Der 1000things-Survivalguide fürs alleine Reisen
Ihr macht gerne Urlaub? Ihr seid gerne alleine? Warum dann nicht mal alleine Urlaub machen? Unsere Redakteurin liebt es, mit sich selbst zu reisen, und hat ein paar hilfreiche Tipps fürs alleine Reisen für euch.
Für die meisten Freundschaften ist ein gemeinsamer Urlaub die ultimative Zerreißprobe: Werden wir uns danach noch in die Augen sehen können oder hat die Art, wie Barbara den Geschirrspüler ausräumt oder Maurice drei Viertel des Bettes okkupiert, alles verändert? Im Urlaub zeigt sich, wer wirklich miteinander kann. Kein Wunder, sind wir doch besonders im Urlaub darauf aus, so viele Bedürfnisse wie möglich auf einmal zu befriedigen. Und wenn einem dann die gegenläufigen Bedürfnisse der anderen dazwischenkommen, droht die Bedürfnispyramide zu implodieren und alles im Radius des Hotelzimmers mit sich in den Abgrund zu reißen.
Soll heißen: Es gibt nur wenig Menschen, mit denen ich entspannt Urlaub machen kann, ohne mich entweder zu ärgern, Kompromisse einzugehen oder mich beim Anblick der durchsichtigen Badezimmerwand im Hotelzimmer zu verkrampfen. Ganz vorne dabei: ich selbst. Wer mich kennt, weiß: Ich bin wirklich alles andere als selbstverliebt, ja, meistens bin ich sogar der Mensch, der mir am meisten in die Parade regnet. Aber was ich auch immer im Alltag mit mir für Zores habe, im Urlaub bin ich erstaunlich verträglich mit mir selbst. Mindestens einmal im Jahr nehme ich mir daher eine Auszeit von allem – und allen! – und fahre alleine auf Urlaub. Weil ich dabei nicht nur über mich viel gelernt habe, sondern auch übers alleine Reisen generell, kommen hier ein paar hilfreiche Tipps vom Allein-Reisen-Profi.
Die Vorteile
Bevor wir zu den Do’s und Don’ts kommen, will ich an dieser Stelle kurz die Werbetrommel fürs alleine Reisen rühren. Was sind die Vorteile eines Solo-Trips gegenüber einer lustigen Gruppenreise mit den liebsten Freund*innen, einem romantischen Wochenend-Getaway mit dem*der Partner*in oder einem Familienurlaub mit Kind und Kegel? “Dass die alle nicht dabei sind”, wäre eine denkbar fiese Antwort. Aber im Kern geht es doch darum: Wenigstens ein paar Tage im Jahr komplett für sich sein, selbst entscheiden, wie man den Urlaub verbringt – von der Reisedestination über die Unterkunft bis zum Tagesprogramm. So viel oder so wenig Geld ausgeben, wie man kann und will, das Badezimmer benutzen, ohne sich dabei – besonders wenn man mit weniger nahestehenden Personen reist und die Wände transparent sind – ein wenig zu verkrampfen. Einfach mal allein sein und die Ruhe genießen.
Es ist okay, alleine sein zu wollen
Und es ist voll okay und alles andere als befremdlich, das zu wollen. Das betone ich deshalb so intensiv, weil viele das offenbar alles andere als okay und durchaus befremdlich finden. Allen voran: meine Großmutter. Jedes Mal, wenn sie erfährt, dass ich vorhabe, alleine zu verreisen, senken sich die Augenbrauen zu besorgten Schrägstrichen und die Stirn legt sich in dunkle Falten: “Oje, hast du niemanden gefunden, der mit dir auf Urlaub fahren will?” Wow, Oma, das hat gesessen. Im Nu finde ich mich in einer händeringenden Diskussion mit meiner Großmutter wieder, in der ich etwas zu aufgebracht beteuere, dass ich durchaus genug Freund*innen habe und nicht der Lonesome George der Familie bin. Meistens nickt sie nur stumm vor sich hin. “Soll ich mit dir fahren?” Die Diskussion geht von vorne los. Dass alleine reisen keine Konsequenz der Einsamkeit, sondern das Bedürfnis danach ist, scheint manchen noch nicht klar zu sein. Also macht euch auf eine ordentliche Prise Mitleid gefasst, wenn ihr erzählt, dass ihr alleine Urlaub macht. Und legt euch gleich ein paar gute Konter zurecht wie: “Ich kann ganz gut mit mir alleine sein, du etwa nicht?” Oder: “Ich freue mich schon auf die Zeit für mich.” Wenn alle Stricke reißen, sagt ihr einfach: “Alleine? Wieso alleine?” und legt dabei den Arm um eine imaginäre Reisebegleitung.
Urlaub mit Programm
Wie und wohin ihr mit euch selber reist, bleibt natürlich euch überlassen – das ist ja genau das Schöne daran. Allen, die vielleicht zum ersten Mal alleine Urlaub machen oder generell nicht ganz auf sich gestellt sein wollen, kann ich Retreats sehr empfehlen. Oder allgemeiner gesprochen: Urlaubsangebote mit Programm. Yoga-Retreats, Surf-Camps oder Sommerakademien eignen sich zum Beispiel gut als Einstieg ins alleine Reisen. Man ist zwar theoretisch alleine unterwegs, praktisch ist man es aber nie. Oder muss es zumindest nicht sein, wenn man nicht will. Die meisten anderen Gäste in diesen Retreats sind höchstwahrscheinlich ebenfalls alleine unterwegs und freuen sich über neue Bekanntschaften. Außerdem ist die Tagesplanung so nicht gänzlich euch überlassen, sondern durch Fixpunkte wie Yoga-Einheiten in der Früh und am Abend oder gemeinsame Mahlzeiten strukturiert.
Grenzen setzen
Manchen stellt es jetzt wahrscheinlich alleine beim Gedanken an Gemeinschaftstische die mentalen Zehennägel auf. Warum sollte ich alleine auf Urlaub fahren, wenn ich mich dann erst wieder nach anderen richten muss? Guter Punkt! Deshalb ist es besonders bei dieser Art des alleine Reisens wichtig, klare Grenzen zu setzen. Wann will ich mich in die Gruppe integrieren und wann nicht? Habe ich da überhaupt Bock drauf? Und – besonders wichtig für kleine People Pleaser wie mich: Ich muss mich nicht in die Gruppe integrieren, wenn ich das nicht will. Das ist mein Urlaub und ich bestimme, wie viel meiner Zeit und sozialer Kapazität ich mit anderen teile. Im Unterschied zu Reisebegleitungen, die man von zu Hause mitnimmt, ist bei diesen Reisebekanntschaften der klare Vorteil, dass man sie nach diesem Urlaub höchstwahrscheinlich nie mehr wiedersehen muss, wenn man nicht will. Aber dennoch ist von spontanen Wutanfällen und anderen Überwerfungen abzuraten: Man sieht sich ja angeblich immer zweimal im Leben.
Wählt eure Urlaubsbekanntschaften weise
In dem Zusammenhang kann es auch von Vorteil sein, sich erst mal in Zurückhaltung zu üben. Soll heißen: Choose your Urlaubsbekanntschaften wisely. Erfahrungsgemäß gibt es in so gut wie jeder bunt zusammengewürfelten Yoga-Retreat-Gruppe mindestens eine Person, sie eigentlich so gar nicht gerne alleine verreist und daher übermäßig kontaktfreudig ist. Das wirkt zwar womöglich erst mal erleichternd, besonders wenn man das erste Mal alleine reist, kann aber im weiteren Verlauf nach hinten losgehen. Hat sich diese Person erst mal an eure Fersen geheftet, werdet ihr euren Kurschatten meist nur schwer wieder los. Und während sich die Gruppendynamik entfaltet, sitzt ihr in irgendeinem Zweier-Strandkorb und lasst euch eine völlig fremde Lebensgeschichte vorbeten. Ich kann heute noch sämtliche eingebildete und nicht eingebildete Krankheiten meiner ersten Solo-Urlaubsbekanntschaft aufzählen und weiß, dass ihr Ex offenbar ein Problem mit festen Bindungen hatte. Deshalb ist es ratsam, erstmal die Lage zu sondieren und abzuwarten, welche Charaktere sich am Gruppentisch herauskristallisieren, bevor man sich mit jemandem auf ein Packerl haut.
Was will ich eigentlich?
Alleine reisen kann also auch eine Praxislektion in Sachen eigene Bedürfnisse und Grenzen setzen sein. Selten war ich so mit der Frage konfrontiert, was ich eigentlich wirklich möchte, wie im Urlaub mit mir selbst. Dass diese Frage oft gar nicht so einfach zu beantworten ist, liegt vielleicht auch daran, dass man sie sich im Alltag viel zu selten stellt. Heftige Erkenntnis einerseits, großer Lerneffekt andererseits. Denn im Unterschied zum hektischen Alltag kommt man ihr im Urlaub nur schwer aus. Da hilft es – besonders für die weniger Entscheidungsfreudigen –, sich schon im Vorhinein eine kleine Liste anzulegen mit Dingen, die man in diesem Urlaub unbedingt machen möchte. Ja, ich spreche von einer To-Do-Liste, und ja, das gibt wahrscheinlich viel zu großen Aufschluss über meinen leicht neurotischen Charakter. Aber es muss ja kleine High-Performer-Liste sein, die einen schon vor Urlaubsantritt mit 15 Museen und 13 Wellness-Behandlungen in den Urlaubswahnsinn treibt. Da können – und sollten – auch Dinge stehen wie: lesen, Mittagsschläfchen halten, in der Sonne sitzen. Das klingt vielleicht zunächst etwas banal, aber wenn man dann vor Ort in einen Strudel aus rastloser Unentschlossenheit gerät, kann die Rückbesinnung auf so eine Liste durchaus helfen. Und nichts tun und ratlos an die Decke starren, ist natürlich auch immer noch eine Option – wann, wenn nicht im Urlaub?
Urlaubstagebuch
Alleine reisen hat viele Vorteile, so weit sind wir schon gekommen. Ein Nachteil ist allerdings, dass man im Nachhinein niemanden hat, mit dem*der man in gemeinsamen Urlaubserinnerungen schwelgen kann. “Weißt du noch, damals am Gemeinschaftstisch in Hintertupfing?” Nein, weiß ich nicht, Siglinde, ich war ja nicht dabei. Warum diese Erinnerungen also nicht mit sich selbst teilen? Oder in einem Wort: Urlaubstagebuch. So könnt ihr eure Solo-Abenteuer für die Nachwelt festhalten, euch Dinge und Erkenntnisse, denen man im Alleine-Urlaub kaum auskommt, von der Seele schreiben, und habt auch gleich ein Skript für eure ausufernden Nacherzählungen, mit denen ihr noch Wochen nach eurem Trip allen in den Ohren liegen könnt.
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