Hilfe für Geflüchtete aus der Ukraine: Statements von freiwilligen Helfer*innen
Der Krieg in der Ukraine zwingt Millionen Menschen zur Flucht. Wir haben Helfer*innen verschiedener Hilfsorganisationen in Wien um ein Statement zur aktuellen Lage gebeten und sie gefragt, wie man als Privatperson am besten helfen kann.
Am 24. Februar 2022 begann der russische Angriff auf die Ukraine. Immer wieder gehen erschütternde Bilder und Meldungen durch die Medien und sozialen Netzwerke, wie jüngst etwa das Massaker von Butscha. Der Krieg tobt unbeirrt weiter. Millionen Menschen sind auf der Flucht, 250.000 Ukrainer*innen sind seit Kriegsbeginn nach Österreich gekommen. Die Bereitschaft der Zivilgesellschaft, zu helfen, ist nach wie vor groß, Hilfe in Form von Spenden nach wie vor dringend nötig. Wir haben Helfer*innen einiger Hilfsorganisationen um Statements zur momentanen Situation gebeten und sie gefragt, wie man als Privatperson im Moment am besten helfen kann.
Julia von Kleine Herzen
Der Verein Kleine Herzen kümmert sich seit 2006 um Waisenkinder in der Ukraine, in Russland und Kambodscha.
Seit Beginn der Kriegshandlungen haben sich die Agenden des Vereins natürlich stark verändert. Wo davor Spenden gesammelt, Projekte umgesetzt wurden, heißt es nun: Kinder evakuieren, Menschenleben retten. Vor Kriegsbeginn haben wir zwölf Waisenhäuser in der Ukraine betreut. Viele dieser Waisenhäuser konnten sich eigenständig in Sicherheit bringen. Gleichzeitig wurden wir aber auch von Kindern und Waisenhäusern um Hilfe gebeten, die wir davor vielleicht noch nicht kannten. Voriges Wochenende gab es erst eine erfolgreiche Evakuierung, bei der 96 Menschen aus der Ukraine im Burgenland eine Unterkunft gefunden haben, darunter 63 Waisenkinder, ihre Betreuerinnen und deren eigene Kinder sowie der Leiter des Waisenhauses.
Nur durch die Zusammenarbeit mit vielen anderen Organisationen sind solche Evakuierungen möglich. Unser wichtigster Partner in der Ukraine ist der Verein Save Ukraine, der die Evakuierungen bis an die polnische Grenze ermöglicht. Von dort holen wir in Abstimmung mit vielen verschiedenen Beteiligten die Kinder dann ab.
Am meisten ist uns mit Geldspenden und der Verbreitung unseres Spendenlinks geholfen. Wir haben im Moment nicht die Mittel, um Sachspenden zu verwalten. Mit Geldspenden tun wir uns am leichtesten und können die jeweiligen finanziellen Mittel sinnvoll verteilen und einsetzen.
Philipp von Highway 2 Help
Highway 2 Help hat sich aufgrund des Kriegsbeginns in der Ukraine formiert und Transporte von Sachspenden an die ukrainische Grenze organisiert. Mittlerweile ist Highway 2 Help Vienna ein offizieller Verein.
Wir fragen bei unseren Kontakten an den Grenzen und in der Ukraine nach, was vor Ort gebraucht wird, und können somit gezielt und sinnvoll helfen. Das ist mir persönlich sehr wichtig. Wir bringen Sachspenden an die Grenze und nehmen Vertriebene mit in Städte, die auf dem Weg liegen. Wenn wir ankommen, fragen wir in den Ankunftszentren für die Vertriebenen nach, ob wir jemanden mitnehmen sollen, und geben bekannt, wie viele Plätze wir auf dem Rückweg in unseren Autos frei haben. Es gibt aber auch geplante Fahrten, bei denen wir schon vorher wissen, wo genau bestimmte Leute an der Grenze ankommen. Mittlerweile gibt es bei uns im Verein auch Personen, die sich um die Vermittlung von Unterkünften in Österreich kümmern. Außerdem planen wir für die nächste Zeit einige Benefizveranstaltungen.
Ich fahre morgen (Anm. der Redaktion: 6. April 2022) zum vierten Mal an die Grenze und muss einen zweiten Bus organisieren, weil die vielen Spenden sich in einem Fahrzeug nicht ausgehen. Die Solidarität erreicht einen Peak und dann flacht sie ab, das ist oft so. Aber die Geflüchteten, die jetzt zu uns kommen, brauchen genauso unsere Hilfe wie jene, die am Anfang gekommen sind. Oft läuft das in Wellen ab: Die ersten Vertriebenen haben oft gute Freunde oder Familie im jeweiligen Land. In einer zweiten Welle kommen jene, die vielleicht jemanden peripher kennen, und in der dritten Welle sind oft die dabei, die im Ankunftsland niemanden kennen. Wenn man gezielt kommuniziert, schafft man es immer noch, viele Sachspenden zu lukrieren. Ich habe das Glück, ein sehr hilfsbereites Umfeld und eine gewisse Reichweite auf Social Media zu haben.
In unseren Postings auf Facebook und Instagram steht immer, wo man Sachspenden in Wien und Niederösterreich abgeben kann. Es gibt aber auch ein Spendenkonto, Geldspenden werden natürlich nur für anfallende Kosten verwendet. Am meisten geholfen ist uns also mit gezielten Sachspenden, mit Geld und mit Besuchen auf unseren künftigen Benefizveranstaltungen.
Nina von Train of Hope
Train of Hope ist 2015 als Zusammenschluss ehrenamtlicher Helfer*innen entstanden, die am Wiener Hauptbahnhof Geflüchtete aus Syrien willkommen geheißen und erstversorgt haben.
Wir haben in Kooperation mit der Stadt Wien das Ankunftszentrum in der Sport & Fun Halle im 2. Bezirk ins Leben gerufen als einen Ort, an dem wir Personen aus der Ukraine, die aufgrund des Krieges flüchten mussten und in Österreich ankommen, willkommen heißen und erstversorgen. Zu uns kommen Personen, die den ersten Tag in Wien sind und noch nicht wissen, wo sie schlafen werden. Wir wollen ihnen nach der langen Flucht einen möglichst angenehmen Rahmen bieten. Ihnen werden über die öffentlichen Krisenstrukturen Unterkünfte der BBU oder Notquartiersplätze vermittelt. Das ist unserer Meinung nach oft nicht die richtige Unterbringung, besonders für Frauen und Kinder. Gleichzeitig gibt es aber viele Österreicher*innen, die gerne Wohnraum zur Verfügung stellen würden. Vor Kurzem haben wir medial kritisiert, dass es da scheinbar an Koordination fehlt zwischen Angebot und Nachfrage. Seitdem hat sich bei Train of Hope viel getan. Einzelne Gemeinden oder auch Bundesländer erheben inzwischen aktiv, wie viele verfügbare private Unterbringungsplätze es gibt, für welche oder wie viele Personen sich diese Plätze eignen und bitten uns, geeignete Personen auszuwählen. Sie organisieren dann einen Transport in die Gemeinden und die Betreuung vor Ort. Wir haben aber nicht die Ressourcen, Wohnraum von privaten Personen zu vermitteln. Deshalb richtete sich unser Appell auch gezielt an Gemeinden und Bürgermeister*innen.
Es gibt viele Menschen, bei denen die Solidarität nach wie vor ungebrochen ist. Viele Menschen würden gerne mehr oder länger unterstützen, haben aber bereits am Anfang der Situation alles, was möglich war, gegeben oder haben einfach nicht die finanziellen Möglichkeiten, besonders nach zwei Jahren Corona. Das hat aber nichts mit ihrer Solidarität zu tun. Man muss zwischen Solidarität und Spendenmöglichkeit unterscheiden. Insofern ist es umso wichtiger, dass jene, die längerfristig unterstützen können, und das sind vorrangig Firmen, das ist die Wirtschaft und auch die öffentliche Hand, ihren Teil beitragen und sich nicht nur auf die Zivilgesellschaft verlassen.
Um die Geflüchteten gut versorgen zu können, sind wir auf Spenden aus der Bevölkerung und von Firmen angewiesen, denn unsere Tätigkeit ist nach wie vor ausschließlich spendenfinanziert. Am besten, man informiert sich auf unseren Social-Media-Kanälen darüber, was aktuell an Sachspenden gebraucht wird. Viele Menschen organisieren dann auch Sammelaktionen in ihrem Freundeskreis, der Nachbarschaft oder im Büro. Wir haben vor Ort nur einen kleinen Lagerplatz, also ist uns sehr geholfen, wenn Unterstützer*innen die Sachspenden vorsortieren und uns kistenweise liefern.
Natürlich helfen aber auch Geldspenden, mit denen wir all das kaufen können, was akut fehlt. Aber es geht nicht nur um materielle Unterstützung. Wer aktuell nicht die Möglichkeit hat, finanziell zu unterstützen, hilft uns auch damit, unsere Social-Media-Beiträge zu teilen und uns so mehr Reichweite zu geben. Auch an freiwilligen Helfer*innen gibt es immer Bedarf. Kurzfristigere Aufrufe schalten wir über die Plattform where2help. Wenn jemand längerfristig und in größerem Ausmaß mitarbeiten möchte, kann er*sie sich auch direkt per Mail oder über unsere Social-Media-Kanäle an uns wenden.
Johann von den Maltesern
Die Malteser sind eine ehrenamtliche Betreuungs- und Rettungsorganisation, die in Österreich, aber auch international aktiv ist.
Wir wollen unbedingt zielgerichtet und bedarfsgenau Hilfe leisten. Dafür stimmen wir uns mit unseren Partnerorganisationen, mit den Maltesern in der Slowakei, in Polen und in der Ukraine eng ab und erfahren so aus erster Hand, was am dringendsten gebraucht wird. In Moldawien haben die Malteser zum Beispiel eine Suppenküche eingerichtet, nächstes Wochenende übergeben wir den ukrainischen Maltesern an der slowakischen Grenze einen Rettungswagen aus Salzburg, gefüllt mit medizinischem Material, weil Rettungsautos und medizinischer Bedarf im Moment gebraucht werden.
In Österreich unterstützen wir die Johanniter im Ankunftszentrum in der Fun & Sport Halle im 2. Bezirk. Außerdem gibt’s inzwischen auch das Drusi und Hawara – Drusi ist ukrainisch und bedeutet “Freund” –, wo wir Menschen betreuen und ihnen bei den ersten Behördenwegen, bei der Wohnungs- und Arbeitssuche helfen und Deutschkurse anbieten.
Was uns am meisten hilft, sind Spenden, die man über unsere Website machen kann. Die können wir zielgerichtet dort einsetzen, wo sie gebraucht werden. Außerdem haben wir die Ukraine-Challenge #ProudToHelp ins Leben gerufen: Jede*r kann ein persönliches Hilfsprojekt starten, um Spenden für die Malteser Hilfsorganisationen, die Menschen vor Ort und auf der Flucht gezielt helfen, zu unterstützen. Zum Beispiel spendet der Friseursalon Hairclub im 1. Bezirk in Wien seinen Tagesumsatz vom 11. April inklusive Trinkgeld.
Wenn man sich bei uns engagieren möchte, kann man aber sicher auch kurzfristig Aufgaben bei den Maltesern übernehmen. Natürlich nicht für medizinische Belange, immerhin machen wir eine einjährige Ausbildung und viele Kurse, bevor wir als Malteser im Einsatz sind. Aber in Zukunft soll es auch Projekte der Malteser in Österreich geben, bei denen jede*r mithelfen kann.
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