Der Imker vom Dach: Auf den Spuren der Wiener Bienen
Über Wiens Dächern summt es gewaltig: Denn auf den Dächern des Kunsthistorischen Museums und des Kunsthaus leben mehrere Bienenvölker. Wir haben Bio-Imker Thomas Zelenka dorthin begleitet und auch noch einen Abstecher auf die Donauinsel gewagt – den Bienen immer auf der Spur.
“Die Bienen heißen bei mir alle Mausi”, murmelt Bio-Imkermeister Thomas Zelenka in seinen Schutzanzug und grinst dabei verschmitzt. Bepackt mit Kamera und Notizbuch durften wir ihn einen Tag lang zu seinen Bienenstöcken begleiten. Das Besondere an den Bienenvölkern, die er betreut: Sie thronen über den Dächern Wiens.
Angefangen hat alles in Paris. Denn auf dem Dach der Pariser Oper wurden vor etlichen Jahren gewissermaßen aus Platzmangel und somit eigentlich als Notlösung Bienenstöcke auf das Dach verfrachtet. Dass die Bienen dort nicht minder fleißig waren als Bienen am Land, und dass es ihnen dort oben sogar besser ging als ihren Artgenossen, löste einen regelrechten Hype aus. Mittlerweile gibt es weltweit unzählige Bienenstöcke auf den Dächern der Städte und Imkermeister Thomas Zelenka betreut einige davon. Seinen ersten Bienenstock am Dach platzierte er 2014 auf dem Kunsthistorischen Museum Wien, es folgten weitere am Kunsthaus, auf der Uni Wien, auf der Almdudler Zentrale und noch vielen weiteren Standorten.
Über Babypopotücher und die Bienen-Lobby
Früh morgens starten wir vor dem Kunsthistorischen Museum Wien und schauen mit einiger Skepsis nach oben Richtung Dach. Da hinauf wollen wir? Und da oben sollen Bienen sein? Oben angekommen waren wir aber sofort überzeugt. Sowohl der Ausblick, als auch die Bienen – sie waren da. Zelenka schnappt sich sein Werkzeug und bereitet alles vor, damit wir auch einen Blick in die Bienenstöcke erhaschen können. “Das fotografierts ihr jetzt aber bitte nicht, das sind Babypopotücher”, lacht der Imker während er die Ausrüstung säubert. Den Zweck erfüllen sie aber und wir dürfen den Bienenstock öffnen. “Zuerst müssen wir mit dem Smoker Rauch in den Bienenstock blasen”, erklärt Thomas. Der Rauch imitiert einen Waldbrand und die Bienen schlagen sich alarmiert mit Honig den Bauch voll. Wie auch bei uns, wenn wir zu viel gegessen haben, werden die Bienen dann träge und weniger aggressiv, wenn wir einen Blick ins Innere des Bienenstocks werfen.
“Um diese Uhrzeit fliegen sie noch nicht so aus, da sind sie im Bienenstock schwer beschäftigt”, erklärt der Imker und zeigt uns das rege Treiben im Inneren. “Da drinnen muss es konstant 35 Grad haben, das ist Gesetz.” Unter den Voraussetzungen des heurigen Jahres keine leichte Aufgabe. Im Mai ungewöhnliche Kälte, da müssen die Bienen mit Muskelzuckungen Wärme erzeugen, im Juni Rekordhitze, wo sie mit ihren Flügeln wie Ventilatoren versuchen, den Stock zu kühlen. Der Klimawandel wirkt sich enorm auf die Bienen aus. “Aber zum Glück hat die Biene eine große Lobby und die Biene Maja kennen ja auch alle”, meint Zelenka. Getan ist es damit aber nicht! Denn das Insektensterben und die Verwendung von Pestiziden und Insektiziden bringt die Natur ordentlich aus dem Gleichgewicht.
Die Stadt ist ein Honigschlecken
Auch am viel begrünten Dach vom Kunsthaus Wien, unserem nächsten Halt, stehen zwei Bienenstöcke. Hier ist schon deutlich mehr los. “Naja, die Bienen brauchen fünf Millionen Blütenflüge für einen Kilo Honig”, verdeutlicht der Imkermeister und ermahnt, beim nächsten Frühstück den Honiglöffel vielleicht doch noch einmal abzuschlecken, bevor er in den Geschirrspüler kommt. Aber wo bekommen die Bienen in der Stadt eigentlich den Nektar her? Besonders gute Plätze für die Bienen befinden sich beispielsweise im Volksgarten, wo durch die ständige Bewässerung des Rosengartens ein regelrechtes Mikroklima herrscht. Dort finden die Bienen oft bis in den Oktober hinein Nektar. Aber auch die Alleebäume am Donaukanal, wie die Linde oder die Akazie, sind hervorragende Nektarspender. “In der Stadt ist es für die Bienen sogar besser, weil nicht so viele Pestizide und Insektizide verwendet werden, wie am Land”, erklärt Zelenka.
Wie wichtig Bienen eigentlich wirklich sind, geht im Hype um die kleinen Tierchen manchmal ein wenig unter. Als Beispiel nennt der Bio-Imker den Apfel: Dieser muss nicht nur einmal, sondern sogar zehn Mal bestäubt werden. Die Biene ist das einzige Insekt, dass blütentreu ist. Das heißt, wenn eine Biene einen Apfelbaum in Blüte erkennt und ihren Kolleginnen Bescheid gibt, dann bleiben diese Bienen dem Apfelbaum treu und bestäuben ihn und andere Apfelbäume wie wild. Andere Insekten machen das nicht und das macht die Bienen so wichtig. „Außerdem hilft das Bienengift erwiesen gegen viele Arten von Krebs”, ergänzt Thomas Zelenka. Man kann die Bienen nicht retten, indem man sie auf die Dächer der Stadt bringt, auch das weiß der Bio-Imker. Damit lässt sich auch die Landwirtschaft nicht retten, aber es ist ein Versuch, den Bienen in der Stadt ein gutes Leben zu ermöglichen.
Einmal Österreich in Bienen
Unser letzter Halt bringt uns auf die Donauinsel. Dort stehen gleich 50 Bienenstöcke, die Thomas Zelenka betreut. „Insgesamt habe ich neun Millionen Bienen – quasi einmal Österreich“, meint der Imker, „ich bin schon ein bissl ein Nerd.“ Dass der Beruf des Imkers eine jahrelange Ausbildung mit sich zieht, wissen die wenigsten. Es ist Zelenka jedoch wichtig zu erwähnen, dass Bienen immer noch Wild- und niemals Haustiere sind. Besonders wichtig ist nämlich auch die Beobachtung der Tiere. Welche Blüten fliegen sie an? Agieren sie aggressiv? Sind die Bienen krank? Das macht den Imkerei-Beruf sehr zeitaufwendig. Von etwa 30.000 Imker*innen in ganz Österreich machen das nur etwa 50 hauptberuflich, weil die Produktionskosten und der Arbeitsaufwand meist nicht rentabel sind.
„Honig kann man importieren, Bestäubung aber nicht“, antwortet der Bio-Imker auf die Frage, wie man ihn und die Bienen unterstützen kann. Wichtig ist es also, heimischen Bio-Honig zu kaufen. Auch Zelenka verkauft den Honig seiner Bienen im Online-Shop und in den jeweiligen Museums-Shops. Außerdem kann man bei ihm eine Bienen-Patenschaft arrangieren und am Ende der Ernte dafür zwölf Gläser Honig und ein gutes Gefühl einpacken. Wer zu Hause etwas tun möchte, sollte möglichst darauf achten, den Balkon oder die Terrasse mit bienenfreundlichen Blumen zu bepflanzen. Dazu eignen sich vor allem Lavendel und Hortensien.
Wie die Kühe auf der Weide
Hinter einem Glas Honig steckt also sehr viel Arbeit – auf Seiten der Imker*innen und natürlich auf Seiten der Bienen. „Wenn sie so fleißig arbeiten und ihre Waben befüllen und pflegen, da schauen sie für mich aus wie die Kühe auf der Weide“, sagt der Bio-Imker. Doch die harte Arbeit macht sich bezahlt: Die einzelnen Honig-Sorten schmecken außerordentlich gut, das können wir bezeugen. Direkt aus dem Bienenstock oder aus dem Glas gekostet, schmecken alle drei Honig-Sorten auf ihre Weise speziell. Das liegt vor allem an den verschiedenen Pflanzen, zu denen die Bienen an den jeweiligen Standorten Zugriff haben. Während der Honig vom Kunsthaus astreiner Blütenhonig ist, schmeckt der von der Donauinsel zum Beispiel wieder ganz anders, weil dort allerlei Kräuter wachsen.
Zelenka selbst isst am liebsten Waldhonig auf einer Scheibe Schwarzbrot und darunter ordentlich kalte Butter. Ein Glas Honig pro Jahr reicht ihm völlig. Er kann aber natürlich auch jederzeit direkt aus dem Bienenstock kosten. „So Mausis, und jetzt dürfts wieder weiter arbeiten“, flüstert der Imkermeister seinen Bienen noch zu und schließt den Bienenstock. Auf dass sie uns noch lange mit ihrem wunderbaren Honig bereichern.
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