Niederösterreich: Die skurrilsten Skulpturen im öffentlichen Raum
Wer sagt, dass man Skulpturen nur im Museum bestaunen kann? Spaziert man durch Niederösterreichs Landschaft, kann einem schon mal ein Kunstobjekt in freier Wildbahn unterkommen. Wir haben uns die schrägsten davon genauer angesehen.
„Ist das Kunst oder kann das weg?“ Welche Werke schön sind und welche Maler*innen und Bildhauer*innen die künstlerische Freiheit wohl etwas zu wörtlich genommen haben, liegt ja bekanntlich im Auge der Betrachtenden. Ob Provokation oder einfach missverstanden – bei diesen eigenwilligen Objekten, die Niederösterreichs Landschaft zieren, spalten sich die Gemüter.
Wachauer Nase
Vier Meter hoch und zehn Meter breit ist das Geruchsorgan aus Beton, das im Weltkulturerbe Wachau bei der Fährstation St. Lorenz im Jahr 2014 aufgestellt wurde. Schwer zu sagen, wie die Künstlergruppe Gelitin zu dieser grandiosen Idee kam. Fakt ist allerdings, dass die Skulptur für die Regionalinitiative Wachau 2010plus nicht irgendein willkürlicher Riechkolben sein durfte. Vor dem Bau wurde ein „Casting“ mit 70 ansässigen Bürgerinnen und Bürgern veranstaltet. Ihre Nasen wurde gemessen und in Gips gegossen, bis ein Hybrid aus der Nasen des Sohnes des Bürgermeisters und einer aus Hamburg zugereisten Wachauerin als für die Region typische Nasenform gewählt wurde.
Nun sieht das neue „Wahrzeichen“ der Wachau aus, als ob ein Riese unter der Erde vergraben läge. Durch seinen gigantischen Zinken kann man aufrecht hindurchgehen oder auf die Spitze klettern. Und so schnell, wie wohl sein imaginärer Besitzer unter der Erde altert, so altert auch die Nase. Bewusst der Witterung ausgesetzt, wird sie nicht nur vom Hochwasser (und den durchlaufenden Besuchenden) geputzt, sondern bekommt mit Sicherheit im Laufe der Zeit Nasenhaare aus Gräsern und Moos.
Fährstation St. Lorenz, 3602 Rossatz-Arnsdorf
Riesenregenwurm
Der Weinweg Langenlois führt durch die bekanntesten Riede der Region und bringt Besucher*innen den Alltag der Winzer*innen im Weingarten näher. Hier findet man allerdings nicht nur anschauliche Infotafeln, sondern auch monströse Skulpturen passend zum Wein. Unser Favorit ist dabei der meterlange Regenwurm, der sich durch die Erde gräbt und das Thema Bodenbearbeitung veranschaulicht. Falls jemand schon jemals auf einem Regenwurm reiten wollte – hier in Langenlois ist es möglich.
Ein Tipp: Wer von Frühling bis Herbst eine Begehung wagt, kann sich nach Anmeldung beim Ausgangspunkt Ursin Haus einen Schlüssel für die „Weinsafes“ am Weg ausleihen und die Produkte der Weingüter Steininger, Rabl und Bründlmayer an drei Stationen verkosten. Lasst aber noch was für die nächsten Wandernden übrig.
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Weinweg Langenlois | Ursin Haus: Kamptalstraße 3, 3550 Langenlois
Sonnenrad
Etwas weniger spektakulär, aber nicht weniger eigenwillig ist das Sonnenrad in Harmannsdorf. Das größte Rad Österreichs ist über fünf Meter hoch, einen Meter breit und erstrahlt in sonnigem Gelb-Orange. Die Konstruktion des Bruderndorfer Künstlers Gerhard Kohlbauer ist allerdings nicht besonders geeignet zum Fahren – immerhin wiegt das Ungetüm aus Eisen, Holz und Aluminium ganze 2.500 Kilo. Doch auch im Stillstand ist es ein Symbol für Sonne, Licht, Raum und Bewegung – das kleinste Rädchen in einer riesigen, unaufhaltbaren Zeitmaschine.
2111 Harmannsdorf, Laaer Straße nahe Hetzmannsdorf
Penki Ötscherbär
Eine interessante Entwicklung hat die Skulptur am Ötscher-Gipfel hinter sich. Im Jahr 2017 stellten Unbekannte dort einen riesigen Phallus auf. Die Schöpfer*innen des Ötscher-Penis wurden bis heute nicht gefunden. Genauso unklar ist, wer seine Spitze wiederherstellte, die ihm für rund zwei Wochen abhandengekommen war.
Nun hat er allerdings die lustigste Verwandlung durchgemacht. Abermals wurde er nämlich in einer nächtlichen Hauruckaktion kurzerhand mit zwei Ohren, zwei Augen, zwei großen Tatzen und einer Nase in einen Bären verwandelt. So schnell wurde aus dem übermenschlich großen Phallus der kindergerechte „Penki Ötscherbär“. Vielleicht spricht der jetzt eine breitere Zielgruppe an.
Ötscher, 3296 Lackenhof
Horizontalturm
In Lanzendorf wurde im Jahr 2017 ein weiteres eigenwilliges Kunstwerk eröffnet. Der deutsche Künstler Ingo Vetter funktionierte ein ausgemustertes Rohr einer ehemaligen Windkraftanlage um. Auf 20 Metern und mit rund drei Metern Durchmesser sollen mehrere ausgeschnittene Löcher den Blick der Besucher*innen auf einzelne Ausschnitte des Weinviertels und der umliegenden Dörfer, Hügel und Kirchturmspitzen lenken. Wohlgemerkt: Der Ausblick ist zwar nicht ganz so aufregend wie von einem senkrechten Turm, aber immerhin konnte er auf kreative Art nicht mehr gebrauchte Teile zu neuem Leben erwecken. Im Inneren des Kunstwerks kann man zudem auch noch die Kunstwerke von Magdalena Frey bewundern.
Sonnbergen, 2130 Lanzendorf
Here After Here After Here
Das Wirrwarr beim Kreisverkehr der Autobahnabfahrt Stockerau Ost stammt vom indischen Künstler Jitish Kallat. Er schuf 2015 eine Endlosschleife, die den bunten Klebeschleifen für Geschenke etwas ähnelt. Auch dieses Kunstwerk sorgte anfangs für viel Aufsehen und Diskussionen. Die Schilder haben Farbe, Form und Schrift von österreichischen Autobahnschildern, weisen allerdings nicht nach Stockerau oder in Richtung einer anderen niederösterreichischen Region, sondern nach Marrakesch, Sydney, Warschau, Mumbai – eben in die ganze Welt hinaus. Tatsächlich verbindet der Künstler das „Auf-dem-Weg-Sein“ mit dem endlosen Knoten und ähnlichen Symbolen, die sich in vielen Kulturen finden. Die Autobahn-Geschenkschleife ist eines der drei Kunstwerke, die von der Initiative „10 vor Wien“ beauftragt wurde.
Autobahnabfahrt Stockerau Ost, 2000 Stockerau
Wer jetzt auf den Geschmack gekommen ist, findet noch mehr solcher Kunstwerke auf publicart.at. Sie sind dank der Abteilung „Kunst im öffentlichen Raum Niederösterreich“ entstanden.