- Gesellschaft
- Anzeige
Zwischen Nutztierhaltung und Nachhaltigkeit: Ein Tag auf einem österreichischen Bio-Bauernhof
Wie sieht nachhaltiges Leben mit Tieren am Hof aus? Für unser Format „Ehrlich g’sagt“ sind wir im Rahmen der AMA Bio-Aktionstage auf einen Bio-Bauernhof in der Steiermark gefahren und haben mit den Landwirt*innen über ihren Alltag gesprochen.
Erst einmal verfahren wir uns. Ich steige aus und versuche über das Gebell des beeindruckend großen Wachhunds hinweg den Grundbesitzer nach dem Weg zu fragen. „Ihr müssts üban Mugl.“ Er deutet in die weite Landschaft. Der Hund und er haben den gleichen Dialekt. Ein gutes Zeichen dafür, dass wir zumindest im richtigen Bundesland sind.
Unser erster Eindruck: Richtig schön ist es hier und die Luft so klar, dass unsere städtischen Lungen erst einmal tief die Landschaft inhalieren. Im Rahmen der AMA Bio-Aktionstage können wir die City hinter uns lassen und uns einen Tag lang auf einem Bio-Bauernhof umsehen. Kai und Desiree empfangen uns herzlich, stellen uns eine Karaffe mit Limonade bereit und beginnen, von ihrem Leben am Hof zu erzählen. 4.800 Fleischhenderln halten sie im Schnitt, 23 Schafe für den Eigenbedarf, drei Katzen sowie Frieda und Rosi, zwei Kune-Kune-Schweine, die so etwas wie die gefleckten, wohlbeleibten Haustiere der Familie sind. Nebenbei vermieten sie Ferienwohnungen, erledigen Forstarbeiten in ihrem Waldstück und kümmern sich um ihre beiden Kinder. Während sie erzählen, fragen wir uns, wo sich all die Minions verstecken, die ihnen heimlich bei der Arbeit helfen.
Zwischen Land und Wirtschaft
„Es sind eigentlich nur wir beide. Die Schwiegereltern, besonders mein Papa, helfen aber gerne und viel mit und es ist immer Verlass auf sie“, erzählt Kai, der seine Liebe zum Landleben als Natur- und Wildnistrainer entdeckte. „Es gibt nicht wirklich einen Alltag. Wir machen, was anfällt, und wenn es regnet oder hagelt, finden wir auch noch genug zu tun. Uns geht die Arbeit hier bestimmt nicht aus.“ Glauben wir den beiden aufs Wort. Eines wird uns schnell klar, wenn sie über ihr Leben am Hof erzählen: Jeder Betrieb ist anders. Kai und Desiree haben sich auf eine Bewirtschaftung geeinigt, die für sie das Optimum aus Tierwohl und Wirtschaftlichkeit bietet. Das handhabt jede*r unterschiedlich: Welche Tiere man hält, welchen Auflagen diese Haltungen unterlegen sind, welche Aufgaben wer übernimmt und wieviele helfende Hände am Betrieb tätig sind, entscheidet maßgeblich über das daily business. Jeder Flecken Natur hat dabei seine eigenen Herausforderungen, Schädlinge, Regenfälle, Sonnenstunden und Bio-Rhythmen.
Kai und Desiree ist es wichtig, es langsam anzugehen, zu schauen, was mit der Natur und ihrem Leben vereinbar ist, und Kompromisse bewusst zu schließen, immer mit beiden Augen auf das Tierwohl schauend. Das merkt man: Als wir später durch den Hof gehen, rennen Kai die Schafe schon von weitem entgegen, und die beiden Schweinderln holen sich eine ausgiebige Krauleinheit ab. Mit 50 Hektar hat der Betrieb österreichische Durchschnittsgröße. Der Fokus liegt dabei auf Mastgeflügel. Wer die Erzeugnisse im Supermarkt kauft, findet das AMA-Biosiegel auf den Waren, das für abgesicherte Herkunft steht und über die gesetzlichen Anforderungen der EU-Bio-Verordnung hinausgeht. Einmal im Jahr wird im Rahmen der gesetzlichen Bio-Kontrolle geprüft, ob die Standards auch eingehalten werden. Dazu meint Kai:
Der Hof war bis zum Jahr 2000 ein reiner Milchwirtschaftsbetrieb, welcher danach auf Mutterkuhhaltung umgestellt wurde. In diesem Zusammenhang wurde der zuvor konventionell betriebene Hof zu einem Biohof umgestellt. Seit 2002 ist dieser also ein anerkannter Biobetrieb. Bis Ende 2020 wurde auch Rindfleisch vermarktet. Danach haben Kai und Desiree mit den Kühen aufgehört. Im Zuge dessen hat sich dann die Schafherde zur Begrasung der Steilhänge vergrößert. Die Umstellung auf biologische Bewirtschaftung war Kai besonders wichtig: „Sonst wäre es auch das Erste gewesen, das wir umgekrempelt hätten.“ Er führt weiter aus:
Wie aber schafft man den Spagat zwischen Natur und Wirtschaftlichkeit? Kai und Desiree haben sich ihren ganz eigenen Weg gesucht und sich dabei auf Masthühner spezialisiert. Das gibt ihnen die größtmögliche Flexibilität im Alltag. Bei Milchkühen müsste sich das Paar an fixe Zeiten zum Melken richten. Bei Hühnern, die zur Fleischzucht gehalten werden, genügt es, irgendwann zwischen 4 und 6 Uhr aufzustehen – das ist quasi Ausschlafen am Land.
Und wie viel Platz haben die Chickitas im Stall? Die für die Hühner zugängliche Stallfläche ergibt sich aus den Anforderungen der EU-Bio Verordnung: Es dürfen maximal 21 Kilogramm pro Quadratmeter erreicht werden, erklärt uns Kai. Zusätzlich muss jedem Tier noch vier Quadratmeter Auslauf zur Verfügung stehen. Beim Blick auf den Stall und die weite Wiesenfläche merken wir schon, dass hier nicht am unteren Messrand angesetzt wird. Das Geflügel darf wild herumrennen, Löcher graben und Insekten von den Grashalmen picken. Das bedeutet aber auch, dass hie und da mal ein Habicht, Marder oder Fuchs zuschlägt und die Bestände dezimiert. Auch das gehört leider dazu, seufzt der Landwirt.
Geschlachtet wird teilweise auf Vorbestellung selbst am Hof und im Anschluss direkt vermarktet. Der andere Teil der Henderln geht an einen Großunternehmer, der sie selbst schlachtet und an die Supermärkte verkauft. Bis die nächsten Hühner einziehen dürfen, vergehen bei ihnen im Schnitt 14 Tage, in denen alles klinisch sauber gemacht wird. Auch das ist für die beiden ein Muss: den Rhythmus selbst bestimmen, nichts überstürzen. „Das ist dieser Wirkungskreis, den ich meine“, sagt Kai und schließt das Stalltor. „Ich wollte einfach noch mehr Einfluss nehmen als durch mein Konsumverhalten. Und so entschied ich mich für das Leben am Hof.“ Selten essen sie auswärts, erzählt er, und wenn, dann lieber vegetarisch oder fleischarm. Schließlich hat man im Gasthaus nie ganz die Kontrolle darüber, wo das Fleisch herkommt und wie es den Tieren erging.
Die Natur ist eher Slow-Mo
Die Eltern hielten noch Milchkühe, doch als Kai und Desiree übernahmen, war klar: Auch diese Tiere wollen immer um eine fixe Uhrzeit gemolken werden. Sonst beginnt das Euter zu schmerzen. Mit den anderen Aufgaben, die rund um den Hof anfallen, keine leichte Sache. Um also die Flexibilität beizubehalten und die Wiese gleich ein wenig mitzupflegen, haben die Muhkuhs fünf Schafen Platz gemacht. „Wir wollten mal schauen“, meint Kai, und in wenigen Jahren wurden 23 draus. Heuer können sie zum ersten Mal über den Eigenbedarf hinaus Fleisch verkaufen.
Aber erst sollen die Lämmer in Ruhe wachsen und das Leben auf der Wiese genießen. Die Muttermilch wird nicht abgemolken, sondern zur Gänze dem Nachwuchs überlassen. Während wir durch die Koppel gehen, sprintet ein Mini-Meckmeck hinter der Mama her. „Das ist unser jüngster Nachwuchs. Wir hatten eine Ausreißerin, die erst jetzt gelampelt hat. Manchmal ist das eben so – die Natur ist eher Slow-Mo, da kann man nichts erzwingen“, meint Kai. Ernährungstechnisch lautet die Devise übrigens: Fleisch aus Heu und Gras, nicht aus Getreide. Generell wird am Hof darauf geachtet, den Tieren das zu füttern, was sie auch natürlich essen. Klar würden die Schafe durch die Fütterung mit Schrot auch mehr Milch produzieren und die Lämmer dadurch schneller wachsen, meint Kai. Doch darauf sind ihre Mägen nicht ausgelegt. Lieber also natürlich füttern und den Dingen ihre Zeit lassen.
Englischer Rasen à la Natur
Wir besuchen die männlichen Flauschgesellen. Die Herde ist in drei kleinere aufgeteilt – Herdenmanagement heißt das, und wir geben zu, diesen Begriff zum ersten Mal zu hören. In jedem Gehege gibt es ein Leitschaf, das auf die anderen schaut und quasi als Kommunikationspunkt zwischen Mensch und Schafherde fungiert. Regelmäßig wird der Kot untersucht und die Hufen und das Fell von den Landwirt*innen gecheckt. Denn nur, wenn die Tiere gesund sind, bleibt die Herde auch homogen und niemand wird ausgeschlossen. „Sehr wichtig für die Harmonie“, so Kai.
Braune Locke, das männliche Alpha-Schaf, stupst uns sachte von der Seite an und wartet geduldig, bis ihn alle einmal hinter den Ohren gekrault haben. Sein Fell ist weich, aber auch irgendwie … seifig? Wir fragen nach. „Das ist Lanolin, auch Wollfett genannt, und schützt das Fell der Schafe vor Regen und Schmutz. Ist übrigens auch super für unsere Haut“, meint Kai und wir kraulen Braune Locke gleich noch ein bisschen mehr. Wenn die Schafe geschoren werden, wird das Fell übrigens nicht als IKEA-Deko-Teppich, sondern als Mulch und Dünger verwendet. Denn es speichert Wasser besonders gut und leitet es gleichmäßig zum Boden ab. Und: Ein großer Bonus der Bergschafe ist auch, dass sie im Vergleich zu Kühen leichter sind und nicht auf den steilen Hängen abrutschen – gerade in der Steiermark ein Vorteil, wo nun wirklich keine flachen Bedingungen herrschen. Und einen mit fast schon englischer Präzision gemähten Rasen gibts on top. Uns wird klar: Ein Betrieb ist so etwas wie ein eigener Mikrokosmos, und keiner davon gleicht dem nächsten.
Fazit
Fazit: Wir wissen immer noch nicht, wie sich all diese Tasks – Füttern, Streicheln, Saubermachen, Bäume fällen, Krallen und Hufen checken, ab und an Fell scheren, mit Schweinchen spazieren gehen, Wohnungen vermieten und dann auch noch Mails von neugierigen Nasen beantworten – in einen 24-Stunden-Tag pressen lassen. Aber die Uhren am Land ticken ja bekanntlich anders. Und vielleicht ist es ja so, dass, wenn man den Dingen ihre Zeit lässt, sie einem diese Zeit auch irgendwie zurückgeben. Und ja, wir wissen auch: Nicht überall herrscht Friede, Freude, Ponyhof auf den Betrieben. Auf manchen aber zum Glück schon. Der Kreislauf auf dem Betrieb von Kai und Desiree ist jedenfalls so rund wie die pinken Bäuche von Frieda und Rosi.
Ihr wollt auch ein bisschen Landluft schnuppern und Schafe streicheln? Hier stellen wir euch unsere liebsten Bio-Bauernhöfe vor. Ihr steckt in Wien fest, wollt aber rund ums Jahr Bio-Produkte genießen? Wir zeigen euch, wo und wie das geht.
*Gesponserter Beitrag: Dieser Artikel ist in freundlicher Zusammenarbeit mit Agrarmarkt Austria Marketing GesmbH entstanden.