Kampf der Klimakrise: Ein Stadtspaziergang durch das grüne Wien
Dass sich das Klima radikal verändert, liegt auf der Hand. Immer öfter werden wir mit Hitzewellen, Überflutungen und anderen Naturkatastrophen konfrontiert. Es wird also höchste Zeit, etwas zu unternehmen. Deshalb nehmen wir dich mit auf einen Stadtspaziergang durch das grüne und urbane Wien und stellen dir Möglichkeiten vor, wie man der Klimakrise in der Großstadt den Kampf ansagen kann.
“Die Klimakrise ist das dringlichste Problem unserer Zeit. Uns geht es darum, nicht nur Katastrophen abzuhalten, sondern gleichzeitig durch diese Bemühungen auch etwas Schönes zu gestalten.” Katharina Rogenhofer und Florian Schlederer sind beide in der Klimabewegung aktiv und haben sich bei Fridays for Future und mit dem Klimavolksbegehren maßgeblich an der Bekämpfung der Klimakrise beteiligt.
Uns haben die beiden auf einen grünen Stadtspaziergang durch Wien mitgenommen. Dabei haben sie uns an Orte in der Stadt geführt, die veranschaulichen, wie man auch mitten in der Großstadt Initiativen für Abkühlung schaffen kann. Was es sonst noch alles braucht, um die Klimakrise abzuwenden, warum Städte in Zukunft anders gestaltet werden müssen und wie sie gleichzeitig auch lebenswerter werden, kannst du in ihrem neuen Buch Ändert sich nichts, ändert sich alles nachlesen.
In welcher Reihenfolge du die Stationen abwanderst, oder ob du nur bei einer oder zwei vorbeischaust, ist natürlich ganz dir überlassen. Egal, wo du hingehst: Wir haben ein paar wissenswerte Fakten für sämtliche Stationen für dich zusammengesucht, die gleichzeitig veranschaulichen, wie wichtig jede einzelne für unsere Lieblingsstadt ist und in Zukunft sein wird.
Wienfluss
Erster Halt ist der Wienfluss, der von Weitem nicht unbedingt als recht idyllisches Naturgebiet daherkommen mag. Dennoch versteckt sich hier so Einiges – vor allem, wenn man sich mit Ausgangspunkt U-Bahn-Station Hütteldorf ein paar Minuten zu Fuß oder mit dem Rad stadtauswärts bewegt. Dort findest du nämlich den Teil des Gewässers, der in den Jahren 2013 und 2014 renaturiert wurde. Soll heißen: Hier wird die Stadt Wien in erster Linie dadurch tätig, in dem sie nichts tut. Besser gesagt wirklich nur die nötigsten Arbeiten vollzieht und der Natur ansonsten völlig freien Lauf lässt.
Recht schnell erwartet dich hier eine verwilderte Umgebung mit jeder Menge Bäumen, Büschen und Wiesen. Auch Flora und Fauna fühlen sich hier richtig wohl: Bei unserem Kurzbesuch stolziert uns ein Reiher über den Weg. Außerdem finden wir jede Menge Insekten und Vögel, die für ein funktionierendes Ökosystem sorgen. Aber auch Menschen lassen sich im Sommer gerne hier nieder, immerhin ist Wasser ein willkommener Kühlespender. Auch dann, wenn es so wie im Falle des Wienflusses nur eine durchschnittliche Tiefe von 20 Zentimeter hat.
Leider verlaufen in der Stadt aber sehr viele Gewässer unterirdisch, obwohl oberirdische sowohl der Lebensqualität als auch der Artenvielfalt in der Stadt sehr gut tun würden. Ganz zu schweigen von der Tatsache, dass wir so unsere eigene, kleine, natürliche Klimaanlage mitten in Wien hätten.
Lainzer Tiergarten
Weiter geht’s in den Lainzer Tiergarten, dessen Eingang Nikolaitor quasi gleich ums Eck liegt. Als urbaner Wald hat er eine unheimlich wichtige Rolle für die ganze Stadt. Als Teil des Biosphärenparks Wienerwald ist er Teil der grünen Lunge Wiens. Maßgeblich dafür verantwortlich ist der Baumbestand. Du läufst hier auch einigen der ältesten Buchen und Eichen im Wienerwald vorbei. Bei diesen massiven Bäumen kann es schon mal passieren, dass plötzlich ein Gewächs mit einem Stammdurchmesser von bis zu vier Metern vor dir steht. Der große Vorteil: Die Bäume filtern das Treibhausgas CO2, also Kohlendioxid, aus der Luft, erzeugen Sauerstoff und kühlen gleichzeitig den urbanen Raum spürbar ab.
Als öffentliches Naturschutzgebiet finden hier auch jede Menge heimische Tierarten ihr Zuhause. Von Rot- und Damhirschen, Rehen, Mufflons bis zu Wildschweinen – verschiedenste Lebewesen fühlen sich in den dichten Wäldern unheimlich wohl. Und hast du gewusst, dass außerdem eine große Vielfalt an Fledermäusen nachgewiesen wurde? Du siehst: Der Lainzer Tiergarten ist das ideale Naherholungsgebiet für alle Wiener*innen, das nicht nur für unser Klima, sondern auch für viele Tiere unheimlich wichtig ist.
MA48
Grün, so weit das Auge reicht. Und das, obwohl wir gerade mitten im 5. Bezirk stehen. Aber nicht einfach irgendwo, sondern direkt vor der Fassade der MA48. Denn auch mitten in der Stadt gibt es kreative Möglichkeiten, um das Klima positiv zu beeinflussen und die Hitze im Hochsommer um einiges erträglicher zu machen. Nämlich in Form von Fassadenbegrünung, die die MA48 bei ihrer Niederlassung in der Einsiedlergasse seit 2011 erfolgreich umsetzt.
Auf der 850 Quadratmeter großen Fassade wurden nämlich nicht weniger als 17.000 Pflanzen am Gebäude angesiedelt. Die sorgen dafür, dass die Oberfläche des Hauses gleich mal um bis zu 15 Grad kühler ist als die ihrer Nachbarn. Und das zahlt sich richtig aus. Immerhin entspricht das der Kühlung von vier 100-jährigen Buchen oder dem Äquivalent von 79 Klimageräten.
Die positiven Auswirkungen auf die Temperatur sind aber nur eine gute Sache an dem Projekt. Die Pflanzen wirken sich ebenso positiv auf die Luftqualität in der Gegend aus und reduzieren den Schall um bis zu 10 Dezibel. Ganz nebenbei haben so auch kleine Vogelarten, Bienen und andere nützliche Lebewesen ein neues Zuhause gefunden. Ein zusätzlicher positiver Nebeneffekt: Weil die Pflanzen Wasser zurückhalten, wird auch die Kanalisation bei starkem Regen entlastet.
Sommerspritzer beim Urban-Loritz-Platz
Jetzt wird’s richtig urban. Was aber nicht heißt, dass man nicht auch an stark betonierten Plätzen etwas für das Klima und für die Entlastung der Menschen bei großer Hitze tun kann. So zum Beispiel am Urban-Loritz-Platz im 7. Bezirk, gleich gegenüber der U6-Station Burggasse-Stadthalle. Hier findest du – genau so wie an vielen anderen Standorten in der ganzen Stadt – Nebelduschen, die Sprühregen verteilen und den Aufenthalt im Freien bei Temperaturen über 30 Grad um einiges angenehmer gestalten. Auch praktisch sind die coolen Stelen und mobilen Trinkbrunnen in Wien.
Noch effektiver ist es, wenn diese Abkühlstationen wie eben am Urban-Loritz-Platz auch gleich noch mit einer kleinen aber feinen Grünoase kombiniert werden, da Pflanzen für zusätzliche Abkühlung sorgen. Aber: Diese Projekte ersetzen bei Weitem keine langfristige und großflächige Begrünung, sind zumindest aber gute Ansätze, um an dicht besiedelten und versiegelten Orten (davon gibt es in Österreich leider jede Menge) für zumindest etwas Entspannung zu sorgen. Noch besser: Den Boden entsiegeln, atmen lassen und nachhaltig begrünen.
Und noch ein gruseliger Fact zum Nachdenken: Zwischen 1960 und 1990 gab es zehn solcher Hitzetage pro Jahr, 2020 waren es 21.
City Farm Augarten
Nicht nur Wasser, sondern auch Pflanzen sind eine super Gelegenheit, um im Hochsommer für dringend notwendige Abkühlung zu sorgen. Noch schöner wird das Ganze, wenn man als Hobby-Botaniker*in gleich noch selbst dazu beitragen und Hand anlegen kann. So zum Beispiel bei den Gemeinschaftsgärten und beim Urban Gardening in der City Farm Augarten im 2. Bezirk.
Hier kannst du nicht nur selbst durch Begrünung und Bepflanzung für Abkühlung sorgen, sondern alles auch optisch ganz nach deinen Vorstellungen gestalten und dich außerdem mit Gleichgesinnten austauschen, Awareness für die Klimaproblematik schaffen und im Idealfall gleich noch ein paar Freundschaften schließen. So sorgst du nicht nur für physische, sondern gleichzeitig auch für psychische Entlastung bei dir und deinen Mitmenschen.
Auch ganz wichtig: Solche Gemeinschaftsgärten sind nicht nur für die von Vorteil, die gerne selbst garteln. Weil die Flächen nicht zubetoniert sind, unterstützen sie auch die ganze Stadt sowohl in punkto Abkühlung als auch bei der Wasserregulierung. Denn die Erde nimmt das Regenwasser auf und entlastet so die Kanalisation in der Stadt. Eine klassische Win-Win-Situation, die sich auch für die Anrainer*innen richtig auszahlt.
Gartencafé
Alle, die bis jetzt durchgehalten haben, dürfen zur Belohnung in ein Lokal einkehren. Noch dazu in eines, das es in Sachen Begrünung so ziemlich auf die Spitze getrieben hat – im positiven Sinn! Denn im Gastgarten im Gartencafé ist der Name Programm. Hier sitzt du tatsächlich in der Wiese, im Garten und unter schattigen Plätzen unter Bäumen.
Und das zahlt sich auch wirklich aus: Im Schatten unter Bäumen wird es nämlich um bis zu fünf Grad kühler als im Schatten von Betongebäuden. Und wenn dann auch noch für eine bunte Diversität an Pflanzen und Kräutern gesorgt wird, freuen sich nicht nur die Lokalgäste, sondern auch die heimischen Bestäuber und andere Kleintiere.
Viele weitere Empfehlungen zum Thema Nachhaltigkeit findest du in unserer Liste Nachhaltiges Wien. Bist du registriert und angemeldet, kannst du der Liste folgen und verpasst keine Updates mehr. Bei unseren To Dos findest du noch mehr Tipps für Unternehmungen in unserer Lieblingsstadt.