Raunzen & Reisen: Warum Köln zwar hässlich, aber geil ist
Wir lieben Reisen, und ganz ehrlich: Wir lieben auch Raunzen. Weil beides wunderschön sein kann, teilen wir hier schamlos unsere Gedanken und nehmen euch diesmal mit nach Köln. Denn unsere Autorin Sonja hat sich in die eigentlich hässliche Stadt ganz schön verliebt.
Backpack aufsetzen und die ganz große Freiheit spüren: Das ist zwar oft lebensverändernd und großartig, stellenweise aber auch ganz schön mühsam. Wir stellen den schillernden Insta-Filter rund ums Thema „Reisen“ mal aus und teilen unsere schonungslosen Gedanken zu allem rund ums Entdecken, Ausfliegen und Herumkommen.
Köln ist hässlich. Da müssen wir nicht drumherum reden. Mir als Wienerin ist Schönheit ja generell durchaus ein Anliegen und nichts, worüber ich bei der Bewertung einer Stadt grundsätzlich hinwegschauen kann. Eigentlich. Als mich die Mama meines damaligen Kölner Freundes bei meinem ersten Besuch in seiner Heimatstadt erwartungsvoll fragt, wie ich die Stadt denn so fände, druckse ich also herum.
Ich krame nach all meinem Wiener Charme, um ihr möglichst höflich feedbacken zu können, dass ihr Wohnort leider potthässlich ist. Nach ein paar mühsam zusammengesuchten Worten erlöst sie mich, unterbricht mein Gestammel und sagt, „Na klar ist Köln hässlich. Aber toll ist es doch trotzdem, oder?“
Nach vielen, vielen weiteren Besuchen und dem damit verbundenen Versuch, der Stadt das größtmögliche Verständnis entgegenzubringen, muss ich sagen: Sie hat recht. Diese Erkenntnis fällt mir speziell durch meinen Architektur-verwöhnten Wiener Background schwer, aber genau dieser Background erlaubt mir auch das Vokabular, um Köln am treffendsten zu beschreiben: Die Stadt ist einfach leiwand. Nach schönen Ecken muss man lange suchen, nach spaßigen Einwohner*innen nicht – und das als deutsche Stadt zu erreichen, gebührt eigentlich einer Sonderauszeichnung. Und das sage ich, nachdem ich sechs Jahre in Deutschland gelebt und mir die allergrößte Mühe gegeben habe, die Schönheit des Landes zu sehen.
Nach schönen Ecken muss man lange suchen, nach spaßigen Einwohner*innen nicht – und das als deutsche Stadt zu erreichen, gebührt eigentlich einer Sonderauszeichnung.
Sonja koller
Kölner*innen sind vieles, aber definitiv nicht steif
Wahrscheinlich ist es das tagelange kompromisslose Zusammenstehen im wettertechnisch für die nördliche Hemisphäre ja eher unpraktisch gelegenen Karneval im Februar oder März, der die Kölner*innen resilient für die sonst in Deutschland nicht gänzlich unbekannte Spaßfreiheit macht. Wer bei Wind und Wetter – und vor allem häufig Eiseskälte – täglich in einem anderen Kostüm von morgens bis abends trinkt, ist vieles – aber definitiv nicht steif.
Und auch, wenn man die größte Stadt im mit Schönheit nicht so gesegneten Bundesland Nordrhein-Westfalen an einem der anderen Tage im Jahr besucht, kann man sich sicher sein, mit offenen Armen empfangen zu werden. Dafür sorgen die unzähligen ulkigen Traditionen, die hier hochgehalten werden und über die ihr von Kölner*innen sicherlich bereitwillig in Kenntnis gesetzt werdet.
Kölsche Grundgesetze
Kölner*innen trinken nämlich wirklich mit so einer Überzeugung quasi nur Kölsch, dass Besucher*innen fast darüber hinweggetäuscht werden könnten, dass es wie Wasser mit Bier-Sirup schmeckt. (Anmerkung der Redaktion: Wir möchten die Stadtregierung nach diesem Satz ausdrücklich darum bitten, Sonja durch besonderes Engagement im Tourismus-Bereich in Form dieses Textes weiterhin nach Köln einreisen zu lassen).
Und dann wäre da auch noch die Fußballmannschaft, die nicht etwa so langweilig überperformt wie andere deutsche Mannschaften, in denen rot-weiß die vorherrschende Farbe ist, sondern die vor allem wegen des Maskottchens in Erinnerung bleibt. Geißbock Hennes ist eines von zwei lebenden Maskottchen in der deutschen Bundesliga und feuert tatsächlich vom Spielfeldrand an. Very Kölsch.
In Köln gibt es einen Lokalpatriotismus, wie man ihn in Deutschland sonst vergeblich sucht. Das manifestiert sich in unzähligen Karnevalsliedern, die – und das ist wichtig – deutlich von Après-Ski oder gar Oktoberfest-Hits abzugrenzen sind. Man stelle sich vor, dass sich an irgendeinem anderen Ort in Deutschland (!!) außerhalb des sportlichen oder gar Wettbewerbs-Kontexts vollkommen Fremde in den Armen liegen und stundenlang gemeinsam Songs grölen.
In Köln gibt es einen Lokalpatriotismus, wie man ihn in Deutschland sonst vergeblich sucht.
SONJA KOLLER
Wenn ich an Kölle denk
„Et jitt kei Wood dat sage künnt, wat ich föhl, wenn ich an Kölle denk (oh oh oh)“ mag als Liedtext eines der bekanntesten Karnevalssongs für Fremde auf den ersten Blick unverständlich klingen, drückt aber eigentlich genau aus, was Köln zu Köln macht. Zu Hochdeutsch bedeutet es: Es gibt kein Wort, das sagen könnte, was ich fühle, wenn ich an Köln denke (oh oh oh). Liebe Kölner*innen, nach all den spendierten Kölsch würde ich euch nach jahrelanger Feldforschung großzügig das Wiener Leiwand ausleihen.
Und allen anderen Leser*innen rate ich: Stattet dieser ulkigen Stadt einen Besuch ab. Selbst, wenn ihr (noch) keine Kölner Freund*innen habt, werdet ihr spätestens nach Übertreten der Stadtgrenze bestimmt gut ausgestattet sein. Wer dafür Nachhilfe braucht, redet einfach ein bisschen schlecht über Düsseldorf, das kommt in Kölner Kneipen immer gut an.