Reisehunger Berlin: Welche Anreise lohnt sich für einen Besuch im Horváth wirklich?
Es gibt Trips, da kommt man an einem Food-Spot vorbei, der die ganze Reise überschattet. Ein Ort, der so außergewöhnlich ist, dass sich die Anreise für ihn alleine lohnen würde. Die Frage ist nur, von wo? Wir testen besondere Food-Spots in Europa und bewerten, wie viele Kilometer Anreise wir für sie auf uns nehmen würden.


Das Horváth gilt als das beste österreichische Restaurant in Berlin. Deswegen unterziehe ich es dem ultimativen Härtetest. Wie? Ich speise dort nicht als irgendjemand, sondern als Wienerin – und das besingt natürlich eine Leidenschaft zum Raunzen.
Ich werde schon überrascht, bevor ich das Restaurant am Paul-Linke-Ufer überhaupt betrete. Denn wenige Meter von der Ankerklause und damit einem eigentlich stets vollen Kreuzberger-Treff entfernt, zupft Sebastian Frank letzte Kräuter aus dem kleinen Gemüsebeet, das direkt am Zaun angebracht ist. Der mit zwei Michelin-Sternen ausgestattete Küchenchef erntet hier also noch Zutaten direkt aus Kreuzberg. Unüblich persönlich kommt einem also schon der erste Kontakt vor – aber genau das zieht sich durch das gesamte Restaurant und zwar den ganzen Abend über.


Das Horváth ist zumindest das für mich bisher persönlichste Fine Dining Erlebnis. Sebastian Frank leistet hier wirklich Bildungsarbeit und macht österreichische Küche anhand seiner eigenen Kindheit nahbar. Besondere Herausforderung: Alle Gerichte sind pflanzenbasiert. Ein innovativer Twist ist euch bei den Gerichten also gewiss.
Sebastian Frank leistet hier wirklich Bildungsarbeit.
SONJA KOLLER
Wie das Horváth überrascht
Während ich selbst als Wienerin beim Stichwort “österreichische Küche” an alpenländischen Einfluss und deftigen Westösterreich-Fokus samt einer Übermenge an Käse und Knödel denke, ist das Horváth einer der wenigen Orte, in dem Kulinarik auf Ost-österreichisch zelebriert wird. Franks erste kulinarische Schritte hat er am Neusiedlersee gemacht, danach erstmal in Wien gekocht – den Fokus merkt man den Gerichten an.
Immer mal wieder wird mit Zutaten wie Paprika an die Nähe zu Ungarn erinnert und auch die Getränkebegleitung kommt mit Ursprung aus dem gesamten ehemaligen Habsburger-Gebiet daher. Somit könnt ihr euch auf einige neue Lieblinge, etwa aus Slowenien, freuen.


Was neben dem Essen spannend ist
Das Horváth ist ein Restaurant, dessen Küche schon seit 15 Jahren von Frank geleitet wird. Man könnte also meinen, ihm würde langsam langweilig werden. Aber nichts da: Man merkt ihm sowie dem gesamten Team die Liebe an, die sie selbst in die kleinsten Details stecken. So schenkt etwa Servicekraft Sarah als Teil der Weinbegleitung Tropfen von einem Gut ein, bei dem sie vor Ort schon mitgeholfen hat.
Sie ist es auch, die die Playlist für den heutigen Abend kuratiert hat, die den Gäst*innen mit einem QR-Code serviert wird. Zudem bekommt ihr zu fast jedem Gang die Beschreibung der Hauptzutaten sowie deren Hintergrundgeschichte – und die reichen von Kindheits-Traumas hin zu lustigen Launen.

Was ich so noch nie gegessen habe
Im Horváth wird etwa einem Gemüse besonders viel Liebe geschenkt, das es sonst schwer hat. Bei “Sellerie reif uns jung” bekommt ihr eine Sellerieknolle kredenzt, die in Salzteig gebacken, 12 Monate im Keller gereift und dabei fast täglich gewendet wird. Warum das nötig ist? Weil der Salzteig das Wasser der Knolle absorbiert und daher schimmeln würde, wenn sich das Wasser zu lange an einer Stelle sammelt.
Daraus entsteht ein Gericht, das aus den verschiedensten Konsistenzen und Geschmacksnoten besteht – sie alle aber werden aus Sellerie gemacht. Sehr spannend und wirklich gut. Lieben wir: Ist die Liebe entfacht, bekommen alle Gäste eine Selleriesaat zum Anbauen für zuhause mit. Vielleicht, um kläglich am Versuch einer Nachbereitung zu scheitern?


Das Reisehunger-Fazit:
- Zeit bis zum ersten Getränk: 0,0 Sekunden: Das Wasser stand schon vor der Ankunft auf dem Tisch
- Wie weit würde ich für das Horváth fahren: 300 km
- Preis: Kleine Selektion mit 9 Gängen für 210 €, 12 Gänge für 240 € (beides inklusive Wasser)
- Quick n Dirty: 4 Gänge, 3 Amuse Bouche, Petit-Four, Brotgedeck & Wasser-Flat für 160 €
- Empfehlung der Küche für unter 10 Euro: Blutwurst Manufaktur, Neukölln
Als Ost-Österreicherin habe ich mich von diesem Ost-Österreichischen Restaurant durch und durch gut abgeholt gefühlt. Das Essen im Horváth ist interessant, was in diesem Fall keine Umschreibung für weniger gut bedeutet. Trotz der großen Menge an Sellerie waren die Gänge, Geschmäcker und Konsistenzen nicht repetitiv und auch die Getränkebegleitung kann ich euch nur ans Herz legen.