Mein erstes Mal FKK-Camping
Das war alles so nicht geplant. Dass ich einmal in einem FKK-Feriendorf lande, hätte ich mir nicht gedacht. Dass ich darüber berichte, noch weniger. Nun ist es aber geschehen und wer wäre ich, dieses Erlebnis für mich zu behalten? So war es also, mein erstes Mal FKK-Urlaub.
Ich war beruflich auf einem Festival in Kärnten und wurde von den Festival-Veranstalter*innen im Rutar Lido Naturisten Feriendorf untergebracht. Die Auswahl an Unterkünften in der Umgebung ist sehr begrenzt, alle anderen Unterkünfte waren bereits ausgebucht. Im ersten Moment habe ich mir darüber eigentlich gar keine besonderen Gedanken gemacht, im zweiten Moment habe ich dann realisiert, dass sich das Wort „Naturisten“ nicht notwendigerweise auf eine besondere Affinität zur Flora bezieht. Da hätte es dann aber auch kein Zurück mehr gegeben, denn ich war schon auf dem Weg: FKK-Camping, ich komme!
Die ersten 10 Minuten
“Du bist aber zum ersten Mal da, oder?”, fragt mich meine temporäre Nachbarin, als ich die kleine Gartenwohnung im vorderen Bereich des Campingdorfs aufschließe. Ertappt in den ersten Minuten meines Aufenthalts. Ich nicke schüchtern und weiß nicht, wo hinschauen. Sie sitzt mit ihrem Mann auf der Terrasse und isst Griechischen Salat, er löst nebenbei ein Kreuzworträtsel, sie blättert in einer Zeitschrift. Nackt, breitbeinig, in der prallen Sonne. Ich will auf keinen Fall starren, aber die Situation ist für mich so unwirklich, dass ich beim Versuch, strickt in die Augen meines Gegenübers zu schauen, alles andere als das mache. Meine erste Interaktion mit den Bewohner*innen ist also schon einmal ziemlich in die Hose gegangen. Zum Glück habe ich noch eine an.
Nackt, na und?
Die weiteren Begegnungen sind nicht weniger skurril, fühlen sich aber mit der Zeit nicht mehr ganz so befremdlich an. Man ist es ja mittlerweile durchaus gewöhnt, an vielen Seen gibt es FKK-Areale, Wellnessbereiche in Thermen dürfen oft nur ohne Badesachen betreten werden und “oben ohne” ist zum Glück lange keine reine Männersache mehr. Das sind aber alles Situationen, die ich eher einem entspannten, urlaubshaften Rahmen zuordnen würde. Ungewohnt ist es für mich aber wirklich, wenn ich den Weg von meiner Ferienwohnung zum Ausgang des Campingdorfs bestreite und ich einen Mann sehe, der nackt die Fensterscheiben seines Wohnmobils putzt. Ein anderer fährt mit einem Golfwagen vor und sitzt nackt hinter dem Lenkrad auf einem kleinen Handtuch. Kurz vor dem Ausgang kommt mir dann noch eine Frau entgegen, die auf den Müllraum zusteuert, um ihren Mülleimer zu entleeren. Natürlich auch nackt.
Es sind also eher die alltäglichen Dinge, die sich im ersten Moment komisch anfühlen, wenn sie nackt vonstatten gehen. Essen, putzen, Müll entsorgen – auch daheim bin ich dabei nur in absoluten Ausnahmefällen oder Notsituationen nackt. Für die Urlauber*innen im Rutar Lido dürfte das aber das Stückchen Freiheit sein, nachdem sie sich in ihren Ferien sehnen und das sie hier bekommen. Am Lageplan habe ich entdeckt, dass das Areal 150.000 Quadratmeter groß ist und neben Stellplätzen für Wohnwägen und Zelten sowie Bungalows, Ferienwohnungen und weiteren Unterkünften auch kleine Badeteiche, einen Pool, eine Kapelle und sogar einen FKK-Wanderweg umfasst. Eigentlich gibt es also keinen Grund, überhaupt Wäsche einzupacken.
Fehl am Platz?
Nun, bei aller Skepsis muss ich zugeben, diese ist eigentlich doch recht schnell verflogen. Niemand hat mir gesagt, ich muss mich jetzt ausziehen, um den einen oder anderen Bereich nützen zu können. Niemand hat mich blöd angestarrt, weil ich Gewand anhatte, also habe ich auch schnell die Angewohnheit ablegen können, selbst mit den Augen die Gegend nach nackten Menschen abzuscannen. Und eigentlich finde ich es ja wirklich cool, dass es so einen Ort gibt. Ich habe schon das Gefühl, hier herrscht absolute Zufriedenheit, die Gäste kennen sich großteils (sehr gut), alle grüßen sich (auch mich) und machen kein großes Tamtam um ihren Lebensstil.
Meine persönliche Grenze
Wenn ich länger geblieben wäre und mehr Zeit im Feriendorf und weniger am Festival selbst verbracht hätte, hätte ich mich sicher noch mehr darauf einlassen können. Höchstwahrscheinlich hätte ich noch nicht den Müll ausgeleert und dabei auf Kleidung verzichtet, aber so einen Griechischen Salat nackt auf der Terrasse, das hätte ich mir vielleicht einreden lassen. Alleine beim Frühstücksbuffet ziehe ich aber meine persönliche Grenze und bin recht froh, dass die einzig sichtbare Wurst in Form eines Aufschnitts am Buffet platziert war. Es gibt Grenzen und eine davon liegt bei mir auf Höhe des Intimbereichs gleichauf mit einem Buffet, von dem sich alle anderen auch bedienen. Das war meine größte Sorge, die sich aber nicht bewahrheitet hat.
Würde ich es wieder tun? Ja, vielleicht. Ich glaube, das Feriendorf ist ein guter Ort, um sich selbst besser kennenzulernen. Die eigenen Grenzen auszutesten und sich selbst in Situationen zu begeben, die vielleicht noch ungewohnt sind, für andere aber längst normal und befreiend. Vielleicht also bis nächstes Jahr, wer weiß.