Auf den Spuren Hundertwassers durch Österreich
Kaum ein Architekt hat eine so deutliche Handschrift hinterlassen wie Friedensreich Hundertwasser. Seine Gebäude erkennt man sofort. Wir haben uns auf Spurensuche durch Österreich begeben und zeigen euch einige seiner markantesten Bauwerke.
Der 1928 in Wien geborene Friedrich Stowasser führte ein wildes Leben. Bekannt wurde der Architekt, Maler, Gesellschaftskritiker und ökologische Aktivist unter dem Künstlernamen Friedensreich Hundertwasser – abgeleitet vom Wort „sto“, das in mehreren slawischen Sprachen „hundert“ bedeutet. Sein Studium an der Akademie der Bildenden Künste brach er bereits nach drei Monaten ab und reiste stattdessen lieber um den halben Globus. Seine Werke, in denen sich seine Weltoffenheit spiegelt, zählen zu den wichtigsten künstlerischen Leistungen der Nachkriegszeit. Einige Meisterwerke seines architektonischen Schaffens in Österreich präsentieren wir euch hier!
Hundertwasserhaus in Wien
Die Wohnhausanlage an der Ecke Löwengasse/Kegelgasse im dritten Bezirk sticht sofort ins Auge. Einerseits tummeln sich davor immer etliche Tourist*innen aus aller Welt und knipsen, was das Zeug hält, andererseits steht das Gebäude wie kein anderes für die künstlerischen Ideen Hundertwassers. Drei Jahre lang, von 1983 bis 1985, konnte er hier seiner Fantasie freien Lauf lassen: Gängige Normen der Architektur wurden gekonnt beiseitegeschoben, gerade Linien zum Unding erklärt. In diesem Sinne überrascht die Anlage mit welligen, unebenen Böden, ungewöhnlicher Farbenpracht und wilder Formensprache. Seiner Zeit weit voraus war Hundertwasser vor allem beim Thema Urban Gardening – die rund 250 Bäume und Sträucher, die Mitte der 80er-Jahre auf verschiedenen Dachterrassen des Hauses gepflanzt wurden, haben sich im Laufe der Zeit zu einem üppigen Wäldchen entwickelt. Wenn du das Hundertwasser-Haus besichtigst, solltest du auch unbedingt dem gleich daneben liegenden Hundertwasser-Village einen Besuch abstatten. In dem ebenfalls stark begrünten Gebäudekomplex gibt es eine Galerie mit Werken des Künstlers, eine Bar und mehrere Geschäfte. Gut zu Fuß erreichbar ist außerdem das Kunst Haus Wien in der Weißgerberstraße 13, das ganz dem Oeuvre Hundertwassers gewidmet ist. Die umfassende Sammlung beeindruckt mit Grafiken, Architekturmodellen, gemalten Werken und Fotografien.
St. Barbara Kirche in Bärnbach
Eines der großen Vorbilder Hundertwassers war das Aushängeschild des katalanischen Modernisme Antoni Gaudí. Gaudís Lebenswerk war die Sagrada Família in Barcelona und Ende der 80er-Jahre bekam auch Hundertwasser die Möglichkeit, einen Kirchenbau zu gestalten: In Bärnbach, wenige Kilometer westlich von Graz, stand die Modernisierung der Pfarrkirche an. Unter der Bedingung, die natürliche Umgebung des Gotteshauses in die Planung miteinzubeziehen, willigte der Künstler ein. Der Kosmopolit Hundertwasser entwarf unter anderem mehrere Torbögen, die für die verschiedenen Religionen und Kulturen der Welt stehen und setzte somit ein starkes Zeichen der Toleranz. Während die Kirche von außen unverkennbar die Handschrift Hundertwassers trägt, ist der Innenraum wesentlich nüchterner gehalten: Hier gestaltete er lediglich den Boden des Chorraums, den Strahlenkranz hinter dem Altar und das charakteristische spiralförmige Fenster hinter dem Taufbecken.
Fernwärmewerk in Wien
Die Umgestaltung des Fernwärmewerks an der Spittelauer Lände 45 im 9. Bezirk war Friedensreich Hundertwasser zunächst ein Dorn im Auge. Immerhin war er nicht nur als Friedensaktivist, sondern auch für sein visionäres ökologisches Bewusstsein und Engagement bekannt. Eine Müllverbrennungsanlage passte da nicht wirklich ins Schema. Der damalige Wiener Bürgermeister Helmut Zilk blieb aber beharrlich. Indem er versicherte, das neue Werk mit modernster, umweltschonender Technik ausstatten zu lassen, konnte er Hundertwasser letztlich doch noch umstimmen. 1988 machte sich der Künstler an die Arbeit – ehrenamtlich, also ohne auf ein Honorar zu bestehen, schuf er eine auf der Welt einzigartige Müllverbrennungsanlage, die ganz seiner überschwänglichen Kunstsprache verpflichtet ist.
Autobahnraststätte bei Bad Fischau
Im Laufe seines Lebens gestaltete Hundertwasser rund 40 Bauwerke in mehreren Ländern, etwa in Deutschland, Japan oder Neuseeland. Auch für einfache Nutzbauten war er sich nicht zu schade, wie das 1989 unternommene Make-over der Raststation bei Bad Fischau eindrucksvoll zeigt. Verhandelt wurde ursprünglich mit mehreren Architekten; die Wahl fiel schließlich aber auf Hundertwasser, der im Gegensatz zu seinen Kollegen auf der Bewahrung der vorhandenen Bausubstanz bestand. Ziel der Renovierung war es, das Gebäude attraktiver zu gestalten, um mehr Kund*innen zu gewinnen. Mit ihren überbordenden Farb- und Formvariationen ist Hundertwassers Raststation wie geschaffen für diesen Zweck – noch heute ist sie ein echter Eyecatcher!
Thermendorf in Bad Blumau
Am augenscheinlichsten verwirklichte Hundertwasser sein Idealbild einer natur- und gleichzeitig menschengerechten Architektur wohl im steirischen Bad Blumau. Die dortige, Mitte der 90er-Jahre errichtete Hotel- und Thermenanlage bringt Natur und Architektur in perfekter Harmonie zusammen. Die begrünten und begehbaren Häuser waren ebenso zukunftsweisend wie die Berücksichtigung ganz ursprünglicher menschlicher Bedürfnisse bei der architektonischen Gestaltung. Besucher*innen sollten und sollen sich hier als Teil einer kleinen Gemeinschaft geborgen fühlen und die tiefsitzende Verbindung mit der Natur spüren. Für diesen innovativen Zugang und die Schwerpunktsetzung auf nachhaltigen Tourismus erhielt das Thermendorf Bad Blumau 1997 das Österreichische Umweltzeichen für Tourismusbetriebe.
Noch mehr Spurensuchen gefällig? Wir haben uns an die Versen von Falco geheftet und haben in den Fußstapfen der Band Queen Wien erkundet.