Dinge, die du in Österreich lieber nicht sagen solltest – Teil 2
Sprache und Identität sind fest miteinander verbunden. Dennoch ist es immer wieder erstaunlich, wie sehr sich manche über bestimmte Begriffe oder Aussagen aufregen können. Eine Übersicht.
In der Vergangenheit haben wir mit unserem Artikel über das kleine Wörtchen lecker unverhofft eine riesige Debatte losgetreten. Die Kommentare stapelten sich unter dem Posting auf Facebook, unser selbstgebasteltes Meme zum Text hat es auf Meme-Seiten geschafft und sogar einige Sprachwissenschaftler*innen haben sich zusammengetan, um uns dafür zu rügen, dass wir in unserem Artikel die österreichische Standardsprache angeblich für tot erklären. Autsch. Das war natürlich weder unsere Absicht noch steht das an irgendeiner Stelle im Text. Uns ging es nicht um die österreichische Standardsprache generell, sondern lediglich darum, zu zeigen, warum einzelne Begriffe wie lecker so viel Grant hervorrufen. Also: Mission erfüllt.
Aber wir sind natürlich prinzipiell flexibel und immer offen für neue Sichtweisen. Also haben wir selbst mal ein bisschen Sprach-Parksheriff gespielt und unseren Artikel über Dinge, die man in Österreich nicht hören will mit einem zweiten Teil versehen. Wir haben also weitere Wörter und Phrasen ausfindig gemacht, die man in Österreich wohl lieber nicht sagen sollte, wenn man dem einen oder der anderen nicht das G’impfte aufgehen lassen will. Diesmal berufen wir uns weder auf Interviews noch auf Recherchen, dafür auf etwas, das man gemeinhin als Schmäh ausmacht. Übrigens auch so etwas typisch Österreichisches.
Lecker, Tüte, Brötchen und Co.
Dass es einige Begriffe aus dem Bundesdeutschen gibt, die in der Alpenrepublik seltsam überproportionalen Grant triggern, haben wir ja bereits in unserem Lecker-Text erläutert und die Hintergründe dafür aufgezeigt. Wenn man sich nicht auf irrationale Wutreden oder eine umfangreiche basislinguistische Debatte über Standardvarianten und einen historisch gewachsenen Minderwertigkeitskomplex der österreichischen Standardsprache gegenüber der bundesdeutschen einlassen will, sollte man manche Begriffe also lieber aussparen. Am besten, wir sprechen sie jetzt einmal gemeinsam kurz aus, dann haben wir’s hinter uns: Lecker (g’schmackig). Tüte (Sackerl). Brötchen (Semmel). Wiener (in Bezug auf den gefüllten Tierdarm, den man hierzulande als Frankfurter kennt). Puderzucker (Staubzucker). Blumenkohl (Karfiol). Quark (Topfen). Sahne (Schlagobers). Interessanter Weise hat fast jeder hier genannte Ausdruck non grata etwas mit Kulinarik zu tun.
Für mich bitte eine Weißweinschorle mit Mineralwasser!
Und mit der heimischen Kulinarik ist in Österreich tatsächlich nicht zu spaßen. Bestellt man in einem x-beliebigen Lokal von Bregenz bis nach Eisenstadt eine Weißweinschorle, muss man zumindest mit einem verächtlichen Schnauben rechnen. Dass ausgerechnet so etwas Simples wie Weißwein mit Sodawasser längst zum Nationalheiligtum hochgepoltert wurde, lassen wir jetzt einfach mal so stehen. Fest steht jedenfalls: Weißer G‘spritzter ist völlig in Ordnung, Spritzwein ist auch okay, Weißwein mit Soda aufgespritzt geht notfalls auch. Alles andere wird nicht toleriert. Oder ist sogar terminologisch falsch: Denn ein Weißer G’spritzter ist es nur dann, wenn man ihn mit Sodawasser auffüllt. Vermischt sich Rebensaft mit Mineralwasser, hat man es mit einer Mischung zu tun. Das hat uns der Posterboy des Spritzweins, Ex-Wienbürgermeister Michael Häupl höchstpersönlich erklärt.
Mein Wiener Schnitzel hätte ich bitte gerne vom Schwein.
Und da hüpfen wir auch schon von den Reben in die Traufe und mitten rein ins Frittierfettnäpfchen: Ein originales Wiener Schnitzel kommt vom Kalb. Punkt. Alles andere ist maximal ein Kinderschnitzel oder ein Stück Fleisch mit Panade – entschuldigung, Panier, da haben wir das nächste Streitwort. Verwechseln das kulinarisch Unfirme, hagelt es empörte Kritik. Es heißt zwar, im Leben ist nichts wirklich fix, aber diese Reaktion kommt so sicher wie das Amen im Gebet. Nur viel lauter und im Unterschied zur religiösen Praxis ziemlich sicher gefolgt von ein paar Kraftausdrücken. Wenn man dann auch noch mit erhobenem Zeigefinger eins draufsetzt und die längst überholte Schlaumeier-These ins Spiel bringt, dass das Wiener Schnitzel in seiner Zubereitungsart möglicherweise auf die Cotoletta alla milanese aus Italien zurückgeht, ist der Zeigefinger wahrscheinlich ziemlich schnell gebrochen. Autsch.
Giraffe, Schangse, Schina
Fast schon körperliche Schmerzen durchleiden viele Österreicher*innen übrigens nicht nur, wenn es um einzelne Begriffe geht, sondern auch, was die vermeintlich richtige oder falsche Aussprache mancher Wörter betrifft: Die Giraffe heißt in Österreich Schiraffe, China wird mit K eingeleitet und was zum Franz Grillparzer ist bitte eine Schangse oder ein Restaurang? Manchmal kommt es sogar schon allein auf die Betonung an: Kaffée bekommt ihr in Österreich ganz sicher, aber ob ihr auch Káffe bekommt? Sicher kann man lange und intensiv darüber streiten und etymologische, phonetische und historische Entwicklungen dafür verantwortlich machen. Aber darum soll es hier ja nicht gehen. Wir zeigen nur auf, was wir gemeinhin beobachtet haben.
Wenn du das letzte Türchen im Adventskalender öffnest, kommt der Weihnachtsmann.
Ihr dachtet, damit ist der verbale Spießrutenlauf schon komplett? Wir so:
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Auch aus scheinbar nebensächlichen Kleinigkeiten wie einem Fugen-S, das zwei Begriffe zu einem Kompositum zusammenschweißt, grinst uns die zahnluckerte Identitätsdebatte entgegen. In Österreich ist der Adventskalender nämlich höchstens eines: ein Adventkalender mit S-Störung. Sogar im Duden finden sich beide Varianten – leben und leben lassen. Das gilt, bis irgendjemand vor Weihnachten dann auch noch den Weihnachtsmann ins Spiel bringt. Den würde man am liebsten mit angespitzten Mistgabeln meuchelmorden. „In Österreich kommt das Christkind!“, hört man inbrünstig aus den unterschiedlichsten gesellschaftlichen Lagern. Auch jene, die das ganze Jahr über nichts mit Tradition und Religion am Hut haben, sind plötzlich fast schon persönlich beleidigt, wenn man dem blondgelockten Baby mit Hang zum Hausfriedensbruch nicht den nötigen Tribut zollt. Das kann man natürlich als ein Statement gegen die Marketing-Maschinerie verstehen, die hinter der Weihnachtsmannfigur, wie man sie heute landläufig kennt, steckt. Oder man klärt die erhitzten Gemüter mit großen Augen auf, dass weder der Weihnachtsmann noch das Christkind die Geschenke bringen. Ups. Tut uns leid, falls wir hier jemanden desillusioniert haben.
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Du
„Und wie war dein Wochenende so?“ „Oh, sind wir schon per Du?“ Gut, die Höflichkeitsform an sich ist natürlich nichts spezifisch Österreichisches, aber sie scheint hierzulande doch einen besonders hohen Stellenwert zu besitzen. Dass man Vorgesetzte siezt, ist klar. Auch ältere Menschen haben allein schon aufgrund der Tatsache, dass sie sichtbar länger auf dieser Erde ausgeharrt haben als man selbst, einen Anspruch auf verbale Respektsbekundung. Aber was, wenn der Altersunterschied nicht eindeutig auszumachen ist? Darüber haben wir uns ebenfalls bereits in einem eigenen Text Gedanken gemacht. Bei manchen Menschen kann man nämlich mit einem vorschnellen Du gewaltig einfahren. Und übergeht man dabei auch noch unabsichtlich ihre hart erworbenen akademischen Titel, wird der Professor-Doktor-Doktor ganz schnell zu Dr. Evil. Wenn uns doch schon die adeligen Von-und-zus abhanden gekommen sind, besteht man wenigstens auf diese Upgrades des Familiennamens, die mit ihm scheinbar untrennbar verschmolzen sind. Der Bologna-Prozess macht das Ganze nicht unbedingt einfacher. Wobei es manchen sicher gut gefallen würde, würde man sie mit Master So-und-so ansprechen.
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Der Ösi-Dialekt klingt immer so süß. Sag‘ mal was!
Das hört man oft, wenn es einen über die nördlichen Landesgrenzen hinaus verschlägt. Und ist ja eigentlich auch nett gemeint. Allerdings sind sich unsere deutschen Nachbarn oft nicht bewusst, welch großes Ausmaß an Grant sie damit auf sich ziehen. Wie auch körperlich etwas kürzer Geratene es gar nicht abkönnen, wenn man ihnen verbal den Kopf tätschelt, empfindet man es auch in der geographisch kleineren Nation alles andere als wertschätzend, wenn man verniedlicht wird wie ein unbeholfenes Meerschweinchen. Besonders, wenn man gerade in der Hauptstadt nicht unbedingt für Niedlichkeit, sondern eher für historisch kultivierten Grant bekannt ist. Aber dieses Verhältnis zwischen Deutschland und Österreich ist eines, das historisch und politisch weit zurückgeht und seine Wurzeln in einer Zeit hat, in der man Meerschweinchen wohl nur aus exotischen Reiseberichten kannte.
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Falco wird total überschätzt.
Auweh, das geht natürlich nicht. Egal, wie kritisch man Falcos Musik auch gegenüberstehen mag, in Österreich sollte man das lieber für sich behalten. „Er war ein Rockidol, er war so populär“, singt er in seinem wohl bekanntesten Song und könnte damit ebenso den Mythos prophezeit haben, den seine Person bis heute umgibt. „Muss ich denn sterben, um zu leben?“ Noch so eine prophetische Songzeile. Und tatsächlich: Auch wenn viele wahrscheinlich längst vergessen haben, wo ihre Urstrumpftante begraben liegt – wo der Hans Hölzel die Radieschen von unten beobachtet, wissen sie ziemlich sicher.
Ich komme übrigens aus Wien.
Und schon hat man bei vielen in den übrigen Bundesländern ausgespielt. Meistens kommen dann total kreative Frotzeleien wie die Frage, ob man sich eh bewusst ist, dass Kühe nicht wirklich lila sind und die Milch nicht aus dem Packerl kommt. Ein Basiswissen über Ursprung und Herkunft von Milch gilt für viele offenbar als ultimatives Symbol der Bodenständigkeit. Und das, obwohl die Tatsache, dass der Mensch so ziemlich das einzige uns bekannte Lebewesen ist, das auch als Erwachsene noch Muttermilch eines anderen Lebewesens schlürft, doch ziemlich eigentümlich anmutet. Aber wir schweifen ab. Jedenfalls ist man in vielen Teilen Österreichs gut damit beraten, die Wiener Herkunft nicht unbedingt an die große Kirchenglocke zu hängen, wenn man sich nicht in seltsam voreingenommenen Gesprächen dafür rechtfertigen will.
So Long, Farewell, Auf Wiederseh’n, Goodbye
Zum Abschluss noch ein kleines Österreich-Klischee, das wir vor allem den USA zu verdanken haben: Die Österreicher*innen hüpfen im Dirndl und in Lederhosen über sattgrüne Wiesen und trällern fröhlich vor sich hin. Danke, Sound of Music. Den Streifen hat nur hierzulande kaum jemand gesehen. Daher werden etwaige Filmallegorien, Zitate oder gar angeträllerte Musiknummern daraus nicht unbedingt als Botschaft des kulturellen Entgegenkommens gewertet, sondern stoßen wahrscheinlich maximal auf verwirrte Gesichter. Warum singst du mir vor, dass braune, in Schnüren verbundene Papierpakete zu deinen liebsten Dingen gehören? Hot’s di?
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Über einige verbale No-Gos haben wir uns bereits in einem vorangegangenen Artikel Gedanken gemacht. Und auch dem Wiener Dialekt haben wir schon mal genauer auf den Zahl gefühlt. Mehr Spannendes und Skurriles findet ihr in unserer Liste Kurioses Österreich. Seid ihr registriert, könnt ihr der Liste folgen und verpasst so keine Updates mehr.
Fb-Beitragsbild: (c) Dmitry Ulitin auf Unsplash