Baba, 2010er: 14 Dinge, die typisch sind für das vergangene Jahrzehnt
Der Wiener Liedermacher Ernst Molden bringt es in seinem Lied Hammerschmidgossn auf den Punkt: „Irgendwas hört immer irgendwo auf.“ Stimmt auffallend. Und je weiter das Jahr voranschreitet, je näher es seinen letzten Zügen kommt, desto stärker wird uns das bewusst. Am Ende des Jahres spürt man die Zeit vergehen. Dieses Jahr scheint die Sanduhr aber besonders laut zu rieseln. Warum? Am 31. Dezember 2019 endet nicht nur ein ziemlich turbulentes Jahr, sondern die 2010er-Jahre insgesamt. Das 21. Jahrhundert feiert seinen zweiten Runden. Und weil es Dekaden ja so an sich haben, dass man sie ganz gerne als Highlight-Compilation abspielt wie eine besonders umfangreiche Bravo-Hits-CD und sie so zum homogenen Packerl zusammenschnürt, machen wir das jetzt auch.
Die Auferstehung der 90er
Und wenn wir schon nostalgisch werden, dann gleich so richtig. Sich bei Partys mit Choker, Bauchtasche und Co. in die 90er-Jahre zurückzudenken, ist seit Jahren auffallend beliebter Trend. Das könnte vielleicht daran liegen, dass die 90er-Kids – und da sind vor allem auch jene gemeint, die erst Anfang der 90er geboren und damit strenggenommen gar keine 90er-Kids sind, aber wer wird sich da schon streiten – in den 2010ern langsam in ein Alter kamen, in dem die Kindheit und die Zeichen ihrer Zeit schon lang genug zurück lagen, um sie zum Kult zu verklären. Plötzlich schämte man sich nicht wie vielleicht das eine oder andere unserer 16-jährigen, punkigen und total rebellischen Ichs für Spice Girls und Backstreet Boys, sondern schreit laut und kollektiv im Club: „I want it thaaat waaay!“
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Cloud-Rap und Gangster-Masche
Wobei eine 2010er-Party wohl deutlich anders aussehen würde. Dabei gäbe es wahrscheinlich keine Boyband-Choreos und Grunge-Songs, sondern absichtlich dilettantisch klingenden Cloud Rap und irgendwie verstörenden halbstarken Gangster-Sound. Jede Generation hat ja bekanntlich ihre Musik, die bei den Älteren aneckt: In den 60ern waren es die Beatles oder die Rolling Stones, in den 70ern waren es die Sex Pistols, in den 80ern Bands wie Mötley Crüe, in den 90ern so ziemlich jeder und jede Techno-DJ – und in den 2010ern belegt RAF Camora kurzzeitig 13 Plätze der österreichischen Top-15-Charts und alle über 25 so:
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Zwar hat es uns ehrlicher Weise schon allein beim Schreiben zusammengekrampft, Bands wie Beatles oder die Stones in einer Satzkonstellation mit misogynem Gangsterrap mit maximal drei Noten und höchstens zwei Wörtern zu nennen, aber man sollte nicht vorschnell urteilen. Vielleicht sind die Songtexte ja doch ironisch gemeint. Hoffentlich. Oder?
Superfoods
Jede Dekade hat eben ihre eigenen musikalischen Querulanten. Im Vergleich dazu sind die 2010er aber kulinarisch alles andere aus aufmüpfig: Superfoods strömen nach und nach die Supermärkte, man wird sich bewusst, dass ein Pudding aus Chia-Samen vielleicht bekömmlicher für den Körper ist als Dr. Oetkers Puddingmischung aus dem Packerl, profane Haferflocken werden zum hippen Porridge upgegradet und die Avocado befindet sich auf ihrem Weg nach ganz oben. Sie wird nicht nur zum beliebten Emoji, das man sich sogar auf Socken und Co. druckt, sie steht für mehr als das: Lifestyle. Zwar werden immer öfter auch Stimmen laut, die auf den immensen ökologischen Fußabdruck, der damit in Verbindung steht, aufmerksam machen, aber dennoch: Die Avocado ist und bleibt eben die Frucht der 2010er.
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Fridays for Future
Das bringt uns gleich mitten in eine immer noch brodelnde Debatte: die Klimakrise. Die Situation wurde uns immer drastischer vor Augen geführt. Getan hat sich dafür leider bisher erstaunlich wenig – immerhin stoßen wir laut der Wiener Stadträtin Ursula Stenzel immer noch mysteriöse 38 Gigabyte CO2 weltweit aus. Doch besonders die junge Generation bleibt hartnäckig und hat in der schwedischen Klimaaktivistin Greta Thunberg eine beharrliche Galionsfigur gefunden. Am 20. August 2018 streikte die damals 15-jährige Schülerin zum ersten Mal vor dem schwedischen Parlamentsgebäude in Stockholm, seither tun es ihr jeden Freitag weltweit unzählige Schülerinnen und Schüler gleich, die um ihre Zukunft bangen. Da soll noch einmal einer sagen, die junge Generation würde nur auf ihr Smartphone starren und sich für nichts interessieren. Dass gerade die jungen politischer und engagierter sind, als man ihnen gerne unterstellt, das haben die 2010er definitiv bewiesen. Respekt!
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#MeToo
Wenn es um Awareness geht, steht in den 2010ern die #MeToo-Bewegung natürlich ebenfalls an vorderster Front. Allerdings nicht was die Klimakrise betrifft, sondern wenn es um das Aufmerksammachen auf Sexismus, sexuelle Belästigung und sexuelle Übergriffe geht. Im Zuge des Weinstein-Skandals posteten ab Mitte Oktober 2017 immer mehr Frauen in den sozialen Medien über ihre Erfahrungen mit sexuellen Übergriffen und setzten den Hashtag „MeToo“ dahinter. Damit zeigten sie vor allem eines: Die Geschichten der Opfer sexualisierter Gewalt sind längst keine Einzelschicksale. Sexualisierte Gewalt kommt häufiger vor, als manche vielleicht angenommen hätten, und in den unterschiedlichsten Kontexten und Situationen. Aufmerksam zu machen auf diese Form der Unterdrückung und Ausbeutung war ein wichtiger Schritt in den 2010ern, ein Stein des Anstoßes, der nach wie vor zum Nach- und Umdenken bringt. Immer wieder gründen sich neue Hashtags und Plattformen, die das Thema aufgreifen und aufbereiten, wie in Österreich etwa die Plattform OIDAitssexism.
Von Obama bis Trump
Doch wo sich progressive Veränderung ankündigt, gibt es auch immer jene, die die Zeiger gerne bis zu vorsintflutlichen Zeiten zurückdrehen würden. Populistische Figuren wie Trump, Erdogan, Strache und Co. erleben in den 2010ern starken Aufwind. Ihnen wollen wir hier aber nicht zu viel Platz einräumen, immerhin müssen wir uns in der tagesaktuellen Berichterstattung ohnehin schon im Sekundentakt über sie ärgern. Stattdessen rufen wir in Erinnerung, dass nicht Donald Trump als US-Präsident der 2010er in die Geschichtsbücher eingehen sollte, sondern Barack Obama. Von 2009 bis 2017 war er der 44. Präsident der Vereinigten Staaten und damit der erste afroamerikanische Präsident der Geschichte. Zwar wurde auch seine Politik immer wieder kritisiert, aber was ist das schon im Vergleich zum aktuell im Weißen Haus residierenden, verbal ausfälligen Grantscherm mit Allmachts- und Mauerbaufantasien. Wenigstens endet das Jahrzehnt mit der Einleitung des Amtsenthebungsverfahrens gegen ihn.
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Brexit
Wobei: Kurz müssen wir ja doch auf das populistische Trauerspiel eingehen, dass die EU seit 2016 in Atem hält: der Austritt aus der Europäischen Union, alias Brexit. Drei Jahre ziehen sich die Verhandlungen nun schon hin und hatten unter anderem die Folge, dass nun Boris Johnson am Hebel sitzt, quasi die britische Antwort auf Donald Trump. Das Ganze ist bereits so skurril, dass es dafür ein eigenes Wort gibt: brexiten, also sich verabschieden, aber dann doch nicht gehen, etwa auf einer Party.
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Ibizagate
Und auch Österreich, das Land der grantigen Punschkrapfen, hat natürlich sein ganz eigenes 2010er-Watergate. Nur nennt man es nicht Water- sondern Ibizagate. Und das ist gar nicht mal so lange her: Im Mai 2019 wurde ein Video veröffentlicht, das den damaligen FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache und FPÖ-Klubobmann Johann Gudenus in leicht illuminierter Stimmung zeigt, wie sie vor einer vermeintlichen russischen Oligarchennichte mit haarsträubend korrupten Strategien prahlten. Was das zur Folge hatte, ist in Österreich wohl an niemandem spurlos vorüber gegangen: die FPÖVP-Koalition löste sich auf, eine Übergangsregierung nahm die Geschäfte auf – mit der Juristin Brigitte Bierlein an der Spitze, als erste Bundeskanzlerin Österreichs – und wir wählten neu. Ach ja, und dazwischen kamen auch noch die Vengaboys nach Wien zu einer Großdemo. Allerdings wird das Ibiza-Skandal sicher nicht in den 2010ern allein verankert bleiben. Immer wieder werden neue Details enthüllt, die zu neuen Brüchen und Umwälzungen führen, also brace yourselves, 2020er!
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