Lost Places und alternative Kulturzentren in Ljubljana
Ob ein verlassenes Hotel, eine ehemalige Zuckerfabrik oder ein von Gras überwuchertes Stadion: Kommt mit auf die Spuren von verlassenen Orten in Ljubljana! Wir zeigen euch Lost Places – und was aus ihnen geworden ist.
Was passiert mit Fabriken, die stillgelegt werden oder mit Hotels, die keine Käufer*innen finden? Manchmal, da passiert eben nichts damit. Die verlassenen Orte verfallen, die Natur erobert sich ihren Platz zurück, mitunter finden auch Menschen eine alternative Art, die sogenannten Lost Places zu nutzen – nicht immer legal und geregelt. Wir waren in der slowenischen Hauptstadt Ljubljana auf den Spuren solcher Lost Places unterwegs und haben uns angesehen, was aus den Orten geworden ist.
Hotel Bellevue – das verlassene Hotel im Wald
Ein zerbrochener Teller liegt vor der grauen Hauswand, von der der Putz abbröckelt. Ein orangefarbender Schreibtischstuhl steht vor einem mit Holzbalken verbarrikadierten Fenster zum Keller. Graffitis überall auf dem Bauzaun: Das Hotel Bellevue im Tivolipark in Ljubljana hat schon einmal bessere Tage gesehen. Wenn Jogger*innen durch den Wald auf dem Hang im Tivoli laufen, wirkt es, als würden sie das verfallene Hotel gar nicht mehr richtig wahrnehmen – seit Jahren steht das Gebäude leer. Was einst ein kultureller und sozialer Treffpunkt Ljubljanas war, ist heute eine Ruine.
Das Hotel wurde 1909 erbaut – drei Stockwerke ist es hoch, hat eine Terrasse und mehrere Nebengebäude. Bevor das Hotel Bellvue errichtet wurde, stand an dem Platz im Tivolipark ein Café. In den 50er-Jahren wurde das Hotel verstaatlicht, nach der Unabhängigkeit Sloweniens im Jahr 1991 wechselte es mehrmals die Besitzer*innen. Bevor das Haus schlussendlich leerstand, befand sich ein Club in den Räumen. Mehrere Feuer beschädigten das Hotel Bellevue und machten es zu der Ruine, die es heute noch ist. Zum letzten Mal wurde das Bellevue 2017 verkauft. Weil das Haupthaus zum Kulturdenkmal erklärt wurde, müssen für Umbauten die Richtlinien des Instituts für Denkmalschutz eingehalten werden. Obwohl eine Renovierung angekündigt wurde, steht das Haus bis heute leer.
Bežigrad-Stadion – die Ruine eines Stadions
Wer durch Ljubljana spaziert, wandelt zwangsläufig auch auf den Spuren Jože Plečniks. Der slowenische Architekt hat durch zahlreiche Bauten das Stadtbild Ljubljanas geprägt. Von dem Schüler Otto Wagners stammen zum Beispiel die Drei Brücken im Stadtzentrum, der Markt und die Universitäts- und Nationalbibliothek. Und auch das Bežigrad-Stadion im namensgebenden Bezirk Bežigrad hat Plečnik entworfen. Der Grundstein für das Stadion wurde 1925 gelegt – im Jahr 2008 wurde es geschlossen. Und seitdem steht es leer.
Die Tore des Mehrzweck-Stadions sind versperrt, über die Tribünen wächst Gras, auch auf dem Feld wuchern Pflanzen. Nur die Graffitis an den Wänden zeigen, dass hier wohl doch noch Menschen am Werk waren. Obwohl die Arbeiten des Architekten in Slowenien hoch geschätzt werden und teilweise zu kulturellen Denkmälern ernannt wurden, verfällt das Bežigrad-Stadion immer mehr. Pläne, das schlecht instand gehaltene Stadion zu renovieren, sind aufgrund von Landnutzungskonflikten, fehlenden Umweltgenehmigungen und Unstimmigkeiten mit den Anrainer*innen gescheitert. Ljubljana hat längst ein neues, modernes Stadion – was, und ob überhaupt etwas mit dem in Bežigrad passiert, ist unklar.
Cukrarna – moderne Kunst in der Zuckerfabrik
Dass aus leerstehenden Gebäuden auch spannende neue Projekte entstehen können, beweist die ehemalige Zuckerfabrik Cukrarna. Aber fangen wir am Anfang an: 1828 entstand die Zuckerfabrik in Ljubljana. Zu Beginn waren in der kleinen Fabrik nur 22 Personen angestellt, doch sie wuchs schnell und Mitte des 19. Jahrhunderts war Cukrarna die größte Zuckerfabrik Österreich-Ungarns. Nach einem schweren Brand im Jahr 1858 wurde die Produktion eingestellt. Das Gebäude diente in den darauffolgenden Dekaden vor allem als Notunterkunft für bedürftige Menschen, insbesondere nach dem Erdbeben in Ljubljana im Jahr 1895.
Vor allem ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts verschlechterte sich der Zustand des Gebäudes immer mehr. Nachdem die ehemalige Zuckerfabrik lange Zeit leer stand, kaufte die Stadt Ljubljana das Gebäude und den Grund im Jahr 2008. Von 2018 bis 2021 wurde das Haus schließlich renoviert und zu einem Zentrum für moderne Kunst umfunktioniert. Im September 2021 eröffnete der neue Artspace schließlich. Doch nicht das gesamte Gebäude wurde komplett erneuert. Ein Teil des Komplexes, der Cukrarna Palace, wurde quasi nur ausgehöhlt. Er wird von der Cukrarna Gallery durch eine Straße getrennt. Hier sind die Ziegelmauern nicht verputzt und die Böden nicht verlegt. Aber auch im Cukrarna Palace könnt ihr (derzeit kostenlose) Ausstellungen besuchen und einen Einblick in die Vergangenheit der ehemaligen Fabrik bekommen.
Metelkova – das alternative Zentrum Ljubljanas
Wenn ihr schon einmal in Ljubljana wart, dann kennt ihr diesen Ort bestimmt: Metelkova gilt als das alternative Zentrum Ljubljanas. Und wenn ihr in der Hauptstadt Sloweniens seid, solltet ihr unbedingt einen Besuch einplanen und die Murals und Kunstwerke bestaunen – oder in den Clubs feiern, Konzerte, Festivals, Ausstellungen oder andere Veranstaltungen dort besuchen.
Bevor Metelkova der Ort für alternative Kultur war, der er heute ist, stand der Gebäudekomplex leer. Er wurde im 19. Jahrhundert als Kaserne für die österreichisch-ungarische Armee erbaut und später auch von der jugoslawischen Armee genutzt. Nach der Unabhängigkeit Sloweniens im Jahr 1991 verließen die Truppen das Land und die Kaserne stand leer. Eigentlich sollten die Gebäude abgerissen und in eine Autoparkzone umgewandelt werden. Um das zu verhindern, besetzten im Jahr 1993 rund 200 Künstler*innen, Aktivist*innen, Intellektuelle und andere Freiwillige die Gebäude. Heute ist das alternative Zentrum fest in der Kulturszene von Ljubljana verankert. Im Jahr 2005 wurde Metelkova als Kulturerbestätte deklariert, in kaum einem Reiseführer bleibt es unerwähnt.
Rog Factory – von der Fahrradfabrik zum Kulturzentrum
Nicht immer gelingt es, dass alternative Zentren auch dauerhaft bestehen bleiben. Das zeigt sich am Beispiel der Rog Factory: Die ehemalige Fahrradfabrik in Ljubljana, in der bis 1991 die Räder der Marke Rog hergestellt wurden, stand lange Zeit leer. 15 Jahre nach der Schließung der Fabrik, im Jahr 2006, besetzten Aktivist*innen, Student*innen und Künstler*innen das Industriegelände, schreibt die Initiative Autonomous Facotry Rog auf ihrer Website. Demnach entstanden daraufhin Social Spaces, Ateliers, Galerien und auch ein Skatepark, Workshops und Lesungen wurden in der Rog Facotry angeboten und Konzerte und Clubbings veranstaltet. Bis Ende 2020 waren laut eigenen Angaben rund 200 Personen und etwa 15 Kollektive in der Rog Factory aktiv.
Im Gegensatz zu Metelkova duldete die Stadt die Besetzung der Rog Factory nicht so lange: Im Jänner 2021 wurde das Gelände geräumt. Derzeit entsteht hier das Center Rog, welches als Kulturzentrum dienen soll. Der Plan ist es, das Zentrum für Projekträume und Workshops, Ausstellungen und Veranstaltungen zu nutzen. Außerdem soll es Platz für Restaurants, Cafés, Shops, einen Park und eine Bücherei geben. Ab Sommer 2023 soll das neue Kulturzentrum für die Öffentlichkeit zugänglich sein.
Wir haben uns auch in Wien auf die Spuren verlassener Orte gemacht und haben die Wiener Unterwelt erkundet. Wenn ihr gerade in Ljubljana unterwegs seid, haben wir euch einen Guide für die Stadt zusammengestellt und zeigen euch unsere liebsten Restaurants, Bars und Cafés in Ljubljana.