7 Hochzeitsbräuche, die alles andere als feministisch sind
Vom Kniefall, um sich zu Verloben über den ersten Blick bis hin zum Brautstehlen: Wir zeigen euch Hochzeitsbräuche, die nicht gerade feministisch sind.
Hochzeiten machen von vorne bis hinten Spaß. Oder?! Was heute zur Tradition und Belustigung der Hochzeitsgäste gehört, war früher gar nicht so toll. Wirklich nicht. Oft werden die Hochzeitsbräuche einfach übernommen, „weil sie nunmal dazu gehören“. Doch stammen viele vermeintlich schöne Bräuche aus Zeiten, in denen die Frau als Eigentum des Mannes betrachtet wurde, und dabei strotzen sie nur so vor sexistischen Hintergründen. Wir haben die Klassiker aus einem ganz neuen Blickwinkel betrachtet.
Der Kniefall
Männer fragen, Frauen sagen – im besten Fall – „Ja!“. Und doch ist das Ritual des klassischen Heiratsantrages vom Mann gar nicht mehr aktuell, auch, wenn noch viele Pärchen an dieser Tradition festhalten. Um zu verstehen, warum wir an dieser Stelle (noch) so gar nicht fortschrittlich sind, braucht es einen kurzen Blick in die Geschichte. Zu Römerzeiten entsandte die Familie des heiratswilligen Mannes einen Boten, der der Familie der zukünftigen Braut die ehelichen Absichten überbrachte. Die Eltern des Mädchens verhandelten und fällten die Entscheidung, während die Tochter selbst oft nicht einmal wusste, wen sie denn heiraten würde. Erst Mitte des 20. Jahrhunderts und im Zuge der Emanzipation kam der Umschwung: die von der Wirtschaft zweckgesteuerten Vermählungen wichen echten Liebeshochzeiten. Und – endlich! – entschied die Frau selbst über ihr Glück, wenn der Mann per Kniefall mit der Frage aller Fragen kam.
Weiß wie die Unschuld
Bereits Monate vor der Eheschließung wird geshoppt. Die wichtigste Ausbeute ist nach wie vor das Brautkleid, das strahlend weiß daherkommt. Zufall? Pustekuchen! Die Farbe der Reinheit, Unberührtheit, Jungfräulichkeit demonstriert genau das, was wirklich niemanden auf der Feier zu interessieren hat: die Sexualität der Braut. Auch heute noch gibt es Menschen, die sich für sexuelle Enthaltsamkeit vor der Ehe entscheiden, sei es aus religiösen oder persönlichen Gründen. Früher jedoch war nur eine jungfräuliche Frau es wert, verheiratet zu werden. Wer also lieber mal zu Farbe für den großen Tag greift, macht alles richtig!
Der Gang zum Altar
Genauso auch eine Tradition, die es übrigens erst bei uns gibt, seit Kinofilme und Serien den Markt erobert haben: Seite an Seite geht’s mit dem Papa zum Altar, der einen dort an den Bräutigam übergibt. Was heute eine schöne Geste ist, kommt eigentlich von einer nicht ganz so schönen Sache. Denn offiziell wechselt die Braut damit den Besitzer – und besiegelt wird der Eigentümerwechsel mit einem neuen Nachnamen, mit dem sie auch namentlich „Teil des Mannes“ wird. Sogar die Kinder, die zuckersüß vor der Braut laufen und ihr Blumen streuen, stehen für das, um was es bei der Eheschließung ursprünglich ging: Die Frau soll der Familie des Mannes den Nachwuchs sichern, die gestreuten Blumen sind ein heidnisches Symbol der Fruchtbarkeit.
„The first Look“
Auf sozialen Medien geht einem das Herz auf, wenn junge, fesche Frauen in voller Hochzeitsmontur auf ihre Angebeteten zuschreiten, die um Fassung ob all der Schönheit ringend die Hände vors Gesicht schlagen. Der „first Look“ gehört zu den wohl wichtigsten Momenten der Liebenden – sieht man sich doch das erste Mal als zukünftiges Ehepaar, meist vor dem Traualtar. Dass es Pech bringt, wenn der Mann die Frau vor der Trauung im Hochzeitskleid sieht, ist aber noch die schönere Geschichte. Der Brauch geht auf eine Zeit zurück, als die Ehe keine Liebesbeziehung war, sondern eine Zweckgemeinschaft. Während die Söhne erbten, mussten die Töchter verheiratet werden, damit sie versorgt sind. Die Eltern arrangierten die Hochzeit, sehen durften sich das frisch gebackene Paar allerdings nicht. Und zwar, weil ein zu früher Blick auf die Braut den Bräutigam abschrecken könnte und er die Hochzeit platzen lassen würde.
Den Schleier lüften
Die Interpretation vom Lüften des Schleiers, der übrigens schon länger Tradition ist als das weiße Kleid, geht in eine ähnliche Richtung: Das Gesicht der Braut bleibt so lange verborgen, bis die Ehe besiegelt und ein Rückzug zwecklos sind. Außerdem schützte der Schleier das tränennasse Gesicht vor Blicken – die Tränen der Angst vor dem fremden Mann, seiner unbekannten Familie, ein neues Leben und vor der Hochzeitsnacht hatten alle Berechtigung.
Der Wurf des Brautstraußes
Nach der Eheschließung ist vor dem wohl unangenehmsten aller Momente für unverheiratete Frauen: beim Wurf des Brautstraußes gehts um Glück – allerdings mit zweifelhaften Motiven. Die Glückliche – weil verheiratet – lässt die armen, traurigen Single-Frauen den geworfenen Strauß fangen. Die Frauen sollen sich darum reißen, die nächste „Glückliche“ zu sein. Denn im besten Fall färbt das Glück auf die ab, die das Teil ergattern konnte, und die somit schon bald auch endlich jemanden findet, der sie heiraten möchte.
Das Brautstehlen
Wenn es dunkel wird und sich die Bier- und Weingläser nach und nach leeren, bricht in der Location meist ein Tumult aus: die Braut ist weg! Lachend und aufgeregt wird sie dann gesucht und schlussendlich mit Schnapsrunden, Liedern und peinlichen Spielen befreit. Was wie ein lustiger Spaß klingt, war früher brutaler Ernst. Der Brauch geht zurück auf das überlieferte „Herrenrecht“ oder „Recht der ersten Nacht“ im Mittelalter. Damals gehörten die Einwohner*innen des Landstrichs quasi dem Gutsherren, der das Recht gehabt haben soll, die Braut vor der Hochzeit zu entführen und vergewaltigen. Allerdings ist nirgends dokumentiert, wie regelmäßig diese Machtdemonstration tatsächlich eingesetzt wurde.
Früher ist nicht heute
Die Gleichberechtigung macht große Fortschritte, Leibeigenheit gibts nicht mehr und euer „Ja“ geschieht aus freien Stücken. Solange die Substanz stimmt, brauchen nicht alle Traditionen gekippt werden. Heute bleibt es denen, die heiraten wollen, selbst überlassen, wie sie ihre Hochzeit gestalten. Und auch, wenn dein Griff zum weißen Kleid oder zu Papas Arm am Kirchengang geht: das ist okay. Neue Bräuche zu schaffen, die ganz ohne sexistischen Hintergrund auskommen, auch.