So war das Harry Styles Konzert in Wien
Federboas, Cowboyhüte, Herzerl-Muster – wer am Samstag in Wien unterwegs war, konnte sehr schnell ausmachen, wer auf dem Weg zum Ernst-Happel-Stadion war und sich fürs Konzert von Harry Styles schick gemacht hat. Ich kann nicht behaupten, dass ich den Dresscode gekannt hätte, dabei war ich trotzdem und das ist ja bekanntlich “alles”.
Schon sehr oft habe ich mir gedacht, wie gern ich bei Konzerten der Kelly Family dabei gewesen wäre. In Videos, die ich gesehen habe, sind Fans umgekippt – vor Aufregung und, weil sie den ganzen Sauerstoff, den sie zum Überleben gebraucht hätten, einfach nur rausgeschrien haben. Nun war ich auf so einem Konzert, ich habe zwar niemanden umkippen sehen (zum Glück!) und es war auch nicht die Kelly Family, aber dieses Feeling von Teenie-Schwarm und Fandom habe ich auch bei Harry Styles das erste Mal so richtig miterlebt.
Bin ich zu alt für coole Konzerte?
Als weißer Mann mit fast 30 Jahren habe ich zur Abwechslung einmal in einer Masse eine Minderheit repräsentiert. Ohne Federboa, Cowboyhut und Kleidung mit Herz-Muster bin ich gleich noch mehr aus der Menge rausgestochen. Man muss trotzdem – oder wahrscheinlich gerade deswegen – neidlos anerkennen, die Gen Z und vielleicht Fans von Harry Styles im Speziellen sind das angenehmste Konzertpublikum, das ich bisher erlebt habe. Es gab kaum Drängeln, es gab kaum böse Blicke, wenn jemand einmal komplett schief mitgegrölt hat, es wurde zwischen Vorband und Hauptact mit der Musik vom Band lauthals mitgesungen. Ohne selbst Rockstar zu sein, traue ich mich dennoch zu behaupten: Das war das beste Publikum ever.
Sind Konzerte zu cool geworden?
Was mich aber stört ist, wie sich Konzerte verändert haben. Auf TikTok habe ich bereits hunderte Mitschnitte von Konzerten von Harry Styles gesehen, die Fans vor mir hatten das ganze Konzert über die Setlist auf dem Handy geöffnet und wussten immer Bescheid, welches Lied als nächstes dran kommt und diese Dinge weiß ich nicht nur über Harry Styles, sondern genauso auch von den Konzerten von Pink vor Kurzem oder auch beispielsweise von Helene Fischer, ohne jemals bei einem dieser Konzerte gewesen zu sein. Wenn ich das alles im Vorhinein schon weiß, habe ich nicht nur eigentlich keine Erwartungen mehr, nein, es lässt eigentlich jegliche Vorfreude und Überraschung schwinden.
Inflationsturbo Konzert
Apropos sparen – Veranstaltungen wie Festivals und Konzerte sind absolute Inflationstreiber, das haben auch die Shows von Beyoncé in Schweden unter Beweis gestellt, wie der ORF berichtete. Unterkünfte, Restaurantbesuche, Kleidung – es war deutlich zu erkennen, dass diese Bereiche deutlich in die Höhe schnellten. Und auch beim Konzert von Harry Styles hat mir meine Geldtasche das eine oder andere Mal sehr leid getan. Limo gab’s um 6 Euro, Bier gar um 7 Euro. Und das auch nur an der Bar. Wenn man ein Bier bei mobilen Verkäufer*innen am Gelände kaufen wollte, musste man dafür 7,20 Euro blechen. Dazu kommen noch 3 Euro Einsatz und dann hört sich der Spaß auch langsam auf. Was Snacks kosten, habe ich gar nicht erst nachgesehen. Man muss halt auch auf das eigene Nervenkostüm achten.
Vorbereitung und Schlupflöcher
Und genau deshalb war ich vorbereitet. Denn wenige Tage vor dem Konzert hat die Ticket-Verkaufsstelle Oeticket eine Auflistung von Gegenständen veröffentlicht, die am Gelände verboten sind. Dazu zählten PET-Flaschen und Tetrapacks über 0,5 Liter und Tab-Water-Bags über einem Liter. Alles darunter war erlaubt und deshalb habe ich meine Tasche vorrangig mit Wasser (und vielleicht ein wenig Bier) gefüllt und problemlos ins Stadion mitnehmen können. Auch kleine Snacks waren gestattet. Ausdrücklich erwähnt wurde, dass Geschenke für den Künstler nicht erlaubt sind, was wahrscheinlich vom aktuellen Trend herrührt, alle möglichen Gegenstände auf die Bühne zu werfen. Zum Glück ist niemand mit den zum Bersten vollen PET-Flaschen in den Händen auf blöde Ideen gekommen.
Und wie war jetzt das Konzert?
Nun aber zu Harry Styles selbst: Ich würde es sofort wieder tun. Er ist einfach ein Entertainer und weiß, wie er die Masse für sich gewinnt. Er interagiert mit dem Publikum, er setzt auf Diversität in seiner Band, er läuft mit einer Regenbogen-Fahne über die Bühne, er liest Schilder von Fans vor, auf denen steht: “Harry, can you help me come out” oder “Am I gay, if 99% of men disgust me”, und er antwortet mit: “We’re all a little gay”. Jubel, Schreie, Begeisterung! Und es hat auch mich begeistert, auch wenn ich zwischendurch kurz an Pink- und Rainbow-Washing denken musste, habe ich diese Gedanken schnell wieder verdrängt. Ich bin wirklich froh, dass es Vorbilder gibt, die jungen Menschen das Gefühl geben können, dass sie einfach mal sie selbst sein können. Zumindest für einen Konzert-Abend lang.
Wienliebe
Eines muss ich aber noch festhalten und im Besonderen hervorheben: Die Stadt Wien und die Wiener Linien sind hervorragend organisiert und das haben sie auch am Samstag erneut unter Beweis gestellt. Schon bei der Ankunft mit der U-Bahn beim Stadion haben Ordner*innen mit dem Satz: “Do drüben geht’s zum Harry Potter” alles gesagt, was gesagt werden muss. Niemand hat sich verlaufen. Und auch die Rückreise hat vielleicht anfangs nach Sardinenbüchse ausgesehen, aber die Abfertigung und das kurze Intervall der U-Bahn haben so schnell für den Abtransport gesorgt, dass man gar keine Zeit mehr hatte, sich über irgendetwas aufzuregen.
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