12 Dinge, die ihr nicht über das Burgenland wusstet
Wir haben in Österreichs östlichem Bundesland gestirdelt und allerhand spannende Fakten ausgegraben. Weil wir keine Fans von Eh-scho-Wissen sind, versorgen wir euch hier also mit Dingen, die ihr wahrscheinlich noch nicht übers Burgenland wusstet.
Ausgerechnet das einwohnermäßig kleinste Bundesland Österreichs mit der kleinsten Landeshauptstadt hat den größten Steppensee des Landes für sich gepachtet. Könnte vielleicht auch zusammenhängen, immerhin nimmt der Neusiedler See über 300 Quadratkilometer an Fläche ein, die sonst vielleicht von Einfamilienhäusern und Reihenhaussiedlungen bevölkert worden wären. Das alles hat euch bis jetzt sicher wenig überrascht. Aber das soll sich gleich ändern. Denn wir verraten euch ein paar Fakten über das Burgenland, die ihr wahrscheinlich noch nicht wusstet.
Land der Burgen?
Wir könnten jetzt über die Vielzahl von Burgen im Burgenland schwadronieren und würden damit nichts anderes als ein irreführendes Wortspiel bedienen. Nein, das Burgenland heißt nicht Burgenland, weil es das Bundesland mit den meisten Burgen ist. Das ist übrigens Niederösterreich. Nein, das Burgenland heißt Burgenland, weil Österreich nach dem Ersten Weltkrieg das Gebiet des heutigen Bundeslandes zugesprochen wurde, das damals Westungarn war mit seinen vier Komitaten: Wieselburg, Pressburg, Ödenburg und Eisenburg, weshalb man großspurig sogar den Namen “Vierburgenland” vorschlug.
Daraus wurde aber nichts, denn Pressburg, also Bratislava, ging erstmal an die damalige Tschechoslowakei. Es blieb also erst mal beim “Dreiburgenland”, das nur wenig später zum etwas bescheideneren “Burgenland” wurde. Die künftige Hauptstadt sollte Ödenburg, also Sopron, werden. Ganz so einfach gestaltete sich die Übernahme Westungarns aber nicht. Obwohl die deutschsprachigen Bewohner*innen des Gebietes sie durchaus befürwortet hätten, kam es seitens der ungarischen Bevölkerung zu schlagkräftigen Widerständen. Man einigte sich schließlich 1921 darauf, dass Westungarn zu Österreich kam, außer Sopron, das weiterhin ungarisch bleiben sollte.
Land der Heinzen
Im Gespräch war ursprünglich auch “Heinzenland” als Name für das Burgenland. Die Heinzen oder Hianzen waren die deutschsprachigen Bewohner*innen des Gebietes, die dort seit dem Mittelalter ansässig waren. Tatsächlich machten damals die Heinzen etwa 75 Prozent der Bevölkerung in den vier Komitaten aus. Daher ist es auch kaum verwunderlich, dass man den burgenländischen Dialekt auch Hianzisch nennt. Woher diese Bezeichnung wiederum kommt, ist ungewisst. Die einen meinen, sie geht auf “Heinz” als Gefolgsleute unterschiedlicher Heinrichte der Geschichte zurück, andere wiederum verorten sie als Spottbezeichnung, weil man im Hianzischen Dialekt für “jetzt” nicht “hiaz” sagte, sondern “hianz”.
- Lieblinge 2024
Friedensburg und Sadakos Kranich
Eine der Burgen des Burgenlandes müssen wir aber doch herausgreifen: Anders als die Namensgebung des Bundeslandes ist jene der Friedensburg Schlaining relativ geradlinig erklärbar, zumindest wenn man sich auf den ersten Teil bezieht. Sie heißt deshalb Friedensburg, weil in den frühen 80ern, also mitten im Kalten Krieg, ein Verein gegründet wurde, der den Dialog zwischen Ost und West fördern sollte – das Friedenszentrum auf der Burg Schlaining. Sie sollte als Ort der Begegnung und des Dialogs dienen. Schon ein Jahr später wurde der Verein zum Österreichischen Studienzentrum für Frieden und Konfliktlösung (ÖSFL).
Da passt es natürlich gut, dass einer der Kraniche von Sadako hier in der Burg aufbewahrt wird: Nachdem die USA am 6. August 1945 die japanische Stadt Hiroshima mit einer Atombombe in Schutt und Asche gelegt hatten, erkrankte das Mädchen einige Jahre später an Leukämie. In der Aussichtslosigkeit dieser Diagnose begann sie, 1.000 Papierkraniche zu falten, weil eine japanische Weisheit besagt, dass man, wenn man fertig ist, einen Wunsch frei hat. Der ging für sie leider nicht in Erfüllung, Sadako starb kurz vor ihrem 13. Geburtstag. Ihre Familie verteilte ihre Kraniche auf der ganzen Welt als Symbole des Friedens.
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Friedensburg Schlaining | Rochusplatz 1, 7461 Stadtschlaining
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DI–SO
Drei Musketiere in Landsee
Und noch eine Burg darf nicht unerwähnt bleiben, wenn es um skurrile Fakten über das Burgenland geht. Tatsächlich war das Bundesland bereits einige Male Schauplatz von internationalen Dreharbeiten. Die aber wohl bekanntesten waren jene zu dem Film “Die drei Musketiere” aus dem Jahr 1993, die sich vier Wochen lang auf der Burgruine Landsee abgespielt haben. Stars wie Charlie Sheen oder Kiefer Sutherland säbelten hier über das historische Gelände und gingen auch in so manchem heimischen Wirtshaus ein und aus.
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Burgruine Landsee | Landsee 15, 7341 Markt St. Martin
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Montag und Dienstag ist Ruhetag
Friedrichshof damals und heute
Ein Name, der leider deutlich düsterere Prominenz besitzt, ist Otto Muehl. Der gebürtige Burgenländer war zunächst einer der wichtigsten Vertreter des Wiener Aktionismus, gründete in den 70ern eine von den Lehren Wilhelm Reichs inspirierte Kommune, zunächst in der Praterstraße in Wien, dann zog man in den verfallenen Friedrichshof im Burgenland. Ex-Kommunard*innen erstatteten schließlich Anzeige, weshalb die Staatsanwaltschaft Ende der 80er gegen Muehl ermittelte. 1991 wurde er schließlich zu sieben Jahren Haft verurteilt wegen sexuellen Missbrauchs und Vergewaltigung von Kindern und Jugendlichen sowie Verstößen gegen das Suchtgiftgesetzt. Muehl selbst gab an, dass die sexuellen Handlungen den Regeln der Gruppe entsprachen und Kinder so einen frühzeitigen und bewussten Umgang mit ihrer Sexualität erlernen sollten. Eine Geisteshaltung, die in den 70ern und 80ern übrigens schockierender Weise weiter verbreitet war, als man glauben möchte. Ein wichtiges Zeitzeugen-Dokument ist etwa der Film “Meine kleine Familie”, in dem Paul-Julien Robert seine Kindheit in der Muehl-Kommune verarbeitet.
Den Friedrichshof gibt es heute immer noch. Heute birgt er ein inklusives Wohnkonzept mit ressourcenschonendem Ansatz, ein Hotel, ein Restaurant, eine Kunstsammlung und ein Sozialprojekt für psychisch kranke junge Erwachsene.
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Friedrichshof | Römerstraße 1, 2424 Zurndorf
Martin und die Gänse
Der Heilige Martin ist der Landespatron des Burgenlandes. Hier wedelt man am 11. November nicht einfach lieblos mit der selbstgebastelten Kindergarten-Laterne, nein, hier betreibt man Martiniloben. Das beinhaltet neben einer signifikanten Menge Wein eine noch signifikantere Menge an gebratenen Gänsen. Das Burgenland ist nämlich auch Gänseland, lebten hier doch vor gar nicht allzu langer Zeit mehr Gänse als Menschen: Anfang des 20. Jahrhunderts kamen etwa in Frauenkirchen auf 4.000 Menschen angeblich 20.000 Gänse. Wer jetzt einen Zusammenhang zwischen dem Heiligen Martin und den Gänsen wittert, der müsste so konsequent sein, den Burgenländer*innen generationenübergreifende Rachegelüste zu unterstellen, dafür, dass die Gänse Martin von Tours der Legende nach verraten und an den Klerus ausgeliefert haben sollen. Aber erstens dienten die Gänse ursprünglich weniger der Fleischgewinnung – stattdessen sollten sie regelmäßig Federn lassen, die als Daunen besonders nach Wien weiterverkauft wurden. Und zweitens liegt die Patronanz des Heiligen Martins wohl eher in der Nähe seiner Heimatstadt, dem heutigen Szombathely, in Ungarn an der österreichischen Grenze begründet.
Obwohl im Burgenland seit je her die Gänse schnatterten, drohten sie ab den 60er-Jahren fast zu verschwinden. Massentierhaltung und industrielle Gänsezucht bargen eine zu große Konkurrenz, und auch der steigende Straßenverkehr machte den freiwatschelnden Gänseherden, die sich früher zu Hunderten auf den Dorfplätzen und Weihern trafen, zu schaffen. Das “Projekt Weidegans” konnte die artgerechte Gänsehaltung erfolgreich revitalisieren, nicht nur im Burgenland, auch in anderen österreichischen Bundesländern.
Gänsestrich
Aber nicht nur das domestizierte Federvieh spielt in diesen Breiten eine tragende Rolle. Wer jetzt an die Störche denkt, die Jahr für Jahr in Rust ihren Nachwuchs ausbrüten, ist schon ganz dicht dran. Die Rede ist aber von Grau-, Saat- und Blässgänsen, die ab Mitte Oktober in Keilformation über den burgenländischen Himmel ziehen, wenn die Temperaturen im Norden Europas zu kalt werden, und sich auf dem und um den Neusiedler See niederlassen, bevor sie im Winter in wärmere Gefilde weiterflattern. Dieses Schauspiel nennt man Gänsestrich – ein Schelm, wer schelmisch denkt.
Tofu aus dem Seewinkel
Okay, Gänse und Burgenland, das Thema ist ziemlich aufgelegt. Deutlich unerwarteter ist allerdings die Tatsache, dass im Burgenland nicht nur Gänse schnattern und Störche brüten, sondern auch Tofu hergestellt wird. Biotofu aus dem Seewinkel, um genau zu sein. Die Manufaktur MANUFABA produziert handgemachten Tofu aus biozertifizierten Rohstoffen mit größtenteils selbst angebauten Zutaten.
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Manufaba | Josefistraße 83, 7132 Frauenkirchen
- Lieblinge 2024
Die letzten Blaudrucker
Eine deutlich längere Tradition als Tofu hat der Blaudruck im Burgenland. Wobei der Stoff strenggenommen nicht blau bedruckt, sondern mit pflanzlichem Indigo blau eingefärbt wird – gedruckt wird das typische weiße Muster. Früher waren solche Stoffe Bestandteile der Alltags- und Arbeitskleidung im Burgenland, heute gibt es nur mehr zwei Familien in Österreich, die dieses traditionelle Handwerk fortführen. Eine davon ist die Familie Koó im Mittelburgenland. Die Produkte könnt ihr im hauseigenen Online-Shop durchstöbern oder vor Ort vorbeischauen. Außerdem findet ihr die Koó-Stoffe zur Weihnachtszeit etwa am Adventmarkt am Karlsplatz in Wien.
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Blaudruck Koó | Neugasse 14, 7453 Steinberg-Dörfl
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Nach Vereinbarung
Interkulturelles Zentrum in Groswarasdorf
Die Burgenlandkroat*innen sind eine Volksgruppe, die während der Osmanenkriege aus Kroatien floh und im damaligen Westungarn, also heutigen Burgenland, angesiedelt wurden. Das Burgenlandkroatisch ist eine eigene Standardvariante des Kroatischen, im 18. Jahrhundert wurde sogar eine eigene burgenlandkroatische Schriftsprache entwickelt. Zu den prominentesten Vertreter*innen der Volksgruppe zählt heute sicher die Familie Resetarits. Der im Vorjahr auf tragische Weise verunglückte Willi Resetarits sprach in Interviews oft über seine Kindheit als zunächst burgenlandkroatischsprachiger Junge, er erst im Alter von dreieinhalb Jahren Deutsch zu sprechen begann, als seine Familie vom Südburgenland nach Wien übersiedelte. Auch das neueste Buch seines Bruders Lukas Resetarits trägt den Titel “Krowod”, also “Kroate”.
Die KUGA (Kulturna zadruga) in Großwarasdorf, eine Gemeinde, in der etwa 80 Prozent der Einwohner*innen der Volksgruppe der Burgenlandkroat*innen angehören und die als erste im Jahr 2000 zweisprachige Ortstafeln aufgestellt hat, versteht sich als interkulturelles Zentrum der Region und steht für kulturelle und sprachliche Vielfalt, für ein friedliches Zusammenleben mehrerer Volksgruppen. Laufend gehen hier spannende Programme wie Konzerte, Kabaretts oder Workshops über die Bühne.
Grasski-Hochburg Rettenbach
Keine Frage: Skifahren gilt in Österreich als Traditionssport. In ganz Österreich? Naja, das Burgenland kann nicht unbedingt mit spektakulärem Skizirkus protzen. Zumindest nicht im Winter. Aber Not macht ja bekanntlich erfinderisch. Sobald sich der Schnee verzogen hat, schwingt man sich in Rettenbach also beherzt die Grashänge bergab. Grasski heißt das Ganze, und nein, das ist kein verfrühter Aprilscherz. Erst voriges Jahr richtete man hier etwa den Grasski-Weltcup im Riesentorlauf und Super G aus. Was Kitzbühel für den alpinen Bereich ist, das ist Rettenbach für den Grasski-Bereich”, sagt Grasski-FIS-Renndirektor Hans-Peter Brandl bei einer Pressekonferenz 2014. Das wirft eine noch viel wichtigere Frage auf: Was ist die Rettenbacher Antwort auf Hansi Hinterseer?
Ganz tief unten
Wenn man sich fragt, wie tief man in Österreich sinken kann, muss man dafür nicht erst nach Ibiza fliegen. Wenn man es geografisch nimmt, reicht dafür ein Ausflug nach Apetlon im Burgenland. Denn hier, mitten auf einem Acker unmittelbar an der ungarischen Grenze, liegt der mit 114 Metern Seehöhe tiefste gemessene Punkt Österreichs. Wir selbst haben ihn im Sommer besucht und wären mit unserem Stadtflitzer fast daran vorbei gepoltert, hätte nicht jemand ein kleines Schild in die burgenländische Steppe gesteckt.
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