Auf den Spuren Casanovas durch Wien
Das Leben des Giacomo Casanova ist längst Metapher für ein ausschweifendes Sexleben. Ihr fragt euch, was sein Lebenslauf mit Wien zu tun hat? Wir verraten’s euch.
Mit seiner spektakulären Flucht aus den gefürchteten Bleikammern von Venedig wurde Giacomo Girolamo Casanova weltberühmt. Später verlieh er sich selbst einen Adelstitel, reiste durch halb Europa und wurde zum wohl größten Verführer aller Zeiten – nicht weniger als 132 Frauen sollen seinem Charme erlegen sein. Immer wieder kreuzten seine Wege auch Wien und Umgebung.
Erwähnung in der Wiener Zeitung
Eine Begebenheit aus Casanovas Leben hat es tatsächlich in die Klatschspalten der Wiener Zeitung geschafft, die im 18. Jahrhundert noch Wiener Diarium hieß. Am 9. April 1766 berichtete das Blatt von einer Episode, die sich während Casanovas Aufenthalt in Warschau zugetragen hatte. Er hatte sich dort während einer Theatervorführung wenig schmeichelhaft über die Verehrte eines anwesenden polnischen Grafen geäußert und war daraufhin von diesem vor versammelter Gästeschar als venezianischer Feigling beschimpft worden. Das saß. In seinem Stolz verletzt, kündigte Casanova an, dass der venezianische Feigling beabsichtige, den polnischen Grafen ins Jenseits zu befördern.
Man traf sich zum Duell und nachdem man sich ein wenig über die bevorstehenden Reisen für den Sommer unterhalten hatte, schoss man mit Pistolen aufeinander. Casanovas Kugel landete im Bauch des Grafen, der sich – den Tod vor Augen – an seinen Herausforderer wandte: Fliehen möge er, um der Rache seiner Angehörigen zu entgehen, und falls er kein Geld habe, könne er sich gerne welches aus seiner Börse nehmen. Casanova ließ sich nicht zweimal bitten und suchte rasch das Weite. Die Geschichte von seinem Duell machte schnell die Runde und war schließlich offenbar auch in Wien in aller Munde.
Casanova versus Maria Theresia
Casanova war öfters in Wien und dort auch regelmäßig am Hof zugegen; mit Maria Theresia wurde er allerdings überhaupt nicht warm. Die strenge Herrscherin machte ausschweifend lebenden Adeligen mit ihrer Keuschheitskommission das Leben schwer und Casanova war bekanntlich nicht gerade bekannt für seine Keuschheit. In seinen Memoiren machte er aus seinem Standpunkt keinen Hehl: „Schändliche Spione, die man Keuschheitskommissare nannte, waren die unerbittlichen Quälgeister aller hübschen Mädchen; die Kaiserin hatte alle Tugenden, nicht aber die Duldsamkeit, wenn es sich um unerlaubte Liebe zwischen Mann und Frau handelte.“
Erschwerend kam hinzu, dass Maria Theresias Gatte Franz Stephan gerne dem Glückspiel frönte. Das missfiel seiner Gattin, gefiel aber dem Draufgänger Casanova. Im Keller der Hofburg soll sich Franz Stephan eine kleine Spielhöhle eingerichtet haben, in der auch Casanova bei seinen Wien-Besuchen ein und aus ging. Zwei Männer mussten dort permanent Wache halten, um die Zockerrunde vor den spontanen Hausrazzien Maria Theresias zu warnen. Einmal soll dem Kaiser zusammen mit seinem Gast Casanova tatsächlich die Flucht gelungen sein. Viel schlimmer wog aber wohl der Umstand, dass Franz Stephan ein notorischer Fremdgänger war und sich von Casanova nicht nur einmal zu einem Besuch der Bordelle am Spittelberg verführen ließ. Auf Dauer konnte diese komplizierte Dreiecksbeziehung für Casanova nicht gut gehen. Letztlich musste er Wien wegen angeblichen „Wildpinkelns“ und verbotenem Glücksspiel verlassen.
Eine Wiener Nonne und ihre Kondome
Im Jahr 1753 öffnete eine Nonne in Wien die Schublade ihres Tisches und fand darin nicht das vor, was sie erwartet hatte, nämlich einen üppigen Vorrat an Präservativen. Entwendet hatte die Kondome Casanova, der der umtriebigen Schwester damit offenbar einen Streich spielen wollte. Immerhin hinterließ er ihr ein kleines Gedicht und womöglich waren die Präservative bei ihm ja tatsächlich sinnvoller aufgehoben als in einem Kloster. Zumindest zum Schutz vor der grassierenden Syphilis waren sie unabdingbar. Im 18. Jahrhundert wurden Präservative übrigens noch aus Tierdärmen gefertigt. Wenn du mehr über die Geschichte der Verhüterlis erfahren möchtest, kannst du im kleinen, aber informativen Condomi-Museum im Liebenswert-Shop im Sechsten vorbeischauen. Dort findest du alle möglichen Varianten an Kondomen, von gewebten Stoffsäckchen bis hin zu modernen Latex-Versionen. Und wer weiß, vielleicht gibt es dort ja auch noch eines aus der Nonnenreserve.
Casanova, Mozart und Don Giovanni
Casanova war nicht nur Liebhaber und Charmeur, ein Gefängnis-Ausbrecher und Möchtegern-Aristokrat, sondern auch ein talentierter Dramatiker, Schriftsteller und Musiker. Laut dem berühmten Librettisten der Oper Don Giovanni, Lorenzo da Ponte, hat Casanova sogar eigene Textentwürfe zu Mozarts Musikstück beigesteuert, die in der Oper dann aber keine Verwendung fanden.
Wenn auch historisch nicht eindeutig belegt, hat der Opernliebhaber Casanova später vermutlich an der Uraufführung des Don Giovanni am 29. Oktober 1787 in Prag teilgenommen und dort auch die Gelegenheit genutzt, Mozart persönlich kennenzulernen. Was Casanova dort zu sehen und zu hören bekam, musste dem damals bereits 62-Jährigen jedoch wenig schmeichelhaft erscheinen. Denn Don Giovanni erzählt die Geschichte eines Frauenhelden am Abstellgleis, der jeden Elan verloren hat und dem keine einzige Eroberung mehr gelingt. Casanova wird sich in dem Stück selbst erkannt haben und wurde folglich gnadenlos mit seinem eigenen Scheitern konfrontiert. Wenig überraschend ist es daher, dass sich Casanova über seinen alten Wegbegleiter Lorenzo da Ponte in seinen Memoiren nicht gerade vorteilhaft äußert.
Wien als vorletzte Station
1784 hielt sich der Weltenbummler nochmals in Wien auf, wo er als Sekretär eines venezianischen Gesandten tätig wurde. Nach Jahrzehnten voller Action sehnte sich der alternde Casanova scheinbar nach ein wenig Ruhe und sagte letztlich dem Grafen von Waldstein zu, der ihm angeboten hatte, den Posten des Bibliothekars auf Schloss Duchcov im heutigen Tschechien zu übernehmen. In Wien hätte er vielleicht noch einmal den Anschluss an die illustre Society finden können, doch auf dem abgelegenen Schloss war die Eintönigkeit erdrückend. In den letzten Jahren bis zu seinem Tod 1798 verwandelte sich Europas einst größter Schürzenjäger zu einem schrulligen Schlossbewohner.
Der Onkel des Grafen von Waldheim konnte ein Lied davon singen: „Es gab keinen Tag, an dem er sich nicht über seinen Kaffee, seine Milch oder den Teller Makkaroni beschwerte, den er täglich verlangte. Der Graf hatte ihm nicht als erster guten Morgen gewünscht. Die Suppe war ihm absichtlich zu heiß serviert worden. Ein Diener hatte ihn auf ein Getränk warten lassen. Er war einem berühmten Besucher nicht vorgestellt worden. Der Graf hatte ein Buch verliehen, ohne ihn davon zu verständigen. Ein Diener hatte nicht den Hut gezogen, als er an ihm vorüberging. Er hatte seine französischen Verse vorgezeigt und jemand hatte gelacht. Er hatte gestikuliert, als er italienische Verse vortrug und jemand hatte gelacht. Er hatte beim Betreten eines Raumes die Verbeugung gemacht, die ihm von dem berühmten Tanzlehrer Marcel vor sechzig Jahren beigebracht worden war und jemand hatte gelacht.“
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