Die schönsten Kellergassen in Österreich
Wie die Szene aus „Mary Poppins“, also Mary und die Kinder plötzlich fröhlich trällernd in ein Kreidebild springen, nur dass wir statt des Kreidebilds in eine Ansichtskarte hüpfen: So fühlt es sich an, durch die märchenhaften, idyllischen, pittoresken Kellergassen zu flanieren. Bevor uns die Adjektive ausgehen und ihr euch bei dem Versuch, auf einer Ansichtskarte herumzuhüpfen, die Knöchel brecht, verraten wir euch lieber, wo ihr in Österreich besonders schöne Kellergassen findet.
Früher verließ man sich beim Hinabsteigen in den Weinkeller auf die Kerzenprobe, um vor dem unsichtbaren Gärgas zu warnen. Dass man diese Kerze auch „Todeskerze“ nennt, deutet schon an, wie verlässlich dieses Verfahren gewesen sein muss. Heute gibt es natürlich längst Gärgas-Warngeräte, Absaug-Gebläse und ähnliche moderne Gerätschaften, die nur halb so mystisch klingen wie das Nostradamus-Paraffin. Aber derart pittoreske Orte wie die Kellergassen in Österreich brauchen eigentlich auch keine weitere Romantisierung. Die Weinkeller und Presshäuser, die sich als Scharniere zwischen Ortsgemeinschaft und Rebstöcken an die Weinberge Ostösterreichs schmiegen, sind schon romantisch genug.
Öhlbergkellergasse in Pillersdorf
Im Weinviertel ist die Dichte an „Dörfern ohne Rauchfang“, wie man die Kellergassen auch nennt, verhältnismäßig hoch. Eine der bekanntesten ist etwa die malerische Öhlbergkellergasse in Pillersdorf. Ihr flaniert hier an den kalkweißen Weinkellern vorbei und habt schließlich einen herrlichen Ausblick auf das hübsche Retz. Und alle, die lieber in der Gruppe flanieren, können von April bis Oktober jeden Samstag um 15 Uhr am Kellergassen-Spaziergang teilnehmen. Für 15 Euro pro Person bekommt ihr eine Führung und sogar eine Weinprobe. Anmelden müsst ihr euch bis spätestens zum Vortag.
Nußwäudl in Platt
Im beschaulichen Platt findet ihr die Ruheoase unter den Kellergassen. Die Presshäuser vom Nußwald, oder wie die Kellergasse originalgetreu heißt: Nußwäudl, scharen sich im Kreis um den begrünten, schattigen Platz in der Mitte. Von Mai bis Oktober sind täglich um 15 Uhr Führungen möglich, allerdings nur gegen Voranmeldung bis spätestens 11 Uhr.
Kellergassen in Herrnbaumgarten
Das selbsternannte „verruckte Dorf“ Herrnbaumgarten besitzt nicht eine, nicht zwei, sondern gleich sechs Kellergassen, die ihr auf unterschiedlichen Führungen durchschreiten könnt. Besonders cooler Anlass: Am 19. Mai 2023 ist die alljährliche Lange Nacht der Kellergassen im Weinviertel. In Herrnbaumgarten ist die Kellergasse „Hödeln“ mit von der Partie und die Kellergassenführer mit allerlei Geschichten und G’schichtl’n am Start. Wenn ihr wortwörtlich tiefer in die Materie eintauchen wollt, gibt es hier auch noch den Labyrinthkeller von Friedl Umschaid, der mehrere Jahrhunderte alte Hohlräume zu einem weit verzweigten Labyrinth vernetzt hat.
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Kellergasse „Oagossn“ in Falkenstein
Auch in Falkenstein fährt man alles auf, was der Eventkalender hergibt. Die Kellergasse Oagossn, die ihren Namen der Tatsache verdankt, dass man hier früher nicht nur Wein gelagert, sondern auch Eier feilgeboten hat, umfasst 65 auffällig einheitlich gestaltete Presshäuser inklusive Erdkellern. Die Lücken zwischen den Häuschen, die man auch Reichen nennt und durch die zum Beispiel das Regenwasser abgeflossen ist, werden von der Kunstinitiative „Mut zur Lücke“ mit zeitgenössischen Kunstwerken aufgefüllt.
Am Ende der Oagossn findet ihr ein Kellermuseum, einen Schaukeller und natürlich zahlreiche Heurigen. Kellergassenführungen gibt’s für 15 Euro inklusive Weinverkostung und Besuch des Weinmuseums. Und immer am dritten Septemberwochenende findet etwa das Kellergassenfest Wein-Kunst-Kultur statt, auf dem die Falkensteiner Winzer*innen mit euch die fünfte Jahreszeit feiern.
Damit beginnt man schon am Freitag ab 19 Uhr mit der sogenannten „Romantischen Nacht“, bei der ihr die Kellergasse in schummrigen Kerzenschein erleben könnt. Neben kulinarischen Schmankerln gibt’s auch Kunsthandwerk zu erstehen und Musik zu horchen.
Radyweg in Poysdorf
Wer vom Weinviertel spricht, sagt früher oder später sicherlich auch „Poysdorf“. Die Kellergassen der selbsternannten Weinstadt Österreichs füllen einen ganzen Wikipedia-Artikel. Neben der bekannteren „Gstettn“ ist auch der Radyweg besonders idyllisch: Wildsträucher und Bäume bilden eine Art natürliches grünes Dach über den insgesamt 90 Kellern, von denen nur mehr sechs aktiv für den Weinbau genützt werden. Bei Kellergassenführungen könnt ihr in einige Schaukeller blinzeln und sogar mit Kind und Kegel und sogar Vierbeinern anrücken.
Kellergasse Galgenberg
Gerade war noch die Rede von einer ominösen Todeskerze, da geht es auch schon weiter an den Galgen. Der Galgenberg in Wildendürnbach verdankt seinen Namen tatsächlich dem fatalen Holzgerüst, das dort bis 1828 stand. Heute versorgt uns der grüne Hügel mit hervorragenden Weinen und einer feschen Kellergasse, die sich um seinen Rumpf legt. Sie umfasst über 180 Presshäuser, rundherum werden über 40 Hektar Weingärten bewirtschaftet. Darüber thront ein kleiner Kirchturm ohne Kirche. 2013 war die Kellergasse am Galgenberg übrigens Kellergasse des Jahres.
Kellergasse Prellenkirchen
Im Naturschutzgebiet Spitzerberg, etwa auf halbem Weg zwischen Wien und Bratislava, liegt die hübsche Kellergasse Prellenkirchen. Sie besteht aus urigen Steingewölbekellern aus dem 18. Jahrhundert. Einer davon dient sogar als Museum und informiert über die Geschichte des Weinbaus von den Römern bis ins 18. Jahrhundert.
Auch hier könnt ihr an Kellergassenführungen teilnehmen und danach mit Wein und sogar Hochprozentigem anstoßen. Sehr sympathisch: Von den Buschenschenken, die die Weinkeller so mit sich bringen, hat immer mindestens eine geöffnet. Ihr könnt aber auch die VIA.CELLA VINARIA beschreiten, die euch von Prellenkirchen ins überraschend weitläufige Edelstaler Kellerviertel im Burgenland führt, das 80 großteils im Originalzustand erhaltene Keller umfasst.
Kellerviertel Heiligenbrunn
Wir bleiben noch ein bisschen im Burgenland: Das märchenhafte Kellerviertel Heiligenbrunn wird euch verzaubern – versprochen! Das Ensemble von Weinkellern, die bis aufs 18. Jahrhundert zurückgehen, ist nahezu vollständig erhalten, die Dächer oft mit Stroh gedeckt und die Mauern mit Wein überwuchert. Die Häuschen selbst sind allesamt in Privatbesitz und erfüllen großteils noch für ihren ursprünglichen Zweck. In seiner Gesamtheit ist das Kellerviertel Heiligenbrunn übrigens weltweit einzigartig – und Bilderbuchbeispiel für die Binsenweisheit, dass das Ganze immer mehr als die Summe seiner Teile ist.
Fast das ganze Jahr über gibt es Veranstaltungen wie den Uhudler Frühling am 18. Mai 2024, das Uhudler Sommerfest am 6. Juli 2024, das Uhudler Sturmfest am 28. September 2024 oder den Christkindlmarkt „Advent in der Kellergasse“, heuer am 7. und 8. Dezember 2024.
Und wenn mal nichts los ist, könnt ihr trotzdem im einen oder anderen Keller einkehren oder sogar einen Selbstbedienungsautomaten frequentieren. Um Keller handelt es sich hier übrigens strenggenommen gar nicht: Die meisten Bauten hier sind Holzblockbauten auf Lehmboden.
Von Breitenbrunn nach Purbach
Im nördlichen Burgenland gibt es ebenfalls einige schöne Kellergassen. Besonders zwischen zwei Exemplaren können wir uns nicht entscheiden. Zum Glück müssen wir das auch nicht. Denn ein 12 Kilometer langer Wanderweg führt durch Breitenbrunn und seine mit Gras überwucherten Erdkeller, die das Auenland wie einen Schaugarten für Kunstrasen aussehen lassen, über die Weingärten entlang des Leithabergs und endet schließlich in Purbach mit seinem ebenfalls Hobbit-würdigen Kellerviertel aus Kalksteingewölben.
Kellergasse Bisamberg
Am Fuße des gleichnamigen Bergs bei Wien liegt der niederösterreichische Weinort Bisamberg mit seiner idyllischen Kellergasse. Rundum findet ihr jede Menge Einkehrmöglichkeiten und am 14. und 15. September 2024 geht das traditionelle Kellergasslfest in Bisamberg über die Bühne. Bei Sturm, Most, köstlichen Weinen, Musik und Frühschoppen kommt ordentlich Kirtagsstimmung auf.
Kellergasse Stammersdorf
Last but definitely not least ist die Stammersdorfer Kellergasse definitiv eine unserer liebsten Kellergassen in ganz Österreich. Und damit sind wir nicht allein: Bei den legendären Stammersdorfer Weintagen, heuer am 24. und 25. August 2024, wurdelt es hier gewaltig auf den Heurigenbänken, Terrassen und Vorplatzln.
Das traditionelle Mailüfterl hat am 4. und 5. Mai bereits den Auftakt für die Wiener Weinfeste gespielt. Und auch bei den Stürmischen Tagen am 5. und 6. Oktober 2024 wird wieder ordentlich Herbststimmung aufkommen. Bis dahin könnt ihr die Stammersdorfer Kellergasse aber natürlich auch abseits des Trubels besuchen und zum Beispiel mit einer Wanderung entlang des Stadtwanderwegs 5 kombinieren, der durch sie hindurch führt.