5 Wiener Spezialitäten und ihre kuriose Geschichte
Schnitzel, Tafelspitz und Co. sind schon fast so etwas wie Wiener Wahrzeichen. Und wie es sich für Wahrzeichen so gehört, haben sie eine bewegte Geschichte im Gepäck.
Kommt das Wiener Schnitzel wirklich aus Wien? Warum heißt der Kaiserschmarrn Kaiserschmarrn? Für wen wurde der Tafelspitz erfunden? In welchem Lied werden Buchteln besungen? Und was ist ein Beuschelreißer? All das und vieles mehr erfahrt ihr in unseren erstaunlichen Geschichten über fünf Klassiker der Wiener Küche!
Wiener (?) Schnitzel
Dem deutschen Fußballer Andreas Möller wird der Spruch „Mailand oder Madrid – Hauptsache Italien“ zugeschrieben. Beim Schnitzel verhält es sich anders. Das Schnitzel gehört schließlich zu Wien wie der Stephansdom. Wie kommt es also, dass sich jahrzehntelang das Gerücht halten konnte, das Wiener Schnitzel sei eigentlich in Mailand erfunden worden? Um der Geschichte auf den Grund zu gehen, müssen wir zurück in die späten 1960er-Jahre reisen. Italien und Österreich verstehen sich damals nicht besonders gut, Streitereien um Südtirol belasten die Beziehungen. Was liegt da näher, als den Österreicher*innen das Kernstück ihrer kulinarischen Identität abzuluchsen? Eine gute Story muss her und der italienische Journalist Felice Cùnsolo besorgt sie. Cùnsolos Geschichte spielt Mitte des 19. Jahrhunderts in Norditalien, wo Truppen der Habsburger gerade dabei sind, mehrere Revolten niederzuschlagen. Protagonist ist der in Italien verhasste Feldmarschall Radetzky, der einen Bericht über die militärische Lage in der Lombardei an den Kaiser in Wien schickt. In einer Randnotiz wird außerdem eine lokale Spezialität erwähnt – ein himmlisch gutes paniertes Kalbskotelett. Dem Kaiser wird der Mund wässrig geschrieben – er bittet Radetzky nach dessen Rückkehr persönlich um das Rezept.
Die Legende vom Mailänder Schnitzel wird erstmals 1971 im Gastronomieführer Guida gastronomica d’Italia veröffentlicht, der auch bald ins Deutsche übersetzt wird. Doch die Geschichte hinkt: Zunächst spricht Cùnsolo von einer cotoletta alla milanese – also einem Kotelett. Für ein originales Wiener Schnitzel benötigt man aber Kalbsschlögel! Namentlich erwähnt wurde das „Wiener Schnitzel“ außerdem erstmals 1831 in einem Kochbuch von Maria Anna Neudecker und damit lange vor Radetzkys Bericht. Und Gebackenes findet man in der Wiener Küche überhaupt schon viel früher. Cùnsolos Geschichte wird dennoch bereitwillig geglaubt, schließlich hatte er sich auf eine Quelle aus dem Wiener Staatsarchiv berufen. 2001 forscht ein Lehrer auf eigene Hand nach und begibt sich auf die Suche nach Radetzkys Schnitzel-Bericht. Und was findet er? Nichts, nada, niente! Denn das Dokument gibt es gar nicht. Das Wiener Schnitzel ist und bleibt also urwienerisch. Die Mailänder*innen werden es verkraften – die haben immerhin ihren gelben Risotto. Und natürlich Campari.
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Kaiserschmarrn
Um den Kaiserschmarrn ranken sich viele Mythen und Legenden. Erstmals serviert wude diese süße Versuchung angeblich im Jahr 1854 und zwar keiner Geringeren als Kaiserin Elisabeth. Der damalige Hof-Patissier wusste um Sisis Schlankheitswahn und wollte deshalb ein besonders leichtes Dessert kreieren. Der Teig geriet ihm jedoch zu dick und zerriss, weshalb er notdürftig versuchte, ihn unter einem Berg an Staubzucker zu verstecken. Sisi verschmähte prompt die neue Süßspeise. Um die Situation zu retten, soll Kaiser Franz Joseph in die Bresche gesprungen sein und ausgerufen haben: „Na geb‘ er mir halt den Schmarren her!“ Und so wurde aus dem Kaiserinschmarrn letztlich der Kaiserschmarrn.
Tafelspitz
Auch diese Spezialität verdanken wir offenbar Franz Joseph I.: Der Kaiser soll nämlich mit atemberaubender Geschwindigkeit gegessen haben, was bei der bestehenden Hofetikette zu gewissen Problemen führte. Denn streng genommen durfte niemand essen, sobald der Kaiser sein Besteck zur Seite gelegt hatte. Insbesondere die kräftigen Militärs litten darunter, hatten sie doch kaum Zeit, ihren Hunger zu stillen. Nach der kaiserlichen Tafel sollen nicht wenige von ihnen deshalb noch ins Sacher gegangen sein, um dort in aller Ruhe zu speisen. Im Traditionsetablissement soll für die spezielle Klientel extra der Tafelspitz erfunden worden sein: Das Gericht konnte stundenlang vor sich hin köcheln und war damit jederzeit servierfertig.
Tafelspitz stammt bekanntlich vom Rind und Rindfleisch hat einen festen Platz in der Geschichte Wiens. Eine Zeitlang war es neben Brot eines der wichtigsten Grundnahrungsmittel und wurde wesentlich häufiger als Schweinefleisch konsumiert. Verkauft wurden in der Regel ganze Rinderhälften, weshalb Köche das Zerlegen der riesigen Fleischstücke im Laufe der Zeit perfektionierten. Der Schriftsteller Joseph Wechsberg resümierte einst: „Wer nicht über mindestens ein Dutzend Stücke von gekochtem Rindfleisch sachkundig sprechen kann, gehört in Wien nicht dazu, gleichgültig, wieviel Geld er verdient.“
Buchteln
Buchteln stammen – wie so viele österreichische Mehlspeisen – ursprünglich aus dem böhmischen Raum. Folglich leitet sich „Buchtel“ vom tschechischen „Buchta“ ab. Ursprünglich waren warme Mehlspeisen ein klassisches Arme-Leute-Essen, denn sie waren kostengünstig herzustellen und sättigend. Dies änderte sich in der Zeit des Biedermeiers in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Wegen der vielen Spitzel, die überall für Staatskanzler Metternich im Einsatz waren, zogen es die Leute vor, sich in die eigenen vier Wände zurückzuziehen.
Und was macht man, wenn man die ganze Zeit zuhause hockt? Richtig: essen! Wohlhabende Bürger*innen engagierten nun reihenweise böhmische Köchinnen und deren köstliche Mehlspeisen wurden schon bald ein elementarer Bestandteil eines gelungenen Mahls. Buchteln galten fortan als Delikatesse. Am Hermannskogel in Wien Döbling veranstaltete man damals zu verschiedenen religiösen Feiertagen sogar eine eigene Tombola mit so genannten Ternobuchteln, in die statt der üblichen Füllungen kleine Zetteln mit den Nummern eingebacken wurden. Die berühmtesten Buchteln Wiens gab und gibt es wohl im Café Hawelka. Bis zu ihrem Tod im Jahr 2005 war die legendäre Josefine Hawelka höchstpersönlich für deren Herstellung verantwortlich. Und Georg Danzer widmete ihnen sogar eine Textpassage in seinem Lied „Jö schau“.
Beuschel
Das Beuschel ist ein echter – das heißt nicht aus den Kronländern importierter – Klassiker der Wiener Küche. Von hier ausgehend hat es ganz Österreich und sogar Bayern erobert. Unter „Beuschel“ versteht man ursprünglich die Innereien geschlachteter Wildtiere, auf die traditionell der*die Jäger*in selbst Anspruch hatte. Der Name Beuschel leitet sich von der bauschigen Beschaffenheit der Lunge ab. Daran angelehnt nennt man in Wien ein Stethoskop umgangssprachlich auch „Beuscheltelefon“ und einen hochprozentigen Schnaps oder eine starke Zigarette „Beuschelreißer“. Im Ragout können neben der Lunge auch andere Innereien wie Herz, Niere oder Milz vom Kalb, Schwein oder Wild verarbeitet werden.
Insbesondere für die ärmeren Bevölkerungsschichten waren Innereien einst wesentlicher Bestandteil der täglichen Ernährung. Obwohl sie als minderwertige Nahrungsmittel galten, konnte man es sich nicht leisten, sie einfach wegzuwerfen. Erst im 19. Jahrhundert, als die Innereien-Rezepte immer ausgefeilter wurden, wurde das Beuschel zu einer echten Spezialität: Mit Obers, Gulaschsaft und Servietten- oder Semmelknödel aufgepeppt, wurde es als „Salonbeuschel“ zu einer Lieblingsspeise des gehobenen Bürgertums. Heute gilt das Gericht als echte Delikatesse und als Gradmesser für Köch*innen. Denn nicht wenige Wiener*innen sind davon überzeugt, dass man die Qualität eines Gasthauses oder Beisels in erster Linie an der Qualität des kredenzten Beuschels erkennt.
Aber nicht nur Schmankerln haben in Wien manchmal kuriose Hintergründe: Wir verraten euch die skurrilen Geschichten hinter einigen Wiener Wörtern. Außerdem stellen wir euch außergewöhnliche Erfindungen Made in Austria vor.
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