Raunzen & Reisen: Arbeit im Hostel
Wir lieben Reisen, und ganz ehrlich: Wir lieben auch Raunzen. Weil beides wunderschön sein kann, teilen wir hier schamlos unsere Gedanken und nehmen euch diesmal mit ins Hostel. Unsere Autorin Sonja kennt das nämlich auch von der anderen Seite der Rezeption.


Schlafsaal, geteilte Badezimmer und herren- (und frauen)lose Handtücher, die in Ecken herumkugeln: Ich verstehe, dass alleine das Stichwort Hostel bei vielen Bilder des Grauens hervorruft. Selbst einige eingefleischte Reisende haben eine absolute Abneigung gegen das Übernachten mit einer Gruppe Fremder, deren Zusammenstellung sich jede Nacht ändert. Ich kann das nachvollziehen. Für mich aber steht fest: Das Beste am Backpacken sind Hostels.
Das Beste am Backpacken sind Hostels.
Sonja Koller
Unübliche Bewerbungen
Nach meinem Schulabschluss tingelte ich für gut ein Jahr in Hostels um die Welt und habe dort so etwas wie ein Vorstudium in Problembewältigung und Menschenkenntnis abgeschlossen. Meinen Doktortitel im Backpacking wollte ich daher noch nicht an den Nagel hängen, als ich für den wirklich akademischen Teil meines Studiums nach Berlin zog. Also schickte ich eine Reihe an Bewerbungen los, die den für Jobs im 21. Jahrhundert eher unüblichen Beisatz beinhalteten, dass ich gerne für Geld und nicht nur im Gegenzug für ein Bett arbeiten wollen würde.
Mein Lebenslauf glänzte voller Hostel-Erfahrung und so bekam ich den Job schließlich in dem damals in Berlin bestbewerteten Schuppen – und stand mit 19 Jahren auf einmal Nächteweise alleine hinter der Rezeption eines Berliner Hostels. Ja, Gastro ist eine harte Schule. Alleine ein Hostel in Berlin zu schupfen, auch.
Gastro ist eine harte Schule. Alleine ein Hostel in Berlin zu schupfen, auch.
Sonja koller
Was ihr über die Zusammensetzung in Hostelzimmern nicht wisst
Meine Schicht fing damals immer ab 18 Uhr an. Bis Mitternacht checkte ich Leute ein und führte sie durchs Hostel – der mit Abstand entspannteste Teil der Arbeit. Denn ständig kamen Buchungen über verschiedenste Buchungsportale rein, die schnellstmöglich händisch in ein System eingetragen werden sollten.
Nicht selten sah ich mich dabei mit scheinbar unlösbaren Gleichungen konfrontiert, weil sich Buchungszeiträume und Verfügbarkeiten in geeigneten Zimmern gegenseitig ausgeschlossen oder etwa Männernamen fälschlicherweise in female only dorms auftauchten.
Seit damals weiß ich: Es gibt Hostels, die schon bei den Namen, Altern und Nationalitäten auf eine möglichst stimmige Zusammenstellung von Menschen achten, die sich ein Zimmer teilen. Wenn ich in einem mixed dorm mit ausschließlich middle aged Männern lande, bin ich heute also nicht mehr bloß sauer auf das Universum, sondern nehme es auch als Unaufmerksamkeit des Hostels zur Kenntnis.

Arbeit zwischen Fetisch-Talks und Rechnungsbergen
Warum ich angefangen hatte, in einem Hostel zu arbeiten: Um mit Backpacker*innen weiterhin in Kontakt zu sein, ihnen wirklich gute Tipps geben und meine Problembewältigungs-Skills anwenden zu können. Richtig cool: Unser Hostel schenkte auch Bier aus und hatte einen kleinen Innenhof-Garten, sodass immer genug Gäste da waren, die auf meine Hilfe angewiesen waren.
Aber das wurde zum Problem. Denn abgesehen vom händischen Befüllen des Buchungskalenders mit einer Reihe an Infos von jedem Gast, war ich es, die Bier ausschenken sollte, nebenbei kleinere und größere Katastrophen beseitigen und – mein Endgegner gegen 23 Uhr: Die Abrechnung machen.
Falls die Person hinter der Hostelrezeption sich also nicht ganz so lange auf den Fetisch-Smalltalk zu Berliner Clubs einlässt, könnte das daran liegen, dass bis Mitternacht alle Einnahmen und Ausgaben des Tages hin und her geschoben und am Schluss 0 ergeben müssen.

Ohrenbetäubendes Ende
Ähnlich eines Grimm Märchens war um Mitternacht dann Schluss. Ich schloss alles ab und zog mich in mein Gemach zurück – ein kleines Privatzimmer, in dem ich sieben Stunden Nachtwache hatte – bis ich von 7 bis 9 wieder an der Rezeption sitzen, und den letzten Teil meiner Schicht hinter mich bringen sollte. Oft ging ich von dort direkt zur Uni. Ein Leben wie Hannah Montana.
Ein einziges Mal habe ich in dieser Nachtpause meinen Pyjama vergessen und mangels Alternativen kleiderlos geschlafen. In dieser Nacht ging der Feueralarm los. Das gesamte Hostel war in Aufruhr und ich die einzige Ansprechpartnerin, die vor wenigen Sekunden noch splitternackt aus dem Tiefschlaf gerissen wurde.
Stellt euch dazu noch junge US-Amerikaner in Berlin vor und ihr wisst natürlich, dass es ein Fehlalarm war. Die Polizei kam trotzdem, es musste geblecht werden. Es war das Ende meiner Karriere hinter der Hostelrezeption.