Ein Sommertag mit Max, Kletter-Instruktor im Feriencamp Marswiese
Während im Sommer viele von uns auf Urlaub sind, in Strandbars kühle Cocktails schlürfen oder im klimatisierten Büro sitzen, arbeiten andere im Hintergrund, um uns einen schönen Sommer zu bereiten. Wir haben den Kletter-Instruktor Max begleitet, der im Sommercamp Marswiese Kinder in Kletterkursen betreut.
Acht Kinder laufen am dicken Mattenboden vor einer bunten Boulderwand chaotisch hin und her und versuchen, sich einen Ball zuzupassen. Vier Pässe sind ein Punkt für ein Team, aber das mit dem Zählen ist gar nicht so einfach. “Max, das waren schon vier, haben wir einen Punkt?”, fragt ein Mädchen. “Nein, der Ball ist runtergefallen, das zählt dann nicht”, entgegnet ein Junge. “Max, wie geht das Spiel?”, fragt ein weiteres Kind.
Max, 22, ist Sportstudent und staatlich geprüfter Kletter-Instruktor in Wien. Er leitet diese Woche den Kletterkurs des Feriencamps im Sportzentrum Marswiese. Sieben Mädchen und ein Bub zwischen elf und 13 Jahren beanspruchen eine Woche lang jeden Nachmittag seine ganze Aufmerksamkeit. “Nach der Mittagspause haben die Kinder sehr viel Energie, da ist es für mich am anstrengendsten. Später wird es ruhiger – das ist auch vollkommen okay, die Kinder machen hier sechs Stunden Sport am Tag”, sagt Max.
Mentale Herausforderung
Wie viel Energie sie haben und vor allem, wie aufmerksam Max den ganzen Nachmittag sein muss, zeigt sich auch beim Klettern. Nach den Aufwärmspielen geht es an der neun Meter hohen Wand in Zweierteams los: Während jeweils ein Kind sichert, klettert ein zweites die bunten Griffe der Kletterwand hinauf. “Max, ist das richtig so?”, “Max, wann gehen wir zur höheren Kletterwand?”, “Max, ich hab Hunger!” – aus acht verschiedenen Richtungen hört man die Fragen und Wünsche. Gleichzeitig muss Max als alleiniger Übungsleiter mit den Augen überall sein. Eine ruhige Minute hat er anfangs kaum – es gibt immer irgendwo ein Seil zu sichern oder einen Gurt zu befestigen.
“Die mentale Anstrengung ist definitiv die größte Herausforderung der Kletterkurse”, sagt Max, während er die Zweierteams im Auge behält. “Klettern ist und bleibt ein Risikosport, im schlimmsten Fall besteht bei Unfällen Todesgefahr.” Deshalb legt Max in seinen Kursen auch viel Wert auf Techniktraining und natürlich das richtige Sichern. “Ich hatte auch schon Kurse mit 13 Kindern, ich bin Einzelbetreuer und kann nicht gleichzeitig bei allen sein.”
Sommerurlaub? “Das wird schwierig”
Nach eineinhalb Stunden – also Halbzeit vom Kletterkurs – wird es ruhiger in der Halle. Ein Mädchen läuft zum Automaten und holt sich Reiswaffeln, zwei Kinder sitzen am Boden und machen Pause. Jetzt kann auch Max einmal durchatmen. “Für mich ist am wichtigsten, dass die Kinder im Camp Spaß und eine schöne Zeit haben. Da ist es auch okay, dass die Konzentration einmal nachlässt und die Kinder ein bisschen spielen. Es ist ja ein Sommercamp und nicht Leistungssport.” Die Gruppen seien oft inhomogen, das macht die Sache noch einmal schwieriger. Manche Teilnehmer*innen hätten schon recht viel Klettererfahrung, andere gar keine. “Da kann es schon manchmal etwas chaotisch werden”, sagt der Instruktor.
Pausen hat der 22-Jährige nicht nur im Kurs wenige, auch im Sommer stehen alle Zeichen auf Arbeit: “Sommerurlaub? Das wird dieses Jahr schwierig”, sagt Max und grinst. Nach den Lockdowns haben manche Kletter-Trainer*innen den Arbeitsplatz gewechselt, Max betreut daher gleich mehrere Wochen die Sommer-Kletterkurse. “Ich bin nächste Woche auf Trainingslager, danach betreue ich wieder das Sommercamp.” Ein Urlaub geht sich für Max dann wohl erst im September aus – wenn die Feriencamps zu Ende sind und die Uni noch nicht angefangen hat.
Von der Schulbank auf die Kletterwand
Max arbeitet nämlich nicht vollzeit als Kletter-Instruktor, sondern studiert auch Sport und Geschichte auf Lehramt. Seine Ausbildung hat er direkt nach der Matura begonnen – also, wortwörtlich: “Meine mündliche Matura war an einem Mittwoch um 9 Uhr. Ich weiß noch, dass dann gleich um 10 Uhr meine Ausbildung zum Übungsleiter angefangen hat. In dem Moment war das ur zach, weil ich natürlich feiern wollte. Im Großen und Ganzen war es aber cool, weil ich direkt im Sommer zu arbeiten anfangen konnte.”
Die Ruhe im Sturm
Mittlerweile arbeitet Max seit über vier Jahren im Klettersport, seine Ausbildung zum Instruktor hat er vor zwei Jahren abgeschlossen. Die Erfahrung kommt ihm auch im Feriencamp zugute. Mit dem klischeehaften Sportlehrer, der bei jedem Ungehorsam zur Trillerpfeife greift, hat der 22-Jährige nichts gemeinsam. “Als Trainer braucht man schon Nerven und Geduld, aber auch Leidenschaft am Arbeiten mit Kindern, sonst ist man hier falsch. Mir ist wichtig, den Kindern zu vertrauen und auf gleicher Augenhöhe mit ihnen zu reden,” sagt er.
Max’ ruhige, aber bestimmte Art zeigt sich auch, als ein Junge am Boden sitzt, während er seine Kollegin sichert. “Das schaut aber nicht so leiwand aus bei euch”, sagt der Sportstudent. Der Junge steht auf und Max erklärt ihm noch einmal, worauf es beim Sichern ankommt und warum man dabei nicht am Boden sitzen darf. “Es macht keinen Sinn, bei jedem Fehler gleich auszuflippen”, sagt er – vom Ausflippen ist er tatsächlich meilenweit entfernt, auch nach zwei Stunden Kletter-Camp.
Nach einem kurzen Motivationseinbruch gibt es zum Abschluss noch einen Höhepunkt für die Kinder: Die 16 Meter hohe Kletterwand im Nebenraum ist frei. Sie sammeln noch einmal ihre Kräfte, um die Wand zu erklimmen. “Max, ich bin ganz oben!” Langsam trudeln dann auch schon die ersten Eltern ein, um ihre Kids abzuholen – und vorher noch ausgiebig zu fotografieren. Zum Schluss muss Max nochmal den Überblick bewahren: Er sammelt Gurte und Schuhe von den Kindern ein, die für heute genug geklettert sind, behält ein Auge auf die wenigen, die noch klettern und hakt diejenigen von der Liste ab, die abgeholt wurden. Wenn alles aufgesammelt und alle abgeholt wurden, ist auch für Max der Kletterkurs zu Ende.
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