Skurrile Dinge, die 2023 in Österreich passiert sind
Irgendwie haben sich die vergangenen Jahre angefühlt wie immer schlechtere Spin-offs von 2020: 2020 won, 2020 too. Spricht man das sich rapide zu Ende neigende aktuelle Jahr ähnlich Arnie-esk aus, könnte man aber durchaus Hoffnung schöpfen: 2020 free! Free at last? 2023 ist definitiv viel passiert, viel Drastisches, Schweres, Weltbewegendes. Wir haben stattdessen die skurrilsten Dinge Revue passieren lassen, die 2023 in Österreich passiert sind – und auch daran hat es nicht gemangelt.
2023 ist gekommen und gegangen und zu lachen gab es zwischen verheerenden Kriegen und Konflikten, die das Jahr national wie international ganz wesentlich bestimmt haben, nicht besonders viel. Trotzdem haben wir uns angesehen, was in Österreich dieses Jahr so alles passiert ist. Und weil das sowohl politisch als auch gesellschaftlich ziemlich schnell deprimierend werden würde, haben wir uns dabei auf die skurrilen Dinge konzentriert, die uns das Jahr über zumindest zum Schmunzeln oder wenigstens zum Stirnrunzeln gebracht haben. Weil Stirnrunzeln ist im Endeffekt auch nur Schmunzeln mit dem Kopf. Stirnschmunzeln. Oder so. (Diesen verbalen Bauchfleck haben wir übrigens ganz ohne die Hilfe von ChatGPT hingelegt.)
Anmerkung zum Titelbild: Diese Collage wurde mit Midjourney erstellt. Wir haben die KI lediglich mit den Dingen versorgt, die 2023 in Österreich passiert sind. Den Rest hat sie sich selbst zusammengereimt.
ChatGPT und der Kampf gegen die Maschinen
Apropos synthetisch verfasste Texte: Der Shooting-Star des Jahres war zweifellos ChatGPT und alles, was das Thema KI eben so mit sich bringt. Nicht nur in Österreich, sondern weltweit rüsten sich Menschen für den bevorstehenden Showdown zwischen Mensch und Maschine. Der kann jetzt aber wirklich nicht mehr lange auf sich warten lassen, wenn es möglich ist, sich mit einer KI so lange zu unterhalten, bis sie einen wüst beschimpft. So hat sich der erste ChatGPT-Hype jedenfalls angefühlt. Und während andere Redaktionen noch überlegten, wie sie ihre Texte in die Welt der Algorithmen auslagern könnten, haben wir bewiesen, dass wir immer noch mehr drauf haben als die KI – und sie zur Verzweiflung gebracht mit unseren Fragen.
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(Kein) Gin aus Mannerschnitten
Wenn das nicht die Good News unter den Skurrilitäten made in Austria ist! Wer hätte gedacht, dass die Mannerschnitte noch sympathischer werden kann, als sie ohnehin schon ist? Zusammen mit Unverschwendet hat Manner 2023 nicht nur einen Weg gefunden, köstlichen Spiritus herzustellen, sondern dabei auch noch Ressourcen zu schonen. Die Backüberschüsse werden in der Manufaktur Gölles vergoren, destilliert und mit Botanicals angereichert. Das Ganze heißt aber offiziell „Kein Gin“, weil der ursprüngliche Rohstoff dafür nicht aus der Landwirtschaft kommt. Macht trotzdem Gin, äh, Sinn!
Kamele wandern durch Hallein
Dass sich einem in Österreich mal eine Kuh in den Weg stellt? Klar. Dass einen plötzlich aus einem Hinterhalt eine vorlaute Ziege anblökt? Auch nicht selten. Aber dass Kamele die Landstraße lahmlegen? Eher unüblich. Und 2023 trotzdem so passiert: Nach einem Stromausfall sind im Oktober acht Kamele aus einem Zirkus in Hallein ausgebüchst und haben zielsicher den Bahnhof angesteuert. Bis zum Ticketschalter haben sie’s aber dann doch nicht geschafft. Wer weiß, wohin es sie sonst verschlagen hätte!
Übrigens kam es nur einen Tag später auch im 11. Bezirk von Wien zu einer skurrilen Verkehrskontrolle. In Simmering ist mitten in der Nacht ein Mann auf einem Pferd auf der Straße von der Polizei angehalten und wegen „zu spärlicher Beleuchtung” angezeigt worden. Seine Erklärung: Er sei Fiaker und wolle seinem Vierbeiner nur etwas Auslauf gönnen.
Steinschlag für die Demokratie
Tiere, die Skurriles machen – einmal geht’s noch: 2023 wurde nach langen Renovierungsarbeiten endlich das neue Parlament eröffnet. Und schon hatte die österreichische Demokratie mit einem Schlag zu kämpfen. Einem Steinschlag! Denn ein paar rabiate Krähen haben es sich zur Beschäftigung gemacht, Kieselsteine auf die nigelnagelneue Glaskuppel detonieren zu lassen. Ob das ein etwas zu wörtlich ausgelegtes Statement gegen die gläserne Decke hatte sein sollen oder vielleicht doch ein Boykott des goldenen Flügels, ist nicht belegt. Die Lösung war jedenfalls, die Steine am Dach des Parlaments anzukleben, damit die Krähen sie nicht mehr als Geschosse zweckentfremden können.
Traumfabrik ÖVP
Aber nicht nur das Tierreich hat die politische Bühne in Österreich 2023 in Atem gehalten: Er ist Posterboy für Geilomobile, der Slim Shady der Anzugindustrie und seine Freunde bekommen von ihm wirklich alles, was sie wollen. Sebastian Kurz wurde dieses Jahr nicht in einem, sondern gleich drei Filmen verewigt, wobei nur einer davon die Figur des Polit-Shootingstars kritisch beleuchtet („Projekt Ballhausplatz“ von Kurt Langbein). Bei der Premiere des anderen saßen Ex-ÖVP-Kanzler Sebastian Kurz und Ex-ÖVP-Kanzler Wolfgang Schüssel sogar in trauter Eintracht im Kino.
„Zwei Kinodokus über ein und dieselbe Person zur gleichen Zeit – das gab es in Österreich noch nie“, schreibt der Kurier im September 2023. Wir lehnen uns mal weit aus dem beschlagenen Fenster und behaupten: generell noch nie. Weil: Warum auch? Und dann kam ebenfalls im September sogar noch „Sebastian Kurz – the truth“ von Jakov Sedlar auf Vimeo heraus. Man könnte also behaupten, 2023 ist in Österreich ein eigenes Kurzfilmgenre entstanden. Beunruhigend.
Sollen sie doch zum Mäci gehen
Sein Nachfolger hat versucht, kinematografisch gleichzuziehen. Die Videos von Karl Nehammer haben es allerdings weniger auf die Leinwände des Landes, dafür auf sämtliche Smartphone-Bildschirme geschafft. Ob das so in seinem Sinne war? In einem dieser legendären Clips überstrapaziert Karl Nehammer das Wort „normal” so lange, bis es wirklich keinen Sinn mehr ergibt. Und in einem weiteren Video, das im Unterschied zum vorigen offensichtlich nicht zu PR-Zwecken gedacht war, schmettert der Kanzler der Magengruben gegen Frauen in Teilzeit-Anstellungen, Kinderarmut und die Sozialpartnerschaft.
Humoristischer Höhepunkt war definitiv, als Nehammer in die Runde gestikuliert: „Wisst’s, was die billigste Mahlzeit in Österreich ist? Die is’ net g’sund, aber sie ist billig.” Und eine Stimme aus dem Publikum voller Überzeugung aus dem Off murmelt: „Leberkassemmel!” Falsche Antwort, danke, setzen. Der Kanzler wollte eigentlich darauf hinaus, dass Kinder, die sich eine gesunde warme Mahlzeit nicht leisten können, doch einfach zum Mäci gehen können. Wenn sie kein Brot haben, sollen sie doch Burger essen. Oder so.
Weil die Teilzeit-Debatte Anfang des Jahres schon mal hochgekocht war, haben wir die Teilzeit-Arbeit ins richtige Licht gerückt: 7 Dinge, die du kennst, wenn du Teilzeit arbeitest.
SPÖ-Chef für ein Wochenende
Aber auch die SPÖ hat sich dieses Jahr nicht unbedingt mit Ruhm bekleckert. Gebannt hat das Land beim Kopf-an-Kopf-Rennen um den SPÖ-Vorsitz mitgefiebert: Babler oder Doskozil? Babler oder Doskozil? Doskozil. Oder doch Babler? Wenigstens ein Wochenende lang hatte der burgenländische Landeshauptmann endlich den Thron erreicht, an dem er schon so lange gesägt hatte. Doch schon zwei Tage später stieß ihn sein Kontrahent dann doch recht unsanft von ebendiesem.
Der Grund: Ein Mitarbeiter habe die Ergebnisse der Abstimmung in der falschen Reihenfolge in eine Exceltabelle eingetragen. Und das ist auf eine eigenartig banale Art und Weise menschlich – Excel ist Weltschmerz in Rasterform. Wir haben es uns aber nicht nehmen lassen, einen kleinen Excel-Guide zu erstellen, damit so etwas in Zukunft nicht mehr vorkommt: 7 Tipps, die dich zum Excel-Profi machen.
„Panierquote Neu“
Weil sich in Niederösterreich im vergangenen Jahr auffällig viel Skurriles getan hat, fassen wir die beiden größten Stirnrunzler mal zu einem gigantischen Augenbrauenkräuseln zusammen. Nachdem sich Anfang des Jahres die neue Landesregierung aus ÖVP und FPÖ formiert hatte, war einer der ersten Ankündigungen die viel zitierte Wirtshausprämie. Der Haken: Nur jene Wirtshäuser sollen gefördert werden, die ein „traditionelles und regionales Speisenangebot“ aufweisen. Das warf wiederum die Frage auf, was denn kulinarisch als genuin niederösterreichisch gelten darf in einer Küche, die geprägt ist von so vielen Einflüssen.
Generell standen vor allem Fragen im Raum, die das Satireportal Tagespresse prompt zu beantworten suchte: In einem Brief mit dem Betreff „Wirtshausprämie und Panierquote Neu“ gab man den Wirt*innen Maßnahmen an die Hand, wie man denn als „heimatverbundenes“ Wirtshaus durchgehen könne. Eine „Rot-weiß-rote Kinderkarte“ zum Beispiel, mit „Gabalier-Fleischstaberl“ statt „Arielle-Fischstäbchen“. Die FPÖ Niederösterreich versuchte daraufhin, eine einstweilige Verfügung einzuklagen, scheiterte aber und musste schließlich der Tagespresse 2.207 Euro als Kostenersatz für die Anwaltskosten zahlen.
Und dann war da ja noch die Sache mit dem Gendern: Obwohl besonders bei FPÖ und ÖVP der Duktus vorherrschend ist, heutzutage doch wirklich nichts mehr sagen dürfen, war es ausgerechnet diese Regierung, die – Überraschung, Überraschung – mit Verboten um sich schmeißt: Gendern ist inzwischen in den niederösterreichischen Landesbehörden verboten. Punkt. Was Hoffnung gibt: Auf Bundesebene wurde vor Kurzem das erste Gesetz, das in rein weiblicher Form verfasst wurde, im Nationalrat abgesegnet. Die besten Geschichten schreibt eben immer noch das Leben, hach.
Matthias Strolz ist auferstanden als musikalischer Mental-Coach
Und dann gab es da 2023 auch noch das Comeback von einem, der die Polit-Bühne ebenfalls jahrelang bespielt hat. Allerdings kehrte er dieses Jahr nicht auf eben diese zurück, sondern auf eine andere. Matthias Strolz hatte bereits im Jänner bei einem erstaunlich diffusen Video aus dem indischen Goa mit einem „kreativen Ausbruch“ gedroht, den das Jahr mit sich bringen solle. Und er hat geliefert!
Der Ex-NEOS-Chef und Kurt Razelli haben mit „Lost in Space“ ein Album aus der Taufe gehoben, das wahrlich seinesgleichen sucht. Ein Stück Musikgeschichte, könnte man sagen. Sollte aber dazusagen, dass Geschichte auch ihre dunklen Seiten hat. Die Albumpräsentation in der Wiener SimmCity war geprägt von einer Handvoll Songs, zugegeben beeindruckenden Kostümwechseln auf offener Bühne und sehr viel esoterischen Antworten auf Fragen, die sich so ziemlich sicher noch niemand gestellt hat. Und die Antwort auf eh alles ist für Strolz am Ende auch bloß eine weitere Frage: „What would love do?“ Diese Frage könne jeden noch so komplizierten weltpolitischen Konflikt im Keim ersticken. Die Antwort darauf, was die Liebe denn nun tun würde, ist er uns allerdings schuldig geblieben.
Siebenjähriger on the run am Vienna City Marathon
In Sachen Selbstbewusstsein kann man sich von Matthias Strolz sicher einiges abschauen. Genauso wie von dem Siebenjährigen, der sich während des Vienna City Marathons aus den Händen seines Vaters gestohlen und sich unter die Laufenden gemischt hat. Stolze sieben Kilometer ist er mitgelaufen, bevor ihn die Polizei aus dem Verkehr gezogen hat. Respekt!