Historische Fakten über die Wiener Prostitutionsgeschichte

Prostitution ist ja angeblich das älteste Gewerbe der Welt. Deshalb werfen wir einen Blick zurück in die Vergangenheit und erzählen euch einige kuriose Fakten über die Wiener Prostitutionsgeschichte.

Rafael Prehsler Aktualisiert am 03.10.2021

Anmerkung der Redaktion: Bei diesem Artikel handelt es sich um eine historische Betrachtung der Geschichte der Prostitution in Wien vom Mittelalter bis in die frühe Neuzeit. Wir versuchen, hier einigermaßen neutral über Sexarbeit und Prostitution zu berichten, um die Geschichte dahinter in Verbindung mit Wien in den Vordergrund zu rücken, weil auch Prostitution ein Teil der Wiener Stadtgeschichte ist. Gleichzeitig ist es wichtig klarzustellen, dass viele Frauen* in diesem Feld bis heute Gewalt, Bedrohung und Missbrauch ausgesetzt sind, wovon wir uns ganz klar und deutlich distanzieren. Eine verlässliche Anlaufstelle zum Thema Sexarbeit findet ihr zum Beispiel beim Beratungszentrum Sophie.

Die Prostitution gilt das älteste Gewerbe der Welt und ist auch in Wien schon seit Jahrhunderten beheimatet. Wir verraten dir, wo, wie und unter welchen Auflagen die Wiener Sexarbeiterinnen im Laufe der Geschichte ihrem Gewerbe nachgegangen sind.

Arbeitsplätze

In Wien war die Prostitution bereits im Mittelalter weit verbreitet. Dienste wurden in Badehäusern, semioffiziellen Bordellen oder direkt vom Fenster aus von den sogenannten „Vensterhennen“ angeboten. Ein obligatorisches Time-Out für den Beruf gab es nur an Sonntagen und während der Fastenzeit. Mit der Gründung der Universität 1365 wurde die Gegend rund um diese Institution zu einem ersten Hotspot der Prostitution in der Stadt. Ende des 14. Jahrhunderts gab es bereits mehrere zwielichtige Spelunken entlang der Stadtmauer und drei richtige Bordelle: zwei beim Wiedner Tor außerhalb der Stadt und eines in der Nähe des Tiefen Grabens, wo die nobleren „Grabennymphen“ ihrem Gewerbe nachgingen. Über die Ordnung im Haus wachte bereits damals eine Puffmutter, die man zu jener Zeit noch als Frauenwirtin bezeichnete.

„Dirnen“ waren nicht nur bei offiziellen Empfängen von Würdeträgern in Wien im Einsatz, sondern verdingten sich auch als „fahrende Frauen“: Zum Konstanzer Konzil, einer kirchlichen Großveranstaltung, reisten immerhin gut 1.500 Prostituierte an. Im 18. Jahrhundert wurde dann der Spittelberg zum Zentrum des Rotlichtmilieus. Das Grätzel, das damals noch außerhalb der Stadtmauer lag, war mit seinen rund 60 einschlägigen Lokalen als Hochburg der Prostitution verschrien. Kaiser Josef II. soll dort nach einem Zwischenfall mit einer „Spittelbergnymphe“ sogar aus dem Lokal Zum Steinernen Löwen geworfen worden sein. 1820 soll es dann bereits unfassbare 20.000 Sexarbeiterinnen in Wien gegeben haben. Die hohe Zahl war sicher auch der gestiegenen Nachfrage während des Wiener Kongresses 1814/15 geschuldet.

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Kleiderordnungen

Seit dem Mittelalter suchten die Obrigkeiten nach Möglichkeiten, um Prostituierte von anderen Frauen unterscheiden zu können. Die einfachste und zugleich plumpste Lösung war das Tragen bestimmter Erkennungsmerkmale, also spezieller Kleidungsstücke oder Zeichen. Entsprechende Kleiderordnungen gab es in ganz Europa: In Augsburg mussten sie einen Schleier tragen, in Straßburg einen signifikanten Mantel, in Hamburg ein Häubchen und in Meran gelbe Fähnchen an den Schuhen. Und in Wien? Da war ein gelbes Tuch das Erkennungsmerkmal.

Steuerliche Abgaben

Bereits in der römischen Antike musste der Lohn für einen Akt pro Tag, der „unus concubitus“, an den Staat abgegeben werden. Die Besteuerung von Sexarbeit wurde später von christlichen Herrschern übernommen. Unter Rudolf von Habsburg hatten die Wiener Prostituierten wöchentlich zwei Pfennig abzugeben. Als Ausgleich sorgte Rudolf immerhin mit einem Gesetz dafür, dass man die fleißigen Steuerzahlerinnen öffentlich nicht mehr beleidigen durfte.

Die geeignetsten Einnahmequellen waren sicherlich die Bordelle, die einerseits dem höheren Schutz der Frauen dienten, andererseits aber die Steuereintreibung erleichterten. Mit den Einnahmen aus dem Prostitutionsgewerbe finanzierte man unter anderem wohltätige Stiftungen für ehemalige Sexarbeiterinnen, Spitäler, Nonnenklöster oder die in der Bevölkerung wenig beliebte Stadtguardia, die insbesondere nachts für die Sicherheit auf den Straßen zu sorgen hatte.

Strafen und die Keuschheitskommission

Mit dem Beginn des 16. Jahrhunderts wurde das Leben der Wiener Prostituierten schlagartig beschwerlich. Sogenannte „unzüchtige Weibspersonen“ wurden zunehmend geächtet. Kaiser Maximilian I. verbot ihnen, ihr Gewerbe auszuüben und ließ Bordelle schließen. Darüber hinaus wurde ein Verzeichnis verdächtiger beziehungsweise anrüchiger Orte in Wien angelegt. Prostituierte wurden regelrecht verfolgt, hatten mit Geldstrafen zu rechnen und konnten im Narrenkötterl öffentlich angeprangert werden.

Der größte Moralapostel war wohl Maria Theresia, die – angestachelt durch die notorische Untreue ihres Gatten – einen regelrechten Kreuzzug gegen vermeintlich untugendhafte Lebensweisen startete. „Incorrigible“ Frauen wurden in Zuchthäuser gesperrt und hatten dort Zwangsarbeit zu leisten. Besonders gefürchtet waren die berüchtigten Temesvarer Wasserschübe. Dabei wurden die Frauen zusammen mit Verbrechern auf Schiffen über die Donau ins Banat deportiert.

Als Kontrollinstanz wurde eigens eine „Keuschheitskommission“ eingerichtet, vor der nicht einmal die gehobenen Gesellschaftsschichten sicher waren. Besonders ausschweifend lebende Adelige hatten hohe Geldstrafen zu begleichen oder mussten um ihre Karriere oder ihren Ruf fürchten. Für reumütige Berufsaussteigerinnen gab es ein eigenes Büßerinnenhaus. Die Institution floppte aber total und wurde bereits nach fünf Jahren wieder geschlossen.

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Syphilis und Gesundheitsbücher

Ende des 15. Jahrhunderts machte die grassierende Syphilis der Prostitution in Wien erstmals einen Strich durch die Rechnung. Bordelle wurden zunehmend gemieden und 1495 musste vor dem Stubentor sogar ein eigenes Spital für Syphilitiker eingerichtet werden. Mitte des 19. Jahrhunderts breitete sich die Krankheit abermals mit besorgniserregender Geschwindigkeit aus. 1873 fand schließlich der damalige Wiener Polizeichef Anton Ritter von Le Monnier eine Lösung für das Problem: Er führte für Frauen, die „geständiger-, erwiesener- oder notorischermaßen die Unzucht gewerbsmäßig betreiben“ sogenannte Gesundheitsbücher ein. Prostituierte wurden nun polizeilich registriert und mussten sich zweimal in der Woche einer ärztlichen Untersuchung unterziehen. Der Erfolg der Maßnahmen war jedoch überschaubar: Der Anteil an erkrankten Prostituierten lag noch kurz nach dem Ersten Weltkrieg bei schätzungsweise 15 bis 25 Prozent.

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Wenn ihr noch intensiver in die Wiener Prostitutionsgeschichte eintauchen wollt, könnt ihr „Josefine Mutzenbacher“, angeblich verfasst von Bambi-Autor Felix Salten, lesen. Ihr wollt auf dem Laufenden bleiben über unsere kuriosen Ausflüge in die Geschichte? Dann registriert euch bei uns und folgt der Liste Unbekannte Fakten für regelmäßige Updates.

(c) Facebook-Beitragsbild | pixabay

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