Raunzen & Reisen: Silvester im Ausland
Wir lieben Reisen, und ganz ehrlich: Wir lieben auch Raunzen. Weil beides wunderschön sein kann, teilen wir hier schamlos unsere Gedanken und reisen diesmal an dem für unsere Autorin Sonja schönsten Tag des Jahres um die Welt. Sie nimmt euch mit zu ihren schlimmsten und schönsten Neujahrsfeiern im Ausland.
Ich starte mit einem unüblichen Statement in eine Kolumne, in der es ums Raunzen geht: Ich liebe Silvester. Eigentlich ist es mein Lieblings-Gesellschafts-Event des Jahres. Mir ist durchaus bewusst, dass ich mit dieser Euphorie weitestgehend alleine bin. Ja, ich weiß, dass zu hohe Erwartungen Silvester kaputt machen können, die Planung die allermeisten stresst und viele dann doch etwas unzufrieden zurückblicken, weil es eben nicht der allerbeste Abend des Jahres war. Aber was Silvester für mich so schön macht: Der 31. Dezember fühlt sich wie ein Geburtstag an, den wir alle teilen. Und was ich an einem Geburtstag am liebsten mache? Na klar, verreisen.
Der 31. Dezember fühlt sich wie ein Geburtstag an, den wir alle teilen.
SONJA KOLLER
Den Großteil aller Jahreswechsel habe ich bisher im Ausland verbracht. Da waren zwei Feiern dabei, die ich rückblickend als Fails einstufen würde, aber auch Abende, die spontan richtig, richtig cool wurden. Fangen wir in gewohnter Manier mit dem Raunzen an: Der erste Fehlschlag trug sich in Vietnam zu.
Silvester in Vietnam mit Neujahres-Wunder
Problem Nummer eins: Der Jahreswechsel wird dort sowieso nicht am 31. Dezember gefeiert, sondern etwa ein Monat später während der Tet-Feiertage. Problem Nummer 2: Man mag es nach all den Backpacking Tiktoks gar nicht glauben, aber es gibt Orte in dem Land, an denen abends kategorisch einfach gar nichts los ist. So in der Kaiserstadt Huế in Zentralvietnam, die zwar Tempel, aber rundherum nicht viel Flair zu bieten kann. Ratet mal, wo ich mich mit meiner Familie am 31. Dezember 2017 eingefunden habe.
Da saßen wir also, auf den für Vietnam typischen Miniatur-Plastikstühlen in irgendeinem Straßenrestaurant und versuchten uns spontan für die Stunden zwischen Abendessen und Mitternacht ein in irgendeiner Weise würdiges Programm zusammenzimmern. Die einzig anderen, die an diesem Abend außerhalb ihrer gesichtslosen Business-Hotels unterwegs waren, saßen am Nebentisch: Fünf Männer, deren Konferenz hoffentlich bereits vorbei war – denn sie waren sturzbesoffen. Die Lage war so trostlos, dass ich mich erinnere, am Weg zur verschmutzten Toilette mangels Alternativen in Richtung Himmel um ein Wunder zu bitten. Und das kam.
Der Abend fand den wienerischsten Ausgang: Auf der Straße trafen wir eine befreundete Familie aus der Heimat, mit der wir sogar bereits einmal (beabsichtigt) einen Urlaub verbracht hatten. Nun aber hatten wir keine Ahnung, dass wir Vietnam zeitgleich bereisten. Sie führen vom Norden in den Süden, wir in die umgekehrte Richtung – und für nur einen Abend in Hue überschnitten sich unsere Routen. Über das zufällige Wiedersehen waren wir alle so erstaunt, dass wir uns zum Jahreswechsel fast verquatschten, weil so viel zu besprechen war.
Jahreswechsel in Neapel? Nie wieder
Der Schauplatz von Fail Nummer 2 ist Süditalien, wo ich später ironischerweise auch mein bisher schönstes Silvester im Ausland verbrachte. Vom Jahreswechsel in Neapel allerdings kann ich nur abraten. In den Stunden rund um Mitternacht sind die Straßen dort gänzlich leer.
Warum? Weil es üblich ist, sich zum Ende des Jahres von Altem, wie etwa Wachsmaschinen, zu befreien und diese vom Balkon auf die Straße zu schmeißen. Außerdem Brauch: mit echten Pistolen in die Luft schießen. Diese Kombination und die Menge an Böllern führt dazu, dass es ab dem frühen Abend selbst Locals auf den Straßen zu gefährlich ist.
Eigentlich wollte ich hier ja positive Stimmung rund um Silvester verbreiten. Man könnte meinen, dass die Feierlichkeiten, je älter man wird, immer schlechter werden. Irgendwie hat man das ganze Spiel dann einfach zu oft durchgespielt – aber ich bin Zockerin.
Averna und Techno mit Rentner*innen in Sizilien
Am 31. Dezember 2023 fuhr ich durch halb Sizilien und kam erst zum Sonnenuntergang im Airbnb an, das ich gemeinsam mit meiner Begleitung in Modica, im Barock-Tal von Noto, gemietet hatte. Nach dem ersten Blick auf die Terrasse war klar: Hier ist’s wunderschön – aber es gibt eigentlich auch nur eine Hauptstraße. Nicht gerade ein Indiz für eine breite Auswahl an Möglichkeiten für ein kurzfristiges Silvester-Programm.
Hier ist’s wunderschön – aber es gibt eigentlich auch nur eine Hauptstraße. Nicht gerade ein Indiz für eine breite Auswahl an Möglichkeiten für ein kurzfristiges Silvester-Programm.
SONJA KOLLR
Die eine Straße aber lieferte richtig ab: Zu nicht mal schlechten Techno Klängen zappelten wir dort wenige Stunden später mit gefühlt allen Einwohner*in der Stadt. Neben uns: Mädels, die auf den Schultern ihrer Väter mitwippten, die Dorfjugend, die einander aufriss, ältere Damen, die mit uns Prosecco um die Wette tranken und auch sonst ungefähr jede Person, die ihr aus dem Italo-Klischee-Topf zaubern könnt.
Das beste: der DJ, der sein Hobby wohl erst nach Renteneintrittsalter zum Beruf gemacht hat. Gefährlich war hier gar nichts, ein großer Teil der Hauptstraße für Autos gesperrt, hinter dem 75-jährigen Aufleger eine große Uhr mit dem Countdown.
Ein großer Pluspunkt beim Urlaub in Süditalien: die Preise. Wir konnten uns also, ohne mit Minus am Konto in den Januar zu starten, bei der Bar am Hauptplatz einen Averna Sour, Sekt und Aperol nach dem anderen bestellen – und bekamen sogar noch einen netten Tisch mitten im Geschehen. Ein paar Minuten vor Mitternacht aber gaben wir den auf, um für mich das wichtigste Ritual durchzuführen, ohne das ich, egal wo, auf der Welt, nicht ins neue Jahr starte.
Pflichtprogramm zu Silvester
Falls es bei Ö3 Statistiken gibt, von welchen Orten aus am Silvesterabend zugeschaltet wird, möchte ich mich jetzt outen: Dubai, Jamaika, Mauritius, Philippinen, Vietnam, Berlin, Neapel und schließlich Sizilien – das war alles ich. Denn als Wienerin verhandle ich über eins nicht: Ins neue Jahr tanzt man zu den Klängen der Pummerin und im Dreivierteltakt.