Auf den Spuren Otto Wagners durch Wien
Wie kein anderer prägt Otto Wagner das Antlitz Wiens – und das bis heute! Wir begeben uns auf Spurensuche durch die Stadt und führen euch zu einigen seiner schönsten Bauten.
Otto Wagner gilt völlig zurecht als einer der bedeutendsten Architekten Österreichs. Denn der gebürtige Penzinger hat wohl wie kein anderer Wien seinen Stempel aufgedrückt. Wer heute durch die Stadt flaniert, wird unweigerlich auf seine Bauten stoßen. Die meisten davon wirken so modern, dass es unglaublich scheint, dass sie bereits vor mehr als 100 Jahren errichtet wurden. Wir haben fünf Meisterwerke Wagners herausgepickt – eines schöner und spannender als das andere. Und jedes wert, besichtigt zu werden.
Villa Wagner I
Zwischen 1886 und 1888 gestaltet Otto Wagner einen prächtigen Sommersitz für sich und seine Familie in Hütteldorf am Rande Wiens. Mit ihrer monumentalen Freitreppe und der von Säulen dominierten Fassade sorgt die Villa schon damals für internationales Aufsehen. Auch bei der Innenausstattung wird nicht gespart: Noch heute kann man die Tiffany-Verglasungen von Adolf Böhm oder das römische Bad mit den Mosaiken Koloman Mosers bestaunen.
In der Villa ist von Anfang an das blühende Leben zu Hause: Wagners Empfänge und Sommerfeste sind legendär, Größen der Kunst- und Kulturwelt wie Gustav Mahler oder Adolf Loos gehen hier ein und aus. Nach dem Auszug der Kinder beschließt Otto Wagner 1911, die Privatresidenz zu verkaufen und unweit davon ein kleineres Jugendstil-Domizil – die Villa Wagner II – zu errichten. Die alte Villa geht zunächst an den Lebemann Ben Tieber, den Betreiber des Apollo-Theaters, bevor 1972 der Maler Ernst Fuchs das Anwesen erwirbt. Erneut wird die Villa zum Sammelpunkt illustrer Gäste. Im Atelier des Künstlers sitzen unter anderem Falco und Placido Domingo Modell. Heute beherbergt die einstige Wagner-Villa das Ernst Fuchs Museum. Ein Besuch lohnt sich allemal!
Nussdorfer Wehr
Was hat Wien jahrhundertelang gelitten! Die Donau – so schön sie auch war und ist – war lange Zeit kaum zu bändigen. Der unregulierte Strom brachte das Hochwasser und das Hochwasser brachte die Krankheiten. Ende des 19. Jahrhunderts hat man endlich eine brauchbare Antwort auf die permanenten Katastrophen: Am Beginn des Donaukanals soll eine mächtige Schleusenanlage errichtet werden, um die Wassermengen besser kontrollieren zu können. Die Anlage soll natürlich auch schön aussehen, also beauftragt man Otto Wagner mit der künstlerischen beziehungsweise architektonischen Gestaltung.
Zwischen 1894 und 1899 entstehen so neben der Schleuse die Schemerlbrücke und zusätzliche Nebengebäude, die alle die unverkennbare Handschrift des Architekten tragen. Besonders eindrucksvoll sind die übergroßen, auf massiven Pylonen thronenden Löwenstatuen, die jeden begrüßen, der von Klosterneuburg nach Wien kommt. Ihre repräsentative Wirkung hatte Wagner bewusst eingeplant – ihm galt die Wehr als eine Art symbolisches Stadttor für Wien. 1899, genau im Jahr der Fertigstellung, meldet sich die Donau dann tatsächlich wieder. Die Schleusenanlage bewährt sich aber und die Überflutungen bleiben aus.
Hietzinger Hofpavillon
Der Bau der Stadtbahn ist Wiens größtes Infrastrukturprojekt um 1900. Otto Wagner sorgt für das Design des neunen Massenverkehrsmittels, dessen Zeitlosigkeit noch heute bei einer Fahrt mit der U4 oder der U6 erstaunt. Besonderes Augenmerk legt Wagner auf die geplante Privatstation für den Kaiser und dessen Entourage, den Hofpavillon bei Hietzing. Der 1898 vollendete Pavillon besticht durch sein unverwechselbares Äußeres. Denn aus architektonischer Sicht gelingt Wagner hier Großartiges: Er führt traditionelle kaiserliche Bauformen wie die Kuppel, den Baldachin oder die Wagenauffahrt mit modernen Stilelementen wie den reduzierten, flächigen Fassaden zusammen.
Franz Joseph I. ist der Bau aber wohl zu modern. Ohnehin bevorzugt der Kaiser die Kutsche als Verkehrsmittel, da weiß man schließlich, woran man ist. Und so kommt es, dass seine Majestät den Pavillon insgesamt nur zweimal nutzt, um die Baufortschritte an der Stadtbahn zu inspizieren. Heute gehört der Kaiserpavillon zum Wien Museum. Eine Generalsanierung ab 2012 hat ihm seine alte Schönheit zurückgegeben.
Postsparkasse
1903 schreibt das k.k. Postsparkassenamt einen Wettbewerb für ein neues repräsentatives Institutsgebäude im Stubenviertel aus. Selbstbewusst sticht Otto Wagner die Konkurrenz aus und entwirft ein Gebäude, das heute als Schlüsselwerk des Wiener Jugendstils und der architektonischen Moderne gilt. Beim Bau der Postsparkasse setzt Wagner sein innovatives Credo um: Etwas Unpraktisches kann nicht schön sein. Funktionalität und Ästhetik schließen einander nicht aus, sie gehören zusammen!
Bei der Eröffnung 1906 staunt man nicht schlecht: Schon die Stahlbetonbauweise, die bei der Errichtung des achtstöckigen Gebäudes zur Anwendung kommt, ist revolutionär. Die Außenfassade erinnert mit ihren charakteristischen Bolzen an eine eisenbeschlagene Schatztruhe. Im Inneren wechseln sich Marmor, Granit und Aluminium ab. Herz des Baus ist der fast 600 Quadratmeter große Kassensaal unter dem imposanten Glasdach. Nichts hat Wagner dem Zufall überlassen; sogar Fragen der Belichtung und der Klimatisierung wurden bis ins kleinste Detail diskutiert. Das Jugendstiljuwel am Georg-Coch-Platz 2 steht heute glücklicherweise unter Denkmalschutz. Die Besichtigung des Kassensaals ist ein unvergessliches Erlebnis.
Kirche am Steinhof
Die goldene Kuppel der Otto-Wagner-Kirche auf den Steinhof-Gründen in Wien Penzing ist schon von Weitem sichtbar und erinnert ein wenig an eine halbe Zitrone. Es überrascht daher wenig, dass die Anhöhe im Volksmund gerne als Lemoniberg bezeichnet wird. 1902, als der Lemoniberg noch nicht Lemoniberg hieß, begann man hier mit dem Bau einer riesigen Landes-, Heil- und Pflegeanstalt. Dutzende Pavillons wurden errichtet und für das Prunkstück der Anlage – die Kirche – wurde eigens Stararchitekt Otto Wagner engagiert.
Stilistisch dem Jugendstil verpflichtet, war Wagner von Anfang an bewusst, dass er das Bauwerk den speziellen Anforderungen und Bedürfnissen der Anstaltspatient*innen anpassen musste. Er führte daher etliche Gespräche mit Ärzt*innen und dem Pflegepersonal. Toiletten, Notausgänge und ein eigenes Arztzimmer wurden eingeplant, außerdem wurden die Kanten der Stühle abgerundet, damit sich niemand ernsthaft verletzen konnte. Um das Infektionsrisiko zu verringern, ließ man sogar das Weihwasser von oben herabtropfen.
1907 konnte die Steinhof-Kirche feierlich eröffnet werden. Der verdiente Ruhm wurde Wagner jedoch verwehrt: Erzherzog Franz Ferdinand, der dem Event als Ehrengast beiwohnte, zeigte sich wenig begeistert von dem modernen Bau. In der Eröffnungsrede wurde der Architekt nicht einmal erwähnt. Zum Glück sind diese Meinungsverschiedenheiten heute längst vergessen und der Lemoniberg ist, was er ist: ein wunderschönes Ausflugsziel für verträumte Spaziergänger*innen.
Ihr wollt euch noch weiter auf Spurensuche begeben? Dann folgt den Pfaden von Falco durch Österreich. Auch auf den Spuren der Kultband Queen könnt ihr durch die Stadt spazieren.