Michi mampft: Fine Dining im Diskokobel
Der Koch des Jahres 2024 und sein Team gastieren nicht alle Tage in Wien. Grund genug, das neue Pop-up-Restaurant vom Taubenkobel im Volksgarten zu testen. Ich verrate dir, was dich im Diskokobel erwartet, wie das Menü schmeckt und ob sich ein Besuch auszahlt.
Alle Jahre wieder steht das Christkind vor der Tür. Der Advent ist aber längst nicht das einzige Highlight, auf das ich mich jeden Dezember freue. Die Vorweihnachtszeit ist nämlich auch die Zeit des Jahres, in der Alain Weissgerber, Barbara Eselböck und ihr Vier-Hauben-Restaurant Taubenkobel aus Schützen am Gebirge im Burgenland für ein Pop-up der Extraklasse nach Wien übersiedeln.
Das Konzept hört heuer auf den Namen Diskokobel, was auch wunderbar passt, denn als Ort des Geschehens haben sich die Chefitäten den Volksgarten gesichert. „Diskothek und Club hatten wir bis jetzt noch nicht, das hat uns im Repertoire noch gefehlt“, sagt Barbara Eselböck.
Auf die Frage, ob das Pop-up mit dem Original im Burgenland mithalten kann, hat sie eine klare Antwort: „Wir kochen in Wien genauso wie im Burgenland, wir sind der Qualität verpflichtet. Im Pop-up muss man eher noch eines drauflegen, um die Leute anzuziehen. Würde man merken, dass es ‚nur‘ ein Pop-up ist, hätten wir keine Gäste.“ Da hat die Chefin wohl nicht ganz Unrecht, die Hütte sollte im Laufe des Abends (es ist ein Montag) noch relativ voll werden.
Fine-Dining im Volksgarten
Fine-Dining im Club – das klingt erst mal richtig spannend und lässt in meinem Kopf vorab allerhand coole Experimente in puncto Design und Ambiente zu. In der Praxis fällt die optische Aufmachung für meinen Geschmack leider etwas zu nüchtern aus. Rundherum alles Schwarz, hier und da ein paar Spotlights, da und dort eine Diskokugel, ein paar bunte Lichter sowie Kunstwerke an den Wänden. Hier hätte der Diskokobel definitiv noch mehr Glitzer und Funkel vertragen. Wenn schon Fine-Dining im Club, dann das Konzept auch so richtig ausreizen!
Aber gut, die Hauptattraktion findet ja schließlich am Teller statt. Da lässt das Team auch keine Zweifel offen. Nach dem Betreten steht man fast direkt vor der großen Showküche, in dem bereits sämtliche Köch*innen in der klassischen Montur hin und her wuseln. Wer neugierig ist, kann auch schon einen Blick auf die Käsestation oder aufs bunte Dessertbuffet werfen – aber dazu später mehr.
Showküche und Bar
Für einen Aperitif vorab führt mich das Serviceteam an die Bar, die gegenüber der Showküche aufgebaut wurde. Hier gibt’s eine kleine Auswahl an Weinen, Sprudel oder Cocktails sowie ein paar Snacks. Wer Diskokobel-Vibes schnuppern will, aber nicht gleich das volle Fine-Dining-Programm durchziehen möchte, kann hier übrigens jederzeit vorbeikommen – auch ohne Reservierung.
Nach einem Glaserl Wein informiere ich den Barkeeper, dass sich der Hunger meldet. Er gibt dem Serviceteam ein Zeichen und schon werde ich zum Tisch geleitet. Plätze befinden sich links und rechts neben der Bar, sind auf einer Art Bühne platziert, wodurch ich mich fühle, als würde ich über Bar und Boden schweben. Das Ganze hat Vor- und Nachteile: Wenn das Serviceteam zügiger über die Verbauung huscht, wackelt mein Sessel gleich mit. Dafür hat man von nahezu allen Plätzen einen Blick direkt in die Küche. Auch fein!
Brot und Butter zum Dahinschmelzen
Von dort kommt als Appetitanreger Schinken-Käse-Toast mit Cheddar und Jalapenos, dazu gibt’s Erdäpfel, ummantelt von essbarem Ton und einen Trüffeldip. Nichts Weltbewegendes, aber macht definitiv Lust auf mehr, was ja auch Sinn und Zweck ist. Dieses Mehr hat es auch ordentlich in sich.
Als Vorspeise bringt das Team noch warmes Sauerteigbrot, das zur Abwechslung mal nicht von Öfferl oder Joseph Brot kommt, sondern hausgemacht ist. Das schmeckt nackig schon richtig gut, die Kruste hat es in sich. Getoppt mit der gesalzenen Bauernbutter aus der Normandie ergibt das eine wunderbar harmonische Kombination.
Danach geht’s ans Eingemachte: Die Forelle mit Apfel und Glücksklee schwimmt in einer spannenden Fusion aus Petersilöl und Buttermilch. Definitiv eine Kombination mit Potenzial, mir fehlt hier nur etwas der Wow-Effekt. Etwas Säure, Schärfe oder mehr Mut zur Würze hätte dem Gerichte gutgetan.
Wie aufs Kommando kommt die erste kleine Geschmacksexplosion dafür mit dem nächsten Gang: Die Rote Rübe und die Gänseleber könnten mein neues, kulinarisches Lieblingsduett für den Herbst werden. Echt beeindrucken, was der Chef vor allem aus dem Rote-Rüben-Saft so alles rausholt.
Grünkohl-Galore
Die darauf folgende Jakobsmuschel mit Senfkaviarschaum und Zitrus lässt die Umami-Glocken erklingen. Die Physalis bringt eine leicht süße Note ein, was für kurzfristige Partystimmung am Gaumen sorgt. Eine starke Kombination, auch hier hätte ich mir aber etwas mehr Mut zur Geschmacksintensität gewünscht.
Danach kommt ein Highlight des Abends: Grünkohl in nahezu sämtlichen Aggregatzuständen. Blätter als Deko, Stücke, Espuma, confiertes Ei und Petersilie werden in der Schüssel zu allerbesten Freunden. Wäre es noch eine Spur dunkler im Raum, hätte mich nichts davon abgehalten, die Schüssel von oben bis unten auszuschlecken.
Den vorläufigen Abschluss leitet das in der Salzgrotte gereifte Kalbfleisch ein, das sowohl von einer Haselnusscreme als auch von einem Kräuterseitling begleitet wird. Der Clou: Der Kräuterseitling ist gefüllt und erinnert fast schon etwas an einen Krapfen. Gut gedacht, solide umgesetzt.
Dessertbuffet und süße Überraschung
Warum spreche ich von einem vorläufigen Abschluss? Weil sich hoffentlich alle noch erinnern, dass zu Beginn des Artikels die Rede von einem Dessertbuffet war. Genau, da muss ich natürlich auch noch hin! Dort hat man die Qual der Wahl und kann nach Lust und Laune Kuchen, Torten, Eclairs, Kekse und Co. auswählen.
Mein unangefochtenes Highlight, das ich auch dir empfehle, war die Erdnussschnitte. Selten so gut genascht! Last but not least kommt zum Schluss noch ein süßes Highlight auf dich zu. Diese Überraschung möchte ich dir aber nicht verderben, ich sage dazu nur: Sie passt wie die Faust aufs Auge!
Michis Fazit
Fine Dining im Club – die Prämisse klingt nach dem siebten Himmel für Kulinarik-Fans. In der Praxis hätte der Diskokobel noch mehr Disco-Vibes vertragen. Mehr Gefunkel und Geglitzer ist vielleicht nicht jedermanns Sache, hätte aber definitiv für einen größeren Wow-Faktor und langlebigere Erinnerungen gesorgt. Von störenden Kleinigkeiten, wie der Tatsache, dass man die Toilette nur über einen Abstecher in die Kälte erreicht, spreche ich erst gar nicht. Das ist der Location geschuldet, die dennoch eine spannende Wahl war.
Am Teller zeigt das Taubenkobel-Team, was es so drauf hat. Das ist regionale, saisonal-inspirierte Küche mit französischem Einschlag. Ich lehne mich mal ganz weit aus dem Fenster und behaupte, dass Fans von klassischerer Küche bestimmt voll auf ihre Kosten kommen werden.
Für meinen Geschmack hat hier und da das gewisse Etwas, das Tüpfelchen auf dem eh schon richtig guten I gefehlt. Und ja, so kritisch darf und muss man bei dem Preis sein. Denn 215 Euro für ein Menü (ohne überhaupt erst einen Tropfen getrunken zu haben) sind richtig viel Geld, eh klar. Auch, wenn mit Alain Weissgerber, Gault-Millau-Koch des Jahres 2024, einer der Besten seines Fachs in ganz Österreich aufkocht.
Ob ein Besuch in einem Restaurant das Geld auch tatsächlich wert ist, muss am Ende des Tages natürlich jede*r für sich selbst entscheiden. Vielleicht überzeugt der inkludierte Eintritt in den Voga schlussendlich?
Die wichtigsten Infos:
- 8.11. – 22.12.2024
- Fine-Dining vom Taubenkobel im Volksgarten, 1010
- Menüpreise: 215 bzw. 178 €
- Reservierung online