Bedeutsame Wiener Frauen, die ihr kennen solltet – Teil 2
Lange Zeit standen Frauen in zentralen Bereichen wie Politik, Kunst oder Wissenschaft in der zweiten Reihe. Doch schon in der Vergangenheit gab es Erfinderinnen, Aktivistinnen, Künstlerinnen, Denkerinnen, die den Lauf der Geschichte maßgeblich mitbestimmt haben. Wir stellen euch einige der vielen bedeutsamen Frauen aus Wien vor.
Wien hat so viele bedeutsame Frauen hervorgebracht, dass wir in unserem ersten Teil über starke Wiener Frauen gar nicht genug Platz hatten. Deshalb stellen wir euch hier weitere Frauen aus Wien vor, die für wichtige Veränderungen und Errungenschaften für die Gesellschaft verantwortlich sind. Natürlich ist der Beitrag nur ein kleiner Auszug historischer Frauen aus Wien. Zu den vielen starken Frauen zählen natürlich auch all die Alltagsheldinnen, die uns jeden Tag inspirieren – von Musikerinnen über Aktivistinnen, von Ärztinnen bis zu unseren Freundinnen.
Adelheid Popp (1869-1939)
Wir beginnen unseren Beitrag mit einer österreichischen Feministin, die ihr unbedingt kennen solltet. Adelheid Popp gilt als erste Berufspolitikerin und Begründerin der proletarischen Frauenbewegung in Österreich. Nach dem Tod ihres Vaters musste sie schon in jungen Jahren arbeiten und verdiente zuerst mit Heimarbeit Geld. Anschließend arbeitete sie in verschiedenen Fabriken, bis sie 1892 zur Arbeiterinnen-Zeitung ging, deren Herausgeberin sie später wurde.
Schon früh fand sie ihren Weg in den politischen Aktivismus: Mit 17 Jahren hielt sie in der Sozialistischen Arbeiterpartei – als erste Frau – eine Rede über die Situation der Fabrikarbeiterinnen und war Mitglied in unzähligen politischen Vereinen. Ihre Erfahrungen als Fabrikarbeiterin beschrieb sie in ihrem Buch “Jugendgeschichte einer Arbeiterin”. 1919 zog sie eine von sieben Sozialdemokratinnen in den Nationalrat ein. Als Politikerin machte sie sich für Frauenrechte und für Verbesserungen der Lebensbedingungen von Arbeiter*innen stark.
Margarete Schütte-Lihotzky (1897-2000)
Eine Pionierin aus Wien ist auch Margarete Schütte-Lihotzky: Die Architektin war eine der ersten Frauen, die in Österreich Architektur studierten und den Beruf auch ausübten. Ihre Ausbildung absolvierte sie von 1915 bis 1919 an der Kunstgewerbeschule (heute: Universität für angewandte Kunst ), damals eine der führenden Kunstschulen in Europa. Schütte-Lihotzkys wichtigstes Werk war ihr Entwurf der Frankfurter Küche, quasi dem Prototypen der heutigen Einbauküche. Sie darauf zu reduzieren – dagegen hat sich Schütte-Lihotzky gewehrt: “Ich bin keine Küche”, sagte sie.
Und tatsächlich hat sie viel mehr geschaffen als die Einbauküche. Sie war Widerstandskämpferin gegen das NS-Regime, plante Siedlungshäuser, Gemeindebauten und einen Kindergarten. Da sie aufgrund ihrer kommunistischen Gesinnung in Wien lange boykottiert wurde, erhielt sie in Österreich in der Nachkriegszeit nur wenige Aufträge und für ihre Werke erst relativ spät Anerkennung. In den 80ern und 90ern wurde sie unter anderem mit dem Architekturpreis der Stadt Wien und dem Ehrenzeichen für Wissenschaft und Kunst ausgezeichnet. Übrigens: Ab Oktober 2022 könnt ihr die ehemalige Wohnung von Margarete Schütte-Lihotzky im 5. Bezirk besuchen.
Rosa Jochmann (1901-1994)
“Ins politische Leben bin ich gekommen, weil ich nie Unrecht ertragen konnte und kann und weil ich nie zusehen konnte, dass jemand Unrecht geschieht.”
Rosa Jochmann
Rosa Jochmann war Politikerin, Widerstandskämpferin und Überlebende des Konzentrationslagers Ravensbrück. Als Zeitzeugin wurde sie nicht müde, gegen rechtsextreme und antisemitische Tendenzen in der Gesellschaft zu mahnen, und setzte sich stets gegen Rassismus, Antisemitismus und Faschismus ein.
Schon im Alter von 14 Jahren arbeitete Rosa Jochmann in einer Fabrik und sorgte so nach dem Tod ihrer Mutter für ihre Geschwister und ihren Vater. Sie war im Betriebsrat aktiv, trat später der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei bei und stieg bis zur Parteispitze auf. Nachdem die Partei in der Zeit des Austrofaschismus verboten wurde, baute sie die Revolutionären Sozialisten mit auf. Nach dem Anschluss Österreichs wurde Rosa Jochmann nach Ravensbrück deportiert und überlebte fünf Jahre lang bis zur Befreiung des Lagers. Nach dem Krieg war sie im Parteivorstand der SPÖ und hatte mehrere politische Ämter inne. Als Zeitzeugin hielt sie zudem Vorträge über ihre Erfahrungen während der NS-Zeit. Jochmann wurde mit dem Ehrenzeichen für Verdienste um die Befreiung Österreichs ausgezeichnet.
Grete Rehor (1910-1987)
Wusstet ihr, dass erst im Jahr 1966 erstmals eine Frau Bundesministerin in Österreich wurde? Grete Rehor verabschiedete in ihrer Zeit als Bundesministerin zahlreiche Sozialgesetzte, was ihr als ÖVP-Politikerin den Spitznamen “schwarze Kommunistin” bescherte. Ihr Wertekompass war von der christlichen Soziallehre geprägt, sie engagierte sich schon früh in der katholischen Mädchenbewegung.
„Es ist wichtig und richtig, wenn Frauen auch in höchste Positionen vordringen. Dies entspricht nicht nur der Bevölkerungs- und Beschäftigungsstruktur, sondern auch der Wählerstruktur.“
Grete rehor an ihrem ersten Tag als Sozialministerin
Rehor arbeitete schon in jungen Jahren als Textilarbeiterin und wurde später Gewerkschafterin. Sie setzte sich in ihren Funktionen für die Gleichberechtigung von Männern und Frauen ein und war später als Abgeordnete im Nationalrat eine Stimme für arbeitende Frauen und Mütter. 1957 gründete sie im Österreichischen Arbeiter- und Angestelltenbund die Gruppierung “Frauen im ÖAAB”. In ihrer Amtszeit als Ministerin reformierte sie unter anderem das Arbeitsrecht, setzte die reale Erhöhung der Pensionen um und führte den 8. Dezember als Feiertag ein. Auch nach ihrer politischen Karriere war sie im sozialen Bereich aktiv, unter anderem in der Liga für Menschenrechte oder im Dachverband der österreichischen Behindertenvereine.
Hedy Lamarr (1914-2000)
Als Schauspielerin und Erfinderin ist vielen von euch das Multitalent Hedy Lamarr bestimmt ein Begriff. Lamarr wurde 1914 als Hedwig Eva Maria Kiesler in Wien geboren. In den 1930er-Jahren startete sie ihre Filmkarriere in Österreich, später ging sie erst nach Paris, dann nach London und schaffte auch in Hollywood den Durchbruch. Doch Lamarr war nicht nur Filmstar, sondern auch technisch versiert. So erfand und patentierte sie gemeinsam mit dem Komponisten George Antheil das Frequenzsprungverfahren. Eigentlich war es als Funkfernsteuerung für Torpedos des amerikanischen Militärs im Zweiten Weltkrieg gedacht. Tatsächlich kam das Verfahren während des Krieges nicht zum Einsatz, legte aber den Grundstein für die Entwicklung moderner Technologien wie Bluetooth, GPS oder WLAN. Lamarr zu Ehren wird der Tag der Erfinder in Österreich, Deutschland und der Schweiz an ihrem Geburtstag, dem 9. November, begangen.
Ingrid Leodolter (1919-1986)
Eine weitere Person, die in unserem Beitrag über bedeutende Wiener Frauen nicht fehlen darf, ist Ingrid Leodolter. Sie war sozialdemokratische Politikerin, der wir in ihrer Zeit als Gesundheitsministerin die Einführung des Mutter-Kind-Passes in Österreich verdanken. Ihre Karriere begann und beendete Leodolter aber als Ärztin: Nach ihrem Medizinstudium arbeitete sie im Sophienspital, dessen ärztliche Leiterin Leodolter später wurde.
Unter Bruno Kreisky wurde sie Bundesministerin im neu eingeführten Bundesministerium für Gesundheit und Umweltschutz. Einer ihrer wichtigsten Verdienste: die Einführung des Mutter-Kind-Passes. Durch die verpflichtenden Untersuchungen konnte die Kindersterblichkeit deutlich gesenkt werden. Zudem führte sie die kostenlosen Vorsorgeuntersuchungen ein. 1979 trat Leodolter aufgrund von Kritik des Rechnungshofs zurück und arbeitete wieder im Sophienspital. Zu ihren Ehren wurde im 13. Bezirk die Leodolterpromenade nach ihr benannt. Wo ihr in Wien sonst noch Straßen findet, die nach Frauen benannt wurden, lest ihr in unserem Beitrag zum Thema.
Friederike Mayröcker (1924-2021)
Nicht nur in der Politik hat Wien bedeutsame Frauen hervorgebracht, auch in der Literatur. Eine von ihnen ist die Autorin Friederike Mayröcker. Sie wurde 1924 in Wien geboren und schrieb schon mit 15 Jahren literarische Texte. 1945 erschienen erste Gedichte in der avantgardistischen Nachkriegszeitschrift „Der Plan“, ihr erstes Buch wurde 1956 veröffentlicht. Trotzdem behielt Mayröcker bis zu ihrer Frühpensionierung im Jahr 1969 ihren Brotberuf als Englischlehrerin. Bekannt wurde sie vor allem mit ihrer Lyrik, Mayröcker schrieb aber auch Erzählungen, Kinderbücher, Hörspiele und Bühnentexte.
Legendär war die Dichterin auch für ihre als “Zettelhöhle” bezeichnete Wohnung, in der sich Bücher und Manuskripte türmten. So zog ihr langjähriger Lebensgefährte, der Dichter Ernst Jandl, schon bald wieder aus der chaotischen Wohnung aus. Bis zu Jandls Tod blieben die beiden Lyriker*innen jedoch eng verbunden. Mayröcker gilt als eine der bedeutendsten deutschsprachigen Schriftstellerinnen ihrer Zeit und wurde mit zahlreichen Preisen geehrt, darunter der Georg-Büchner-Preis und der Große Österreichische Staatspreis für Literatur.
Noch mehr inspirierende Frauen gesucht? Dann folgt unserer Liste über Feminismus. Dort findet ihr zum Beispiel Österreichische Feminist*innen, die ihr kennen solltet und lässige Frauen, die uns Tag für Tag inspirieren.