Aus alt mach neu: Wie man in Niederösterreich historische Wintersportarten wiederbelebt
Der Atem gefriert zu kleinen Wölkchen, die Sonne glitzert auf den schneebedeckten Wiesen und die Baumwipfel sehen aus, als hätte ein motivierter Konditor Staubzucker darübergestreut. Das ist nicht gerade das Bild, das sich uns derzeit in niedriger gelegenen Gebieten Österreichs bietet. Die Wettervorhersage lässt aber zumindest hoffen, dass auch wir in Niederösterreich vor dem endgültigen Frühlingserwachen noch etwas Schnee sehen werden. Vor allem, da auch das größte Bundesland Österreichs in Bezug auf Wintersport einiges zu bieten hat. Bis dahin könnt ihr aber schon mal etwas in der Geschichte der Alpinpionier*innen schwelgen und euch die ein oder andere Idee für ein historisches Schneevergnügen abseits der Piste holen.
Schneeschuhwandern: Noch älter als Ötzi
Sind euch schon jemals die viel zu langen Holzbretter aufgefallen, die in urigen Skihütten die Wände zieren? Genau mit diesen nordischen Skiern wedelten auch in Österreich einst die Menschen die Alpen hinunter. Ganz schön mühsam. Das sah auch der niederösterreichische Maler und Bildhauer Mathias Zdarsky in den 1890er-Jahren so. Deshalb kürze er seine Bretter einfach um beinahe die Hälfte, von durchschnittlich 3 auf 1,80 Meter. Gepaart mit der Lilienfelder Stahlsohlenbindung – ganz recht: auch die Bindung, die gleichzeitig Zehen und Fersen fixiert, kommt aus Niederösterreich – waren sie die Vorläufer zu unseren heutigen Skiern. Mittlerweile hat sich Zdarskys Prototyp natürlich deutlich weiterentwickelt.
Eine ganz andere Wintersportart hat ihr Ursprünge aber noch viel tiefer in der Geschichte. Erst 2003 gab das Gurgel Eisjoch auf über 3.100 Metern in den Ötztaler Alpen einen Schneeschuh frei, der noch älter als Ötzi sein soll. Das Schneeschuhwandern kann also eindeutig als historische Wintersportart bezeichnet werden. Mit Freund*innen oder alleine durch die verschneiten Gipfel zu stapfen, ohne dabei auf planierte Wege beschränkt zu sein, hat aber auch durchaus seinen Reiz. Wenngleich die Sportart um 1900 durch das Skifahren verdrängt wurde, erfährt sie seit einigen Jahren wieder ein Revival. Auch in verschiedenen Ecken Niederösterreichs kann man den Wintersport ausüben. Eine besonders schöne Tour führt etwa über das Rax-Plateau in den Wiener Alpen. Auf eigene Faust oder professionell geführt können Wintersportler*innen beispielsweise auf insgesamt knapp 11 Kilometern von der Seilbahn-Bergstation vorbei am Praterstern-Wegweiser, zum 1.642 Meter hoch gelegenen Ottohaus und bis zur Neuen Seehütte stapfen. Belohnt wird man schon währenddessen mit einem traumhaften Blick auf den Schneeberg. Das Wegenetz ist aber noch wesentlich vielfältiger und gut beschildert. Die Ausrüstung kann man sich direkt am Hochplateau ausborgen.
Eisfischen: Schon in der Eiszeit
Das Schneeschuhwandern ist ein entspannter Ausdauersport und ein sanfteres Training als Skifahren und Co. Wer es lieber noch etwas ruhiger mag, kann stattdessen Eisfischen gehen. Heute wird das Angeln als Sport und zum Alltagsausgleich betrieben, früher diente es aber der Nahrungsbeschaffung. Ein 12.300 Jahre alter Angelhaken aus Mammut-Elfenbein, der von Archäologen in Wustermark, Brandenburg, gefunden wurde, belegt, dass schon während der Eiszeit bei unseren Vorfahr*innen Fisch auf dem Speiseplan stand. Die Technik des Eisangelns brachten aber russische Kosaken den Finn*innen im 18. Jahrhundert bei. Die Wintersportart beschränkt sich heute lange nicht mehr nur auf den Norden. Meist ist auch von Jänner bis März in Österreich dafür Saison – vorausgesetzt das Wetter ist uns gnädig.
Am Ottensteiner Stausee im Waldviertel durften auch wir es schon mit Fischer Bernhard Berger ausprobieren. Mit einem Handbohrer wird dazu ein handgroßes Loch in den dicken Eispanzer gebohrt – dann braucht man eigentlich nur noch auf die Beute zu warten. Bei eisigen Temperaturen teilweise stundenlang vor dem Loch zu verharren, erfordert schon etwas mehr Ausdauer als im Sommer. Dafür ist die Atmosphäre einzigartig.
Eisklettern: Mehr Sport als Not
Zum Unterschied zu den anderen beiden Sportarten ist das Eisklettern wohl nicht unbedingt aus einer Notwendigkeit heraus entstanden. Wo genau seine Ursprünge liegen, ist nicht überliefert. Was wir aber wissen, ist, dass spätestens Ende des 19. Jahrhunderts die Schott*innen so manche Eisgipfel bezwangen. Der erste Eisfall, der in Österreich erklettert wurde, war der Gaislochsteig auf der Rax – und ratet mal wo der liegt. Genau, in Niederösterreich.
Damals, vor 100 Jahren, wurde er noch begangen, indem man Stufen in ihn schlug. Über die Jahre hinweg wurde das Eisklettern und die dazugehörige Ausrüstung jedoch immer weiter verbessert, bis in den 1990ern ein regelrechter Boom begann. Auch heute kann man diese allererste Eiskletter-Route im Höllental zwischen Schneeberg und Rax noch begehen. Einer der schönsten Eiskletter-Steige soll aber der Mirafall in den Ötschergräben sein. Ein kleines Manko gibt es jedoch: Er friert erst nach langen Kälteperioden zu.
Schlittenhunderennen mit arktischen Wölfen
So ein arktisches Wolfsbaby zu Hause zu haben, würde uns schon gut gefallen. Seine Vorfahren wurden vor vielen Jahren aber nicht zum Kuscheln domestiziert. Schlittenhunde sind tatsächlich eine der ältesten Hundearten der Welt. Für die indigenen Völkerstämme und Nomadenvölker im nordöstlichen Teil von Sibirien zogen sie einst die Schlitten. Noch heute dienen in diesen Klimazonen Hundeschlitten als Fortbewegungsmittel und die Tiere sind wichtige Begleiter der Einheimischen.
In Österreich steigen wir zur Fortbewegung eher ins Auto oder in die Öffis. Hundeschlitten fährt man hier vornehmlich aus sportlichen Gründen. Im Waldviertel könnt ihr das an gleich zwei Standorten ausprobieren: auf der Huskyranch in Friedersbach und beim Huskyhof in Alt-Nagelberg. Die Schlitten werden dort von Siberian Huskys – einer von vier Rassen, die aus den damaligen Schlittenhunden entstanden – gezogen. Alaska-Feeling pur! Und kuscheln kann man mit den Hunden auch. Unsere liebsten Husky-Ranches in Österreich haben wir euch in einem eigenen Beitrag gesammelt.
Skijöring: Skifahren mal anders
Wie so viele Wintersportarten kommt auch diese aus den nordischen Gefilden. Skijöring habt ihr noch nie gehört? Auch uns war es neu. Soviel können wir aber sagen: Beim Skijöring lassen sich Skifahrer*innen in der Ebene ursprünglich von Pferden an einem Seil über die Wiese oder einen zugefrorenen See ziehen. Heute werden die Pferde auch von Hunden, Motorrädern oder Autos ersetzt – die Ski beim „Horse Surfing“ durch Snowboards. Wo genau das Skijöring seine Wurzeln hat, ist schwer zu sagen. Fakt ist, dass es bereits 1911 bei den ältesten Pferderennen der Schweiz, den Pferderennen Arosa, und 1928 bei den Olympischen Spielen in St. Moritz auf dem Programm stand.
Die Wettrennen im Skijöring sind auf jeden Fall nichts für Zartbesaitete oder Pistenangsthasen. Denn dabei erreicht man eine ganz schöne Geschwindigkeit. Bereits in den 1930er-Jahren wurden solche Skijöring-Turniere in mehreren Gemeinden in Niederösterreich, darunter etwa im Bezirk Tulln, ausgetragen. Heute soll man das Ganze mit einem Hundegespann unter anderem auch in Lackenhof am Ötscher ausprobieren können. Definitiv bestaunen konnte man das Spektakel dieses Jahr aber mit Motorrädern im oberösterreichischen Gosau beim Holzknecht-Skijöring im Februar 2020.
Ihr steht doch eher auf konventionellen Wintersport? Dann haben wir unsere liebsten Skigebiete rund um Wien für euch. Außerdem haben wir uns angesehen, welche Alternativen es zu Ski und Snowboard sonst noch gibt.