man so etwas sagt, sollte man sich lieber die Gegenfrage stellen: Wieso sollte die Person nicht gut Deutsch können? Nur weil sie Schwarz oder BIPoC ist?
„Sprichst du afrikanisch?“
Zum Bedauern vieler Menschen gibt es keine*n Schwarze*n oder BIPoC, der*die die Sprache „Afrikanisch“ beherrscht. Auf dem Kontinent Afrika werden aktuell über 2.000 Sprachen gesprochen. Da müsste man mehr als hochbegabt sein, um all diese Sprachen verstehen und dann auch noch auf einmal sprechen zu können.
Eine passende Gegenfrage wäre: „Sprichst du ‚Europäisch‘?“
„Verstehst du das?“
Situation: Ich sitze zusammen mit meinen Freund*innen in einem Lokal und bin die einzige Schwarze Person am Tisch. Am Nebentisch sprechen zwei Schwarze miteinander. Nicht auf Deutsch und auch auf keiner anderen Sprache, die meinen Begleiter*innen bekannt vorkommt. Also gehen sie wie selbstverständlich davon aus, dass es eine Sprache ist, die in Afrika gesprochen werden muss. Perfekt, dass ihnen gerade eine Schwarze Person gegenübersitzt. Schon wird unser bisher so nettes Gespräch in der Runde abrupt unterbrochen, weil jemand von mir wissen möchte:
„Verstehst du, was die da reden?“
„Leider nein.“
Große Enttäuschung. Aber eine weiße Italienerin würden sie wohl auch nicht fragen, ob sie die weiße Finnisch sprechende Person am Nebentisch erstanden hat.
„Darf ich deine Haare anfassen?“
Die Co-Autorin Chantal Bamgbala des Buches „Was das jetzt rassistisch? 22 Antirassismus-Tipps für den Alltag“ beschreibt diese Situation in ihrem Kapitel sehr schön: Stellt euch vor, eine Schwarze Person oder BIPoC steht an der Kassa, vollgepackt mit ihrem Einkauf, und hinter ihr kommt die Hand. Die Hand. Und schon ist die Hand, manchmal auch begleitet von der Frage: „Darf ich deine Haare anfassen?“, in den Haaren.
Die meisten stellen die Frage zwar nur aus Interesse und Neugier über die Struktur des Afrohaares, die dann oft auch noch mit Materialien wie Wolle oder einem Schwamm verglichen wird. Aber das Gegenteil von gut ist bekanntlich gut gemeint. Nur weil ich mich dazu entscheide, meinen Afro offen zu tragen, heißt das noch lange nicht, dass ich ein Tier im Streichelzoo bin. Schon mal darüber nachgedacht, dass es, vor allem in Zeiten von COVID-19, persönliche Abstandsgrenzen gibt?
„Darf man wirklich Schwarz sagen?“
Der Begriff „Schwarze“ erschüttert immer noch viele Leute in Österreich. Besonders jene, die genuin davon verwirrt sind, was man heutzutage noch sagen darf und was nicht. Daher hier einmal in aller Deutlichkeit: Ja, ihr dürft und sollt sogar „Schwarze“ sagen. Die Begriffe Schwarze sowie auch People of Colour (kurz PoC) oder Black, Indigenous, People of Colour (kurz BIPoC) sind Selbstbezeichnungen. Ganz wichtig: „Schwarze“ wird immer mit großem S geschrieben, weil es dabei nicht um die Farbe geht, also das Adjektiv „schwarz“, sondern um die soziale Position und Rassismuserfahrungen, die die rassifizierten Menschen in der Gesellschaft machen. Alle anderen Begriffe, wie das N-Wort, Dunkelhäutige*r oder Farbige*r sind Fremdbezeichnungen problematisch bis traumatisierend.
Statt starrköpfig auf die Verwendung problematischer Begriffe zu beharren, sollten sich weiße Menschen im Gegenzug viel öfter Gedanken über ihr Weißsein machen und sich etwa die Frage stellen, inwiefern sie ihr Weißsein beeinflusst. Auch hier ist noch wichtig zu erwähnen, dass mit weiß nicht die Hautfarbe per se gemeint wird. Aus diesem Grund wird das Wort klein und kursiv geschrieben. Es werden alle Menschen weiß bezeichnet, die keine Negativerfahrungen mit Rassismus haben. Es geht hier um eine sozial dominante und privilegierte Position in der Gesellschaft. Das Weißsein bleibt sehr oft unreflektiert und wird als Norm angesehen.
„Für eine Schwarze Frau bist du aber wirklich schön.“
Eine interessante Aussage, die auf den ersten Blick vielleicht als Kompliment gelesen werden kann. Klar, liegt Schönheit im Auge des*der Betrachters*Betrachterin. Doch was steckt dahinter? Sind Schwarze Frauen* in der Regel etwa nicht schön?
„Euch stehen grelle Farben so gut.“
Der Frühling und der Sommer laden dazu ein, bunte Farben zu tragen, schon klar. Auch klar: Bei manchen Hauttönen kommt das Grelle besonders gut zum Vorschein. Da können es sich manche weißen Personen nicht verkneifen, einer Schwarzen Person oder BIPoC ein Kompliment dazu zu machen. Auch hier gilt: Was als Kompliment gemeint ist, kann schnell zum unguten Fettnäpfchen werden. Statt schon wieder die Hautfarbe ins Spiel zu bringen, könnte man auch einfach sagen: „Dir steht das gelbe Kleid total gut.“ Auch nett und kein Kollektivurteil.
„Ihr nehmt das alles viel zu ernst.”
Alle diese Aussagen werden also als Alltagsrassismus bezeichnet. Doch fällt es vielen weißen Menschen nicht leicht, dies zu akzeptieren, wenn sie darauf angesprochen werden. Darauf folgt nämlich in den meisten Fällen die ignorante Äußerung: „Ihr nehmt das alles viel zu ernst.” Oder: „Nehmt das nicht immer so persönlich. Es war nicht so gemeint.”.
Das Problem dabei ist aber, man mit diesen Aussagen impliziert, dass Schwarze und BIPoC nicht aus Österreich sein können. Man reduziert sie auf ihre Hautfarbe und markiert sie als „nicht-zugehörig“ oder fremd. Außerdem wird vom Gegenüber verlangt, Informationen preiszugeben, die meist sehr persönlich sind. Plötzlich kommt man in die Situation, erzählen zu müssen, woher die Eltern stammen, wo man geboren wurde oder wieso man gewisse Sprachen so gut oder nicht so gut beherrscht, obwohl man doch eigentlich nur den Wocheneinkauf im Supermarkt erledigen wollte.
Generell stellt sich da aber auch die Frage: Wenn es nicht so gemeint war, wieso sagt man es dann überhaupt?
All diese Erlebnisse scheinen einzeln betrachtet vielleicht wirklich harmlos. Das Problem ist, dass sie aber meistens nicht nur einzeln auftreten – den meisten Schwarzen und BIPoC in Österreich passiert das tagtäglich. Man kann diese Aussagen gut mit kleinen Nadelstichen vergleichen. Diese Stiche tun nichts, wenn man wenige Male auf dieselbe Hautstelle pickt. Aber irgendwann beginnt die Stelle doch zu bluten. Dieses Phänomen nennt man in der Wissenschaft Mikroaggressionen. Auch dazu findet ihr im Buch „War das jetzt rassistisch? 22 Antirassismus-Tipps für den Alltag” genauere Informationen.
Adjanie Kamucote ist Sozialarbeiterin und -pädagogin, Mentaltrainerin, Antirassismus-Trainerin und Autorin. Sie leistet Aufklärungs- und Sensibilisierungsarbeit zu den Themen Rassismus, Sexismus und Intersektionalität. Beim Black Voices Volksbegehren hat sie im Team „Inhalt“ mitgewirkt.
Mehr zum Thema? Wir haben mit Barbara Abieyuwa vom hier oft eingeblendeten Instagram-Account @zu.oft.gehört über Alltagsrassismus gesprochen. Außerdem stellen wir euch ein paar Bücher vor, mit denen ihr euch zum Thema weiterbilden könnt.