Bedeutsame Wiener Frauen
Um es mit den Worten der US-amerikanischen Schriftstellerin und Frauenrechtlerin Mary McCarthy zu sagen: „Wir sind die Heldinnen unserer eigenen Geschichte“, widmen wir diesen Artikel bedeutsamen Frauen, die Wien auf die unterschiedlichste Art geprägt haben. Diese Frauen und die von ihnen initiierten Projekte, Veränderungen und Reformen wollen wir vor den Vorhang holen.


Jedes Jahr feiern wir am 8. März den feministischen Kampftag. Wir finden, es sollte nicht nur an diesem einen Tag Bewusstsein geschaffen werden für die bemerkenswerten Wiener Frauen, die unsere Lieblingsstadt und ganz Österreich mit ihrem Tun und Wirken in den unterschiedlichsten Bereichen und Epochen geprägt haben beziehungsweise es immer noch tun. Natürlich ist diese Aufzählung weitaus nicht vollständig, soll jedoch einen breiten Querschnitt der unterschiedlichen Lebensbereiche darstellen.
Menschen-, Frauenrechte und Politik
Ute Bock (1942-2018)
„Ich habe einen Vogel, aber es gibt viele Leute, die meinen Vogel unterstützen.“
Den Anfang macht hier die großartige Ute Bock. Wie keine andere hat sie sich bis zu ihrem Tod im Jänner 2018 als selbstlose Flüchtlingshelferin für Menschenrechte eingesetzt. So begann Bock ihr Schaffen ursprünglich als Sozialarbeiterin in einem Heim für schwer erziehbare Sonderschüler*innen in Biedermannsdorf, bevor sie sich ab den 90er-Jahren für jugendliche Asylwerber*innen einsetzte.
Im Mai 2002 rief sie nach ihrer Pension den gemeinnützigen Verein „Flüchtlingsprojekt Ute Bock“ ins Leben, der sich bis heute auf die Hilfe für in Wien lebende und meist obdachlose Asylwerbende und hilfsbedürftige Geflüchtete fokussiert. Das Lichtermeer am Heldenplatz, das anlässlich ihres Todes am 2. Februar 2018 in Wien veranstaltet wurde, verdeutlichte einmal mehr, was für eine Grande Dame der Sozialgerechtigkeit Ute Bock war und dass sie in Zeiten wie diesen durch ihre Tugenden wie Zivilcourage, Solidarität und Menschlichkeit für uns alle ein Vorbild sein und bleiben sollte.

Maria Theresia (1717-1780)
Eine weitere bemerkenswerte Frau, die Wien auf ganz andere Art und Weise geprägt hat und vor allem auch maßgeblich an der Entwicklung Österreichs beteiligt war, ist Maria Theresia. Um das Wirken der bedeutendsten Herrscherin des aufgeklärten Absolutismus in vollem Ausmaß beschreiben zu können, fehlt uns hier der Raum. Immerhin füllen die politischen Reformen der Erzherzogin von Österreich ganze Chroniken.
Die wohl wichtigste Errungenschaft Maria Theresias, die bis heute nachhallt, ist die Einführung der allgemeinen Unterrichtspflicht 1774. Doch auch die Nummerierung der Häuser und die Errichtung von Burgtheater, Börse und der Porzellanmanufaktur im Augarten fallen unter ihre Regentschaft. Noch heute erinnert das Maria-Theresien-Denkmal zwischen Natur- und Kunsthistorischem Museum an die Monarchin und gilt als wichtigstes Herrscher*innendenkmal der Habsburgermonarchie in Wien.

Johanna Dohnal (1939-2010)
„Solange mehrheitlich Männer darüber entscheiden können, was für Frauen, Kinder und sie selbst gut ist, wird es die erforderlichen substanzien Quantensprünge nicht geben.“
Die im 14. Wiener Gemeindebezirk geborene Johanna Dohnal darf in unserer Aufzählung über starke Wiener Frauen nicht fehlen, immerhin war die SPÖ-Politikerin und bekennende Feministin ab 1990 die erste Frauenministerin Österreichs.
Durch ihr unermüdliches politisches Engagement für Gleichberechtigungspolitik holte Bruno Kreisky Dohnal 1979 als Staatssekretärin für allgemeine Frauenfragen in die Bundesregierung. Zahlreiche gesetzliche Verbesserungen vor allem für berufstätige Frauen verdanken wir ihr. Außerdem lagen ihr auch Anliegen der Friedens-, Bildungs- und Entwicklungspolitik sehr am Herzen. Die zweifache Mutter lebte nach ihrer Scheidung in einer Lebensgemeinschaft mit der SPÖ-Gemeinderätin Annemarie Aufreiter. Nach Inkrafttreten des „Eingetragene-Partnerschaft-Gesetzes“ am 1. Jänner 2010 ließ auch sie als eine der ersten ihre Partnerschaft eintragen. Dohnals Tochter Ingrid ist für den Verein Wiener Frauenhäuser, dessen Ehrenvorsitzende Johanna Dohnal war, tätig.
Bertha von Suttner (1843-1914)
Die in Prag geborene Bertha von Suttner stammt aus einer böhmischen Adelsfamilie und kam als Gouvernante zur Familie Suttner nach Wien, wo sie sich in den um sieben Jahre jüngeren Sohn Arthur verliebte. Da dieser die Liebe erwiderte, dies aber von der Familie nicht akzeptiert wurde, enterbte man ihn. Die beiden gingen für einige Jahre nach Georgien, wo Suttner schriftstellerische und journalistische Erfahrungen sammelte.
Auch nach ihrer Rückkehr nach Wien blieb Bertha von Suttner journalistisch sehr aktiv, wobei sie ihren Fokus auf eine friedlichere Gesellschaft, Gleichberechtigung und Frauenrechte legte und sich dem Thema Pazifismus verschrieb. Besonders herausragend ist ihr pazifistischer Roman „Die Waffen nieder!“ 1905 wurde sie als erste Frau weltweit mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet.
Adelheid Popp (1869–1939)
Adelheid Popp gilt als erste Berufspolitikerin und Begründerin der proletarischen Frauenbewegung in Österreich. Nach dem Tod ihres Vaters musste sie schon in jungen Jahren arbeiten und verdiente zuerst mit Heimarbeit Geld. Anschließend arbeitete sie in verschiedenen Fabriken, bis sie 1892 zur Arbeiterinnen-Zeitung ging, deren Herausgeberin sie später wurde.
Schon früh fand sie ihren Weg in den politischen Aktivismus: Mit 17 Jahren hielt sie in der Sozialistischen Arbeiterpartei – als erste Frau – eine Rede über die Situation der Fabrikarbeiterinnen und war Mitglied in unzähligen politischen Vereinen. Ihre Erfahrungen als Fabrikarbeiterin beschrieb sie in ihrem Buch “Jugendgeschichte einer Arbeiterin”. 1919 zog sie eine von sieben Sozialdemokratinnen in den Nationalrat ein. Als Politikerin machte sie sich für Frauenrechte und für Verbesserungen der Lebensbedingungen von Arbeiter*innen stark.
Rosa Jochmann (1901-1994)
“Ins politische Leben bin ich gekommen, weil ich nie Unrecht ertragen konnte und kann und weil ich nie zusehen konnte, dass jemand Unrecht geschieht.”
Rosa Jochmann war Politikerin, Widerstandskämpferin und Überlebende des Konzentrationslagers Ravensbrück. Als Zeitzeugin wurde sie nicht müde, gegen rechtsextreme und antisemitische Tendenzen in der Gesellschaft zu mahnen, und setzte sich stets gegen Rassismus, Antisemitismus und Faschismus ein.
Schon im Alter von 14 Jahren arbeitete Rosa Jochmann in einer Fabrik und sorgte so nach dem Tod ihrer Mutter für ihre Geschwister und ihren Vater. Sie war im Betriebsrat aktiv, trat später der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei bei und stieg bis zur Parteispitze auf. Nachdem die Partei in der Zeit des Austrofaschismus verboten wurde, baute sie die Revolutionären Sozialisten mit auf. Nach dem Anschluss Österreichs wurde Rosa Jochmann nach Ravensbrück deportiert und überlebte fünf Jahre lang bis zur Befreiung des Lagers. Nach dem Krieg war sie im Parteivorstand der SPÖ und hatte mehrere politische Ämter inne. Als Zeitzeugin hielt sie zudem Vorträge über ihre Erfahrungen während der NS-Zeit. Jochmann wurde mit dem Ehrenzeichen für Verdienste um die Befreiung Österreichs ausgezeichnet.
Grete Rehor (1910-1987)
„Es ist wichtig und richtig, wenn Frauen auch in höchste Positionen vordringen. Dies entspricht nicht nur der Bevölkerungs- und Beschäftigungsstruktur, sondern auch der Wählerstruktur.“
Wusstet ihr, dass erst im Jahr 1966 erstmals eine Frau Bundesministerin in Österreich wurde? Grete Rehor verabschiedete in ihrer Zeit als Bundesministerin zahlreiche Sozialgesetzte, was ihr als ÖVP-Politikerin den Spitznamen “schwarze Kommunistin” bescherte. Ihr Wertekompass war von der christlichen Soziallehre geprägt, sie engagierte sich schon früh in der katholischen Mädchenbewegung.
Rehor arbeitete schon in jungen Jahren als Textilarbeiterin und wurde später Gewerkschafterin. Sie setzte sich in ihren Funktionen für die Gleichberechtigung von Männern und Frauen ein und war später als Abgeordnete im Nationalrat eine Stimme für arbeitende Frauen und Mütter. 1957 gründete sie im Österreichischen Arbeiter- und Angestelltenbund die Gruppierung “Frauen im ÖAAB”. In ihrer Amtszeit als Ministerin reformierte sie unter anderem das Arbeitsrecht, setzte die reale Erhöhung der Pensionen um und führte den 8. Dezember als Feiertag ein. Auch nach ihrer politischen Karriere war sie im sozialen Bereich aktiv, unter anderem in der Liga für Menschenrechte oder im Dachverband der österreichischen Behindertenvereine.
Ingrid Leodolter (1919-1986)
Eine weitere Person, die in unserem Beitrag über bedeutende Wiener Frauen nicht fehlen darf, ist Ingrid Leodolter. Sie war sozialdemokratische Politikerin, der wir in ihrer Zeit als Gesundheitsministerin die Einführung des Mutter-Kind-Passes in Österreich verdanken. Ihre Karriere begann und beendete Leodolter aber als Ärztin: Nach ihrem Medizinstudium arbeitete sie im Sophienspital, dessen ärztliche Leiterin Leodolter später wurde.
Unter Bruno Kreisky wurde sie Bundesministerin im neu eingeführten Bundesministerium für Gesundheit und Umweltschutz. Einer ihrer wichtigsten Verdienste: die Einführung des Mutter-Kind-Passes. Durch die verpflichtenden Untersuchungen konnte die Kindersterblichkeit deutlich gesenkt werden. Zudem führte sie die kostenlosen Vorsorgeuntersuchungen ein. 1979 trat Leodolter aufgrund von Kritik des Rechnungshofs zurück und arbeitete wieder im Sophienspital. Zu ihren Ehren wurde im 13. Bezirk die Leodolterpromenade nach ihr benannt.
Kunst und Kultur
Christine Nöstlinger (1936-2018)
„Besser ein paar Brandblasen als ein ganzes Leben lang kalte Finger!“
Christine Nöstlinger hat als eine der bedeutendsten Kinder- und Jugendbuchautorinnen im deutschsprachigen Raum mit ihren Franz-Geschichten wohl so manche*n von uns durch die Kindheit begleitet. Über 100 Bücher umfasst ihr literarisches Gesamtwerk, das vor allem auch durch politische und gesellschaftskritische Aspekte gekennzeichnet ist. Prägend dafür war ihre eigene Kindheit während des Zweiten Weltkriegs, den sie vor allem im Werk Maikäfer flieg! aufarbeitet. Der autobiografische Roman wurde 2016 auch verfilmt und der österreichische Spielfilm, mit Ursula Strauss in der Rolle von Nöstlingers Mutter, ist sehr zu empfehlen!
Bis zuletzt engagierte sich Nöstlinger für soziale Gerechtigkeit und setzte sich gegen Fremdenfeindlichkeit und rechtsextremistische Tendenzen in der österreichischen Politik ein: „...ob mich jemand Gutmensch nennt oder net is mir scheißegal“, und sprach etwa auch öffentlich ihre Unterstützung für Alexander Van der Bellen im Bundespräsidentschaftswahlkampf aus. Zuletzt war sie außerdem auch noch eine bekennende Unterstützen des Frauenvolksbegehrens. Ihr Tod bewegte im Juni 2018 Jung und Alt weit über die Grenzen Österreichs hinaus. Was für eine großartige Frau!
Erni Mangold (*1927)
Wer mit über 90 Jahren noch wie das blühende Leben über die Bretter, die die Welt bedeuten, schwebt, hat definitiv einen Platz in unserer Aufzählung über starke Wiener Frauen verdient. So kann die Theater- und Schauspiellegende Erni Mangold stellvertretend als eine der vielen österreichischen Schauspielerinnen genannt werden, die die heimische Theaterkultur zu dem machen, was sie ist. Egal ob Elfriede Ott, Hilde Spiel, Elfriede Irrall, Dolores Schmidinger oder Chris Lohner – sie alle sind es, die mit ihrer Wandlungsfähigkeit, Stärke und Intensität den Wiener Theatern Leben einhauchen und für Gänsehautmomente sorgen.
So blickt Erni Mangold auf über 70 Jahre Bühnenerfahrung zurück und gab ihr Debüt bereits mit 19 Jahren im Theater an der Josefstadt. Welche Rolle Geschlechtergerechtigkeit und hierarchische Verhältnisse jedoch auch im Theater spielen, darauf hat 2018 der offene Brief von zahlreichen renommierte Burgschauspieler*innen aufmerksam gemacht.
Elfriede Jelinek (*1946)
„Meine Methode ist ungefähr die, dass ich die trivialen Tagespolitikfetzen ästhetisch sozusagen auflade wie in einer Steckdose“
Elfriede Jelinek darf als eine der wichtigsten Vertreterinnen der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur in unserer Aufzählung über bedeutsame Wiener Frauen nicht fehlen. Mit ihren Werken will sie Missstände und Ungerechtigkeiten im öffentlichen, politischen, aber auch im privaten Leben aufzeigen. Provokation und Sarkasmus sind hierbei die wichtigsten Stilmittel, ebenso wie das Brechen mit oft tabuisierten Inhalten. Dafür wurde sie im Jahr 2004 auch mit dem Literaturnobelpreis ausgezeichnet. Besonderes Aufsehen erregte die Burgtheater-Produktion von ihrem Werk „Die Schutzbefohlenen“, das 2015 Premiere feierte und kompromisslos mit der österreichischen Flüchtlingspolitik und ihren Folgen abrechnet.
Friederike Mayröcker (1924-2021)
Die Autorin Friederike Mayröcker wurde 1924 in Wien geboren und schrieb schon mit 15 Jahren literarische Texte. 1945 erschienen erste Gedichte in der avantgardistischen Nachkriegszeitschrift „Der Plan“, ihr erstes Buch wurde 1956 veröffentlicht. Trotzdem behielt Mayröcker bis zu ihrer Frühpensionierung im Jahr 1969 ihren Brotberuf als Englischlehrerin. Bekannt wurde sie vor allem mit ihrer Lyrik, Mayröcker schrieb aber auch Erzählungen, Kinderbücher, Hörspiele und Bühnentexte.
Legendär war die Dichterin auch für ihre als “Zettelhöhle” bezeichnete Wohnung, in der sich Bücher und Manuskripte türmten. So zog ihr langjähriger Lebensgefährte, der Dichter Ernst Jandl, schon bald wieder aus der chaotischen Wohnung aus. Bis zu Jandls Tod blieben die beiden Lyriker*innen jedoch eng verbunden. Mayröcker gilt als eine der bedeutendsten deutschsprachigen Schriftstellerinnen ihrer Zeit und wurde mit zahlreichen Preisen geehrt, darunter der Georg-Büchner-Preis und der Große Österreichische Staatspreis für Literatur.
Alma Mahler Werfel (1879-1964)
In Wien geboren, ging Alma Mahler Werfel als „Frau von Welt“ in die Geschichte ein. So war sie nicht nur Gemahlin von Gustav Mahler, Walter Gropius, Franz Werfel und Geliebte von Oskar Kokoschka, sondern auch Gastgeberin von renommierten literarischen Salons und auch selbst talentierte Dichterin. Auch wenn von ihrem eigenen Schaffen nur noch Auszüge erhalten sind, gilt sie als eine der größten Musen und „Femme Fatale“ des 20. Jahrhunderts und um ihre spannende Person ranken sich zahlreiche Mythen und Geschichten.
Margarete Schütte-Lihotzky (1897-2000)
Eine Pionierin aus Wien ist auch Margarete Schütte-Lihotzky: Die Architektin war eine der ersten Frauen, die in Österreich Architektur studierten und den Beruf auch ausübten. Ihre Ausbildung absolvierte sie von 1915 bis 1919 an der Kunstgewerbeschule (heute: Universität für angewandte Kunst), damals eine der führenden Kunstschulen in Europa. Schütte-Lihotzkys wichtigstes Werk war ihr Entwurf der Frankfurter Küche, quasi dem Prototypen der heutigen Einbauküche. Sie darauf zu reduzieren – dagegen hat sich Schütte-Lihotzky gewehrt: “Ich bin keine Küche”, sagte sie.
Und tatsächlich hat sie viel mehr geschaffen als die Einbauküche. Sie war Widerstandskämpferin gegen das NS-Regime, plante Siedlungshäuser, Gemeindebauten und einen Kindergarten. Da sie aufgrund ihrer kommunistischen Gesinnung in Wien lange boykottiert wurde, erhielt sie in Österreich in der Nachkriegszeit nur wenige Aufträge und für ihre Werke erst relativ spät Anerkennung. In den 80ern und 90ern wurde sie unter anderem mit dem Architekturpreis der Stadt Wien und dem Ehrenzeichen für Wissenschaft und Kunst ausgezeichnet. Übrigens: Ihr könnt die ehemalige Wohnung von Margarete Schütte-Lihotzky im 5. Bezirk besuchen.
Conchita (*2011)
Ganz bewusst zählt für uns auch Conchita (bis 2015 Conchita Wurst) zu jenen Frauen, die Wien oder vielmehr auch Österreich geprägt haben und es vor allem immer noch tun. Dies ist nicht nur auf ihren Sieg des Eurovision Song Contest 2014 zurückzuführen, sondern vielmehr auf die Tatsache, dass sie bewusst mit dem binären Geschlechtersystem bricht und somit einmal mehr Judith Butlers Unterscheidung von Sex und Gender untermauert, oder um es mit Simone Beauvoirs Worten zu sagen: „Man kommt nicht als Frau zur Welt, man wird es.“
Conchita unterscheidet sich – vor allem auch durch ihren Bart – bewusst von anderen Travestie-Figuren und bricht mit festgefahrenen Geschlechterstereotypen. Gut so! Mittlerweile hat Conchita übrigens den Künstlernamen WURST angenommen, unter dem Tom Neuwirth seit 2019 auftritt.
Wissenschaft und Wirtschaft
Hedy Lamarr (1914-2000)
Hedy Lamarr könnte genauso gut unter der Kategorie „Kunst und Kultur“ stehen: Als Schauspielerin und Erfinderin ist vielen von euch das Multitalent Hedy Lamarr bestimmt ein Begriff. Lamarr wurde 1914 als Hedwig Eva Maria Kiesler in Wien geboren. In den 1930er-Jahren startete sie ihre Filmkarriere in Österreich, später ging sie erst nach Paris, dann nach London und schaffte auch in Hollywood den Durchbruch.
Doch Lamarr war nicht nur Filmstar, sondern auch technisch versiert. So erfand und patentierte sie gemeinsam mit dem Komponisten George Antheil das Frequenzsprungverfahren. Eigentlich war es als Funkfernsteuerung für Torpedos des amerikanischen Militärs im Zweiten Weltkrieg gedacht. Tatsächlich kam das Verfahren während des Krieges nicht zum Einsatz, legte aber den Grundstein für die Entwicklung moderner Technologien wie Bluetooth, GPS oder WLAN. Lamarr zu Ehren wird der Tag der Erfinder in Österreich, Deutschland und der Schweiz an ihrem Geburtstag, dem 9. November, begangen.
Ella Lingens-Reiner (1908-2002)
Die Wiener Juristin und Ärztin gilt als eine der wichtigsten Gegnerinnen des NS-Regimes und Fluchthelferin für jüdische Familien nach Ungarn, anderen wiederum gewährte sie gemeinsam mit ihrem Ehemann Dr. Kurt Lingens auch Unterschlupf in ihrem Haus am Rande Wiens. Dafür wurde sie 1942 von der Gestapo gefangen genommen und 1943 bis 1945 im KZ-Auschwitz und KZ-Dachau inhaftiert. Sie überlebte das Konzentrationslager und hielt in ihrem Buch „Prisoners of Fear“ die Jahre des Widerstandes und der KZ-Gefangenschaft fest. Zudem beendete sie nach dem Krieg auch ihr Medizinstudium und arbeitete in mehreren Kliniken. Anfang März 1964 sagte Lingens als eine der wichtigsten Zeuginnen während des ersten Frankfurter Auschwitzprozesses aus. Nach ihrem Schaffen als Ministerialrätin im Bundesministerium für Gesundheit und Umweltschutz trat sie 1973 in den Ruhestand. Eine der ganz besonderen Wiener Frauen, der viel zu wenig Beachtung geschenkt wird, wie wir finden.
Maria Schaumayer (1931-2013)
Die geborene Steirerin Maria Schaumayer darf in unserer Aufzählung über außergewöhnliche Wiener Frauen nicht fehlen. Sie war nicht nur eine renommierte österreichische Wirtschaftswissenschaftlerin und als ÖVP-Politikerin außerdem in der Wiener Stadt- und Landesregierung tätig. Besonders von Bedeutung ist nämlich, dass sie von 1990 bis 1995 zudem die Präsidentin der Österreichischen Nationalbank und somit die erste Frau weltweit in dieser Funktion war. Anlässlich ihres 60. Geburtstags gründete sie 1991 die Stiftung für Frauen in der Wirtschaft, die Förderpreise vergibt und Frauenkarrieren fördert.
Lise Meitner (1878-1968)
Eine weitere bedeutende und einflussreiche Wiener Frau, der unserer Meinung nach viel zu wenig Beachtung geschenkt wird, ist die Kernphysikerin Lise Meitner. Ihr Studium absolvierte die in der Leopoldstadt geborene Meitner an der Universität Wien. Und zwar studierte sie die Studiengänge Physik, Mathematik und Philosophie. Ihr wichtigster akademischer Lehrer dort wurde niemand geringerer als Ludwig Boltzmann.
Nach erfolgreichem Abschluss des Studiums ging sie jedoch nach Berlin, um ihren weiteren wissenschaftlichen Werdegang bei Max Planck zu vertiefen. Besonderen Ruhm erlangte sie durch die Veröffentlichung der ersten physikalisch-theoretischen Erklärung der Kernspaltung, die sie gemeinsam mit ihrem Neffen Otto Frisch herausbrachte.
Alexandra Kautzky-Willer (*1962)
Als eine der renommiertesten Ärztinnen Österreichs hat Alexandra Kautzky-Willer definitiv einen Platz in unserem Special über bedeutsame Wiener Frauen verdient. Sie ist Absolventin der Medizinischen Universität Wien, an der sie seit 2010 Professorin für Gendermedizin ist, und legt somit einen wesentlichen Meilenstein zur Geschlechtergerechtigkeit in der Medizin. Denn die geschlechtsabhängigen Unterschiede in der Medizin sind zwar teilweise offensichtlich, teilweise jedoch subtil und in vielen Bereichen vor allem noch wenig bekannt.
Für ihre Forschungsansätze und wissenschaftlichen Publikationen wurde Kautzky-Willer auch schon mit zahlreichen Preisen geehrt, so wurde sie 2013 als eine der „Women Inspiring Europe“ und 2016 als „Wissenschaftlerin des Jahres„ ausgezeichnet, bekam 2021 den Wiener Frauenpreis in der Kategorie Gendermedizin und 2023 den Grete-Rehor-Preis in der Kategorie Bildung, Wissenschaft und Arbeitswelt.
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