Die sozialen Medien unserer Jugend
Es war einmal vor langer, langer Zeit, als wir noch erfundene Nicknames verwendeten und sie abwechselnd in Groß- und Kleinbuchstaben sChRiEbEn. Wir haben uns angesehen, auf welchen Plattformen wir uns vor Facebook, Instagram und Co. herumgetrieben haben.
Spricht man heute über „Social Media”, meint man damit meistens Facebook, Instagram, WhatsApp und Co. Alles eben, womit man sich online mit anderen connecten und ihnen willkürliche Details aus dem eigenen Privatleben unter die Nase reiben kann. Hier mal ein GIF, da mal ein Emoji, und wenn man Glück hat, bekommt man tatsächlich noch Textnachrichten in ganzen Sätzen. Vor über zehn Jahren sah das Ganze noch deutlich anders aus. Denn damals, als wir alle noch pubertierende 1000things-Babys waren, machten wir unsere ersten Schritte im ominösen World Wide Web.
MSN und ICQ
Wer behauptet, erst Plattformen wie Facebook oder Instagram haben unsere Kommunikation ins Internet verlagert, der hatte wohl nie einen Hotmail-Account. Denn auch wenn dadurch unsere erste E-Mail-Adressen irgendwie verrucht klangen, eröffneten sie uns den Zugang zu den Untiefen der MSN-Chats. Was für Teenies heute schon längst Standard ist, war für uns damals die absolute Neuheit: Nie wieder peinliche Festnetzanrufe, bei denen man natürlich nie direkt die Freundin erwischte, die man anrufen wollte, sondern immer bei ihren Eltern gelandet ist. Nie wieder die leidige Frei-SMS-Debatte führen. Endlich hatten wir einen Weg gefunden, auch dann zusammen zu sein, wenn wir gar nicht zusammen waren. Entweder über MSN oder über ICQ. Da wären wir wieder beim Abkürzungskauderwelsch unserer Jugendjahre, lol. Jedenfalls gab es die MSN-Kids und die ICQ-Kids – und wer sich die volle Chat-Dröhnung geben wollte, hatte sogar beides.
SchülerVZ
Die erste richtige Plattform, auf der wir unser virtuelles Unwesen trieben, die aber eher klang wie ein etwas verschnarchtes Projekt der Computer AG, war das Schülerverzeichnis, kurz: SchülerVZ, das kleine, verpickelte Geschwisterchen des StudiVZ. Hier lernten wir zum ersten Mal, was es bedeutet, sich online ein „Profil“ anzulegen und anderen unaufgefordert Details über die eigene Persönlichkeit in Form von Interessen, Hobbys und total tiefgründigen Zitaten mitzuteilen. Das kannten wir davor nur aus unseren Diddl-Freundschaftsbüchern. Wir legten uns also zum ersten Mal eine Online-Identität zu, stöberten Leute auf, die wir offline nie gewagt hätten anzusprechen, luden Fotos hoch und bildeten Gruppen-Diskussionsforen.
Myspace
Und dann kam Myspace. Wenn das SchülerVZ das Facebook der Nullerjahre war, war Myspace wahrscheinlich in etwa das damalige Instagram, nur zusätzlich noch gespickt mit erfundenen Nutzernamen in abwechselnden Klein- und GrOßBuChStAbEn. Und statt unzähliger Fotos von Bananenbrot oder Porridge, das fast so schön aussieht, dass man es attraktiv finden könnte, fand man auf Myspace eine Flut an schräg über dem Kopf fotografierten Selfies. Doch die Selbstdarstellung reichte um einiges weiter als bis zum nächsten schlecht ausgeleuchteten Schnappschuss. Einige Expertinnen und Experten fanden nämlich heraus, wie sie das Layout ihres Profils mit ominösen Codes verändern konnten und bastelten sich so ihre eigene, personalisierte Version.
Netlog
Parallel dazu gab es Netlog, den Solarium gebräunten, aufgepumpten Bruder von Myspace. Auch hier konnte man chatten, Gruppen gründen und – sagen wir es, wie es ist – stalken. Natürlich beschränkte sich unsere Online-Spionage auf die harmlose, strafrechtlich nicht relevante Teenie-Version. Was uns aber von Netlog besonders im Gedächtnis geblieben ist, ist die Bewertungsfunktion der Fotos von anderen. Gibt es auf Facebook und Instagram nur die Möglichkeit, ein Like abzugeben oder eben nicht, konnte man damals auf Netlog den anderen mit Punkten von eins bis zehn zeigen, was man von ihren Beiträgen hielt. Bei manchen lief das irgendwann auch in den Offline-Sprachgebrauch über: „Fix Zehner, oida.“ Was wohl so viel bedeuten sollte wie: große Anerkennung.
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Wir verraten euch außerdem, was Myspace mit der Emo-Szene zu tun hatte. Und wir haben ein paar Dinge für euch, die ihr sicher kennt, wenn ihr in Wien aufgewachsen seid.
(c) Beitragsbild | George Pagan III | Unsplash