Raunzen & Reisen: Warum ich nochmal in die gefährlichste Stadt Europas will
Wir lieben Reisen, und ganz ehrlich: Wir lieben auch Raunzen. Weil beides wunderschön sein kann, teilen wir hier schamlos unsere Gedanken und nehmen euch diesmal mit in die gefährlichste Stadt Europas. Denn die hat unsere Autorin Sonja ganz schön überrascht.
Backpack aufsetzen und die ganz große Freiheit spüren: Das ist zwar oft lebensverändernd und großartig, stellenweise aber auch ganz schön mühsam. Wir stellen den schillernden Insta-Filter rund ums Thema „Reisen“ mal aus und teilen unsere schonungslosen Gedanken zu allem rund ums Entdecken, Ausfliegen und Herumkommen.
Timing ist alles. Beim Pastakochen, in der Tanzschule, wenn es darum geht, welche Informationen man wann mit welcher Person teilt – eigentlich in jeglichem (zwischenmenschlichen) Kontext. Offenbar habe ich da aber ins Klo gegriffen. Denn als Reisebegleitung habe ich mir jemanden ausgesucht, der die Wertschätzung für den richtigen Moment offenbar nicht besitzt. Er hat sich den wohl schlechtestmöglichen Zeitpunkt ausgesucht, um mich über das Ranking zu den gefährlichsten Städten Europas zu informieren – nämlich während ich am Hauptplatz der Gewinnerstadt stehe.
Catania ist nicht Reykjavik, Helsinki oder Zürich. Dass eine sizilianische Großstadt nicht zu den sichersten des Kontinents gehört, konnte ich schon vor meinem ersten Besuch erahnen. Nicht aber, dass sich die zweitgrößte Stadt der italienischen Insel an der Spitze des Crime-Index befindet. Die Online-Datenbank Numbeo erstellt mittels Umfrageergebnisse jährlich ein Ranking zu den gefährlichsten Destinationen der Welt – bei dem Catania bei meinem Besuch Ende 2023 die Liste der europäischen Städte anführt.
Kurzer Check? Alles noch da!
Ich schaue mich am Hauptplatz also prüfend um, stecke meine teure, nicht ganz unauffällige Kamera mit betont legerer Handbewegung wieder ein und ziehe die Tasche so cool ich kann nah an meinen Körper. Als wäre ich Sicherheitspersonal am Flughafen klatsche ich mich ebenso lässig am Körper ab: Handy, Schlüssel zum Hotelzimmer, Geldbörse. Alles noch da. Und das gute Gefühl, das Urlaub in Sizilien eben so auslöst, komischerweise auch.
Vielleicht ist es meinem damaligen Leben in Berlin geschuldet, aber ich fühle mich in Catania wohl.
Sonja Koller
Vielleicht ist es meinem damaligen Leben in Berlin geschuldet, aber ich fühle mich in Catania wohl. Und das liegt, glaube ich zumindest, nicht nur an der bestechenden Mischung aus Cannolis und Granita zum Frühstück. Es liegt auch daran, dass eine Großstadt am Fuße des höchsten aktiven Vulkans des Kontinents einfach eine wirklich coole Sache ist. Wenn man noch eine italienische Insel, Palmen, ein Weinanbaugebiet und wenige andere Tourist*innen in den Mixer schmeißt, bekommt man ein Fleckchen Erde, das sich wirklich sehen lassen kann.
Auch andere Städte haben unschöne Parkbänke
Der nasse Fischmarkt unter der Brücke, der größtenteils unbeleuchtet ist, mit dem angrenzenden, fast noch schlimmer stinkenden Park: Klar, auch Catania hat Ecken, an denen ich mich nicht unbedingt auf einer Parkbank niederlassen würde. Aber das ist ja selbst in der lebenswertesten Stadt der Welt der Fall.
Ich stelle überhaupt nicht infrage, dass Catania vermutlich tatsächlich sehr gefährlich sein kann. Wie aber in Süditalien häufig der Fall, sind eher Einheimische von mafiösen Strukturen betroffen, als Tourist*innen, die Geld auf die Insel bringen. Ein guter oder zumindest kein noch dubioserer Ruf ist demnach wichtig, vermutlich werde ich nach diesem Text also als Mafiaprinzessin gehandelt.
I love you, I´m (not) sorry
Lasst euch davon aber nicht beirren und glaubt mir, wenn ich sage, dass ich Catania als Urlaubsziel wirklich empfehlen kann. Die Stadt selbst ist viel grüner als gedacht, bietet wunderschöne, teils an Wien erinnernde Architektur, an jeder Ecke ausgezeichnetes Essen und natürlich besten Wein.
Ihr solltet zum Beispiel unbedingt bei einem Weingut beim Ätna vorbeischauen und ausnutzen, dass Weinverkostungen hier absolut als Kulturprogramm durchgehen. Und dann müsst ihr natürlich noch hinauf, auf den Ätna. Entweder über die Südseite mit der Seilbahn oder über eine Wanderung auf der etwas weniger besuchten Nordseite.
Persönlicher Hang zum Nervenkitzel?
Vielleicht aber ist es auch die etwas toxische Mischung, die ich brauche, um mich von einer Stadt wirklich angezogen zu fühlen – schließlich bin ich ja auch mal nach Berlin gezogen. Denn als Numbeo 2024 ein Update des Rankings herausbringt, finde ich darauf viele meiner Lieblingsstädte wieder. Angeführt von dem Ort, den ich so gerne mag, dass ich mich dort über eine Studienalternative zu Berlin informiert habe: Marseille.
Catania ist übrigens abgestiegen und belegt aktuell nur noch Platz sechs im Ranking der gefährlichsten Städte Europas. Selbst in Italien ist laut dem Crime Index nun ein Ort gefährlicher: Neapel. Ihr könnt es vielleicht schon erahnen, auch diese Stadt liebe ich heiß und innig.