8 Dinge, die du kennst, wenn du als Wiener Stadtkind aufs Land fährst
Ihr seid Stadtpflänzchen, aber ab und zu verlasst ihr euer natürliches Habitat und fahrt gerne mal aufs Land? Dann kommen euch die folgenden Dinge sicher bekannt vor.
„Du bist blöd.“ „Nein, du bist blöd.“ „Immer zweimal mehr wie du.“ Wer Geschwister hat, weiß, worauf das hinausläuft: Irgendjemand weint, irgendjemand rennt zur Mama, und am Ende haben sich eigentlich eh lieb. Eh. Irgendwie. Zumindest bleibt einem in den ersten Lebensjahren kaum etwas Anderes übrig. Ungefähr so wie eine immer leicht gespannte Geschwisterbeziehung verhält es sich für mich auch mit der Beziehung Wien – Österreich, oder „Restösterreich“, wie die Wienerinnen und Wiener so gerne mit vertikaler Nasenspitze sagen und es sich dabei in der Sekunde mit den Leuten aus „den Bundesländern“ – auch so ein schön überheblicher Sager – am Tisch verscherzen. Ich darf das übrigens kritisch feststellen, ich bin ja eine von ihnen – also, den Wienern und Wienerinnen. Auszudividieren, wer von den beiden Parteien nun großes und wer kleines Geschwisterchen ist, würde diese unbeholfene Metapher wahrscheinlich zu sehr ausreizen. Jedenfalls geht’s hier wieder mal um das feixende Stadt-Land-Gefälle, das Österreich irgendwie ausmacht. Das bekommt man besonders dann zu spüren, wenn man sich als Wiener Stadtkind über die eigenen territorialen Grenzen hinauswagt und aufs Land fährt.
Das Wiener-Kennzeichen zieht Ärger auf sich
Und das beginnt meistens tatsächlich schon bei der Autofahrt selbst. Sobald ich mit meinem kleinen Stadtflitzer, der aussieht, als hätte ich seine Räder von einem Matchbox-Auto geklaut, durch ruralere Gefilde zuckle, wird es düster. Ich fahre brav meine 100 Kilometer pro Stunde oder sogar ein bisschen mehr, wenn ich ganz wild unterwegs bin, weit und breit ist kein anderes Gefährt auf der Straße. Nur ich und die weite Prärie. Und plötzlich pickt mir ein fetter Geländewagen an der Stoßstange und würde mich offenbar am liebsten in den Straßengraben schieben. Scheinwerfer flackern, Hände fuchteln. Was hat der Typ für ein Problem? Achja, mein Kennzeichen. Das fette W und das Wien-Wappen auf meinem Auto-Popsch triggern regelmäßig den Grant. In manchen Situationen ist das sogar nicht ganz unverschuldet. Immerhin sind der kleine Nissan Micra und ich steile Serpentinenstraßen nicht gewohnt und kraxeln lieber im Schritttempo und mit viel gutem Zureden den Berg hinauf. Dass das jene zum Drängeln animiert, die diese Straße täglich zur Arbeit und wieder zurück fahren, ist irgendwie verständlich. Ich werde auch wucki, wenn sich die Hintertupfinger in Wien panisch im Schritttempo durch das Einbahn-Labyrinth lavieren. Aber auf offener Landstraße bei angemessenem Tempo ist die Dränglerei nichts anderes als Auto-Mobbing. Oder wie der hinter mir wahrscheinlich schon dreimal gebrüllt hat: „Scheiß Wiener!!einself!“
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Ur oder voi?
Wobei er wahrscheinlich eher „Weana“ oder irgendetwas anderes sagen würde. Ich bin eben alles andere als sattelfest in sämtlichen dialektalen Varietäten Österreichs. Das würde ich als Wienerin am Land natürlich niemals zugeben. Nein, stattdessen versuche ich instinktiv, verbal meine Herkunft zu verschleiern und schalte auf einen seltsamen Mix aus Kärnter-Tiroler-Oberösterreicherisch um. Alles, was ich bei meinen bisherigen Ausflügen in die einzelnen Regionen eben so aufgeschnappt habe, erprobe ich betont lässig beim erzwungenen Smalltalk an der Supermarkt-Kassa des nächsten Skigebiets und bin dabei tunlichst darum bemüht, dass mir nicht unabsichtlich doch ein verräterisches „Ur“ aus dem Gesicht fällt. Allerdings habe ich inzwischen den leisen Verdacht, dass auch ohne dieses wahrscheinlich Wienerischste aller Füllwörter allen anderen klar ist, dass ich keine von ihnen bin.
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„Kannst du mich verstehen?“
Dieser Verdacht erhärtet sich spätestens dann, wenn mein Gegenüber plötzlich auf sauberstes Standarddeutsch umschwenkt und langsam, laut und überartikuliert mit mir spricht, als wäre ich schwer von Begriff. Was etwas verwirrend ist, wenn man nicht weiß, woher das kommt. Früher dachte ich noch, dass das vielleicht auf mein Gegenüber selbst zutrifft, und wechselte in – genau – das – selbe – Sprech – tempo. Man nimmt ja Rücksicht aufeinander. Als sich diese Situationen zusehends häuften, wurde mir klar: Es könnte an mir liegen. Augenöffnend war dafür etwa ein Yoga-Urlaub in Oberösterreich im vergangenen Sommer. Als wir uns alle im Kreis vorstellen mussten und kundgaben, wo wir herkamen, war schnell klar: Ich bin die Quoten-Wienerin. „I bin ausm Burgenland.“ „I kumm aus Linz.“ „Ich bin von München angereist.“ „Ich komme aus Stuttgart.“ Ah, zwei Deutsche, dachte ich noch präpotent. Wenn in Österreich Stadt und Land eines eint, dann ist es der Grant auf „die Piefke“. Und dann war ich an der Reihe: „Hallo ich bin die Viki und ich komme aus Wien.“ Die Yoga-Lehrerin riss die Augen auf, tauschte ihren wunderbaren Salzkammergut-Dialekt gegen den bereits bekannten gelatinösen Wortfluss ein und fragte mich – langsam – und – klar – artikuliert: „Kannst du mich verstehen?“ Und das, obwohl zwei Deutsche mit im Raum waren. Ja, es liegt eindeutig an mir.
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Erwartungshaltung: Stadtpflanze
Aber nicht nur die Sprache ist eine gewisse Barriere. Auch gewisse Klischees über Wiener und speziell Wienerinnen geistern offenbar in so manchen hochalpinen Köpfen umher. Als ein Studienfreund meinen Besuch bei seiner Kärntner Bergbauernfamilie ankündigte, schallte es durchs Telefon: „A Stadtpflanzn!“ Hä? Was ist das und wo bekomme ich einen Strauß davon her? Zum Glück warnte mich mein Freund rechtzeitig, dass damit alles andere als ein Blumenbukett gemeint ist. Es wäre denkbar zynisch dahergekommen, hätte ich meinen Gastgebern einen Strauß überreicht mit mildem Lächeln und den Worten: „Hier ein paar Stadtpflanzen fürs Fensterbrett.“ Autsch. Mich, die selbst in ausgelatschten Turnschuhen oft alles andere als ein graziles Bild abgibt, als zartes Pflänzchen zu bezeichnen, lag mir also denkbar fern. Genauso wie die Erwartung, ich würde auf dem Bauernhof in Highheels, platinblond gefärbten Haaren und Minirock antanzen. „Schau mal, die hat ja Wanderschuhe an!“ Das war das Erste, das mir meine Kärntner Gastfamilie freudig entgegenpolterte. Große Erleichterung. Stöckelschuhe sind für manche offenbar der Inbegriff der Affektiertheit. Mir ist natürlich klar, dass auch dieses Klischee nicht von ungefähr kommt. Es gibt sicher genug Wienerinnen und Wiener, die sich im Urlaub aufführen wie der Kaiser von China auf Wochenendtrip. Aber nicht jede Stadtpflanze ist eben eine Mimose.
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In Wien leben? Nein, danke
Wien ist außerhalb der Hauptstadt nicht nur als überheblicher Wasserschädel verschrien, sondern oft auch als eine Art Mischung aus Mordor und Gotham City. Dass Wien schön ist, steht außer Frage. Aber hier leben? Nein, danke. Um es mit einem Tocotronic-Song zu trällern. Immerhin gibt’s da doch ständig Randale, Messersteichereien und Überfälle. Zumindest wenn man den Boulevard-Blättern glauben mag. Dass es sich in der Hochburg des Grants eigentlich ganz gut leben lässt, kauft einem außerhalb nur schwer jemand ab. Nicht einmal dann, wenn man mit den Mercer-Studien der vergangenen zehn Jahre hausieren geht. Wobei das Image eines toughen Straßen-Rowdys, der sich tagsüber durch dystopische, post-urbane Ruinen kämpft und nachts seine Hände am romantischen Lagerfeuer aus der Mülltonne wärmt, irgendwie so gar nicht zum Bild des zarten Stadtpflänzchens passt, oder?
Die Frischluft-Watschen
Natürlich weht einem auf Landgang aber nicht nur Zurückhaltung oder gar Missgunst entgegen. Nein, sobald sich der Drängler auf der Landstraße endlich genug geärgert und überholt hat, mache ich mein Autofenster auf und atme erst einmal kräftig ein. Herrliche, frische Luft. Das sind meine eingestaubten Stadtlungen tatsächlich kaum gewöhnt. Da kann man sich gar nicht sattatmen. Die berühmte „Frischluft-Watschen“, die einen sonst nur ins Taumeln bringt, wenn man angeduselt aus dem stickigen Beisl wankt, versetzt mich auf Urlaub am Land in der ersten Nacht regelmäßig in einen seligen, tiefen Dornröschen-Schlaf. Man kann also auch vom Sauerstoff ein bisserl zu viel erwischen – O2 war wohl einer zu viel. Haha. Schnarch.
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Das Genick beim Sternderlschauen verreißen
Was man in der Stadt auch nur selten in diesem Ausmaß sieht: Sterne! Oder wie das Stadtkind in mir sagen will: Straßenbeleuchtung des Himmels. Klingt komisch, ist aber so. Natürlich hat man auch vom Kahlenberg einen schönen Blick auf die funkelnde Stadt, aber in diesem Falle funkelt’s doch dank Lichtverschmutzung eher von unten herauf. So einen richtig satten Sternenhimmel bekommt man eben nur zu sehen, wenn man auf einer freien Wiese auf dem Land Sternderln schaut. Das versetzt die Stadtkinder regelmäßig in so großes Staunen, dass sie sich beim Hans-guck-in-die-Luften ein starres G’nack holen. Mimosen, also doch.
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Grüßen – immer und überall
Nur dass wir uns nicht falsch verstehen: Auch wenn wir uns manchmal vielleicht nicht auf Anhieb verstehen, überwiegt am Land doch normalerweise die Offenheit und Geselligkeit. Allein schon bei so simplen Dingen wie dem Grüßen auf der Straße, derzeit mit dem gebürtigen Abstand. Würde ich in der Stadt jeden Menschen grüßen, der mir über den Weg läuft, würde ich wahrscheinlich keine zwei Meter vorankommen – abgesehen von den brüskierten Blicken, die ich ziemlich sicher auf mich ziehen würde. Aber am Land, da grüßt man sich, ob man sich kennt, oder eben nicht – auch durch die Maske hindurch! Denn meistens kennt man sich ja. Und wenn nicht, sind doch Fremde auch nur Freunde oder Freundinnen, die man noch nicht kennengelernt hat, oder? Es sei denn, man macht den Fehler Nummer eins im Stadtkind-Handbuch und grüßt nicht zurück. Dann ist man schnell mal geoutet als die unsympathische Wienerin. In diesem Sinne: Pfiat eich!
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Und wenn wir schon dabei sind, verraten wir euch auch gleich ein paar Dinge, die ihr sicher kennt, wenn ihr in Wien aufgewachsen seid. Bei unseren To Dos versorgen wir euch mit tollen Tipps für eine gute Zeit in Österreich.