Auf den Spuren des queeren Wiens
Queeres Wien bedeutet für euch Ampelmännchen und Regenbogen-Zebrastreifen? Da gibt’s aber noch viel viel mehr. Kommt mit und folgt den Spuren des queeren Wiens durch die Vergangenheit bis zur Gegenwart – von homosexuellen Habsburger*innen bis hin zu Conchita Wurst.
Wien ist queer! Das wissen auch die Fremdenführer*innen Roderick Martin und Anna Topsever, die euch gemeinsam mit Primetours “que(e)r durch Wien” führen: An verschiedenen Plätzen in Wien werfen sie einen Blick in die Vergangenheit und auf das heutige bunte Wien. Wir haben sie im Juni 2021 begleitet und bei den Guides nachgefragt, an welchen Orten ihr den Spuren des queeren Wiens folgen könnt.
Rathausplatz
Die Tour startet am Rathausplatz – ein Ort, der das politische Leben in Wien repräsentiert. Im Juni findet hier während der Vienna Pride das Pride Village statt und bildet für einige Wochen das Epizentrum der Pride-Bewegung in Österreich. Der Rathausplatz steht hier für den gesellschaftlichen Wandel und die zunehmende Akzeptanz der LGBTQIA+Community. Wien gilt in Österreich in dieser Hinsicht als Pionier – nicht nur wegen der Regenbogen-Zebrastreifen und Ampel-Pärchen. Schon bevor es die Ehe für gleichgeschlechtliche Paare gab, konnten sich Paare in vielen historischen Gebäuden und Standesämtern in Wien verpartnern lassen. Zudem fand über 20 Jahre lang der Life Ball im Rathaus statt. Was früher noch als Provokation galt, ist nun im Mainstream angekommen. Der Rathausplatz ist also auch deshalb ein Ort, an dem ihr die Spuren des queeren Wien finden könnt. Denn hier könnt ihr die Errungenschaften der letzten Jahre feiern.
Burgtheater
Einmal über den Regenbogen-Schutzweg spaziert, befindet ihr euch vor dem Wiener Burgtheater, an dem natürlich auch queere Menschen gearbeitet haben. Einer von ihnen war Raoul Aslan: Er war der erste Direktor des Theaters nach 1945 und schon zuvor als Schauspieler an der Burg. Aslan hat seine Homosexualität nie verheimlicht – und war damit eine der wenigen Personen, die deshalb keine Probleme mit dem Nazi-Regime bekommen haben. Obwohl der Schauspieler das NS-System abgelehnt hat, galt er als wichtiger Künstler des NS-Staates. Er stand auch auf der Gottbegnadeten-Liste von Reichspropagandaminister Joseph Goebbels.
Palais Batthyány
Weiter geht es in die Herrengasse, zum Palais Batthyany. Hier befand sich früher das Hotel Klomser, in dem sich Anfang des 20. Jahrhunderts die Affäre rund um den Spion Alfred Redl abgespielt hat. Redl war kurz vor dem Ersten Weltkrieg Oberst des Generalstabs der österreich-ungarischen Armee. In dieser Zeit hat er wichtige Informationen im großen Stil an das russische Zarenreich verkauft. Als man ihm auf die Spur gekommen ist, wurde Redl im Hotel Klomser gestellt. Aber Redl wurde nicht verhaftet – die Polizei sprach mit ihm in seinem Zimmer und verließ das Hotel. Daraufhin beging Redl Selbstmord – wohl im Einverständnis mit der Polizei.
Dieses Ereignis hat in der Monarchie große Wellen geschlagen. Warum ist es aber relevant für das queere Wien? In den Medien wurde viel darüber berichtet, dass Redl schwul war und junge Männer von seinem Reichtum profitiert haben sollen. Es gab auch Spekulationen, dass Redl vom russischen Zarenreich erpresst wurde, nachdem seine homosexuelle Beziehung bekannt wurde. Historiker*innen gehen heute aber nicht mehr davon aus, dass das der Grund für Redls Spionage war. Wahrscheinlicher ist, dass er korrupt war und aus finanziellen Gründen spioniert hat.
Hofburg
Auch die Wiener Hofburg ist ein Ort, an dem ihr der Geschichte des queeren Wiens auf die Spuren gehen könnt. Im Haus der Geschichte findet ihr zum Beispiel das Kleid von Conchita Wurst, das sie 2014 bei ihrem Auftritt beim Song Contest in Kopenhagen anhatte und mit dem sie den ESC nach Österreich holte. Conchita wurde dann im Bundeskanzleramt empfangen und gab ein Konzert am Ballhausplatz.
Aber auch schon früher gab es in der Hofburg queere Bewohner*innen. Zum Beispiel war der jüngste Bruder von Kaiser Franz Joseph I., Ludwig Victor, vermutlich homosexuell. Schon als Kind hatte er viele Freiheiten und verkleidete sich gerne, auch in Frauenkleidern. Diese Gewohnheit behielt sich Luzi-Wuzi, so sein Spitzname, länger bei. Es existieren Fotos von ihm in Frauenkleidern, die entstanden sind, nachdem er gemeinsam mit Freunden Theater gespielt hat. Später wurde Ludwig Victor nach einer Prügelei in einer Männersauna nach Salzburg versetzt.
Auch Isabella von Bourbon-Parma, die Frau von Joseph II, wird nachgesagt, lesbisch gewesen zu sein. Denn sie schrieb der Schwester ihres Mannes täglich seitenlange Briefe, in denen sie sich gegenseitig ihre Liebe versicherten und auch erotische Inhalte zu lesen waren. Der Briefwechsel ist einseitig noch erhalten, die Antworten von Marie Christine wurden allerdings konfisziert.
Naschmarkt
Die Tour durch das queere Wien endet zurück in der Gegenwart, nämlich im vierten, fünften und sechsten Bezirk rund um den Naschmarkt. Hier findet ihr heute einige Lokale der queeren Szene. Ein paar davon haben wir in einem Beitrag für euch gesammelt. In der Linken Wienzeile findet ihr zudem die Villa Vida, ein queeres Community-Zentrum. Österreich gilt heute übrigens als eines der LGBTQIA+freundlichsten Urlaubsländer. Seit Kurzem gibt es neben den allseits bekannten Regenbogen-Zebrastreifen auch Transgender-Schutzwege. Die rosa, blau und weißen Zebrastreifen findet ihr in Margareten und am Alsergrund – es gibt also auch heute noch viel zu entdecken!
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