Ein Sagenspaziergang entlang des Wienflusses
Auf den Spuren von Wiener Sagen geht es von Wieden aus parallel zum Wienfluss bis nach Schönbrunn und schließlich nach Hietzing. Den einen oder anderen kulturellen und kulinarischen Stopp eingeschlossen.
Der Sagenspaziergang entlang des Wienflusses beinhaltet nur vier Sagenorte, führt euch aber in einer abwechslungsreichen Route mit einigen kulturellen und kulinarischen Highlights durch den Vierten, den Fünften und bis in den 13. Bezirk. Beachtet die Öffnungszeiten des Schlossparks Schönbrunn, damit ihr durch ihn hindurch spazieren könnt. Insgesamt seid ihr etwa zwei Stunden unterwegs. Ihr erreicht den Ausgangspunkt des Sagenspaziergangs optimal mit der U4 über die Station Kettenbrückengasse, wenn ihr den stadtauswärts gerichteten Stationsausgang nehmt. An der Rechten Wienzeile, schräg gegenüber des legendären Cafés Rüdigerhof, prangt am Haus Nummer 71 ein steinernes Hauszeichen mit einem Sagenmotiv.
Wassermännchen vom Wienfluss
Der Sage nach soll im Wienfluss einmal ein Wassermännchen gelebt haben, das über den Fluss herrschte. Solange es dort lebte, soll der Fluss nie versiegt sein. (Das dürfte ein wichtiges Element sein hinsichtlich der vielen entlang des Flusses befindlichen Mühlen.) Es hatte einen krummen Rücken, Augen, die tief in den Höhlen lagen, ein blasses Gesicht, bodenlange Haare, trug rote Stiefel, einen grünen Hut und einen grauen Rock, von dem immer Wasser getropft haben soll. Zum genauen modus operandi des Wassermännleins gibt es verschiedene Erzählungen. Aber eines ist stets gleich: Wer übermütig war und sich zu weit ins Wasser hinauswagte, wurde vom Wassermännlein unter Wasser gezogen und die Seele des oder der Ertrunkenen in den Gemächern des Wassergeists eingeschlossen. Die steinerne Darstellung über dem Haustor und eine Tafel im Hauseingang, die die Sage kurz nacherzählt, erinnern an das Wassermännlein und seine Opfer.
Rechte Wienzeile 71, 1040
Wendet euch vom Haus nach links ab und biegt in die erste Gasse rechts ein, die Rüdigergasse. Bei der ersten Möglichkeit biegt ihr links ab und dann in die dritte Gasse rechts, die Franzensgasse. Ihr spaziert vorbei an der Weinschenke, wo es vorzügliche Burger gibt, kommt an der MARIN Espressobar vorbei, wo ihr köstlichen Kaffee auf den Weg mitnehmen könnt, quert die Schönbrunner Straße, setzt euren Weg durch die Franzensgasse fort und kommt schließlich auf die Margaretenstraße, gleich beim beliebten Café Propeller und der Veganista-Filiale auf der Margaretenstraße. Ein Haken nach links und einer nach rechts, schon seid ihr in der Kleinen Neugasse angekommen, die schließlich in die Klagbaumgasse übergeht. Die nächste Station befindet sich streng genommen an der Ecke zur Wiedner Hauptstraße, aber ihr macht besser beim Bezirksmuseum Wieden Halt, in der Klagbaumgasse Nummer 4.
Der Klagbaum
Im 13. Jahrhundert wurde in der damaligen Vorstadt-Gemeinde Hungelbrunn, heute Teil des 4. Bezirks, ein sogenanntes Siechenhaus für Leprakranke erbaut. Die Krankenanstalt wurde dem Heiligen Hiob gewidmet. (Dem Buch Ezechiel im Alten Testament nach verlor er zuerst seinen Reichtum, dann seine Kinder, dann erkrankte er auch noch an Lepra. Er soll erst geheilt worden sein, nachdem er aufgehört hatte, über sein Leid zu klagen und nach dem „Warum?“ zu fragen, und stattdessen Gott als allmächtigen Herrscher und Schöpfer anerkannt hatte.) Neben der dazugehörigen Kapelle des Spitals soll ein prächtiger Lindenbaum gestanden sein, der in der Nacht zu klagen schien und damit den Bewohnern der Gegend Angst einjagte. Sie dachte nämlich, dass er Unheil hervorsagte. Sie vermuteten, dass im Baum eine verlorene Seele gefangen war und baten den Seelsorger des Spitals, die Seele zu befreien. Als der Pfarrer unter den Blicken einiger Schaulustiger, ausgerüstet mit Kruzifix und Weihwasser, vor den Lindenbaum trat, erleuchtete ein Mondstrahl die Nacht und der Pfarrer erkannte eine dunkle Gestalt unter dem Baum. Erschrocken hob er sein Kreuz, um den Schatten zu beschwören, da tauchte dieser neben ihm auf, verschwand mit ihm in der Kirche und der Pfarrer tauchte vorerst nicht mehr auf. Die schaulustigen Bürger*innen gingen davon aus, der Geist habe den Seelsorger geholt. Der Geistliche tauchte am nächsten Morgen allerdings wieder auf und berichtete, dass die Gestalt ein Ritter und Sänger gewesen sei, der unter der einsam stehenden Linde seine Klagelieder über die herrschende Lepra-Seuche gesungen hatte. Die Menschen glaubten dem Pfarrer allerdings nicht und meinten, er sei mit dem Geist im Bunde. Fortan soll das Spital „Zum Klagbaum“ genannt worden sein. Tatsächlich dürfte der Name „Klagbaum“ allerdings auf das im Siegel des Spitals abgebildete Kruzifix zurückgehen. Heute erinnert nur mehr die Klagbaumgasse an das Spital, das Ende des 18. Jahrhunderts aufgelassen wurde.
Klagbaumgasse 1-4, Ecke Wiedner Hauptstraße 64-66, 1040
Euer nächster Sagenstopp liegt erst in Schönbrunn. Bis dahin nehmen wir euch auf eine Tour entlang einiger Hotspots und Geheimtipps mit. Biegt nun gegenüber des Bezirksmuseums in die Anton-Burg-Gasse ein und folgt ihr, bis ihr in der Ziegelofengasse anstoßt. Wendet euch nach rechts, spaziert vorbei an der hervorragenden Pizzeria La Fornace und biegt bei der ersten Möglichkeit links ab, auf den Mittersteig. Spaziert vorbei am Schütte-Lihotzky-Park und biegt am nächsten Eck rechts in die Schloßgasse ab. Vorbei an der Kletterhalle Blockfabrik geht’s in Richtung des namensgebenden Margaretner Schlosses. Das Schloss war früher der Herrschaftssitz des Dorfs Matzleinsdorf. Heute findet ihr dort den Gastro-Cluster Schlossquadrat.
Am Ende der Schloßgasse biegt ihr einmal links, dann rechts ab und gelangt wieder auf die Margaretenstraße. (Wer eine Stärkung braucht, kann kurz in der Pilgramgasse bei Coffee Junkie oder beim Budapest Bistro vorbeischauen.) Überquert die Margaretenstraße, wendet euch nach links und spaziert vorbei am pittoresken Margaretenhof und dem gegenüber liegenden italienischen Feinkostladen Dai Golosi. In der nächsten Kurve gelangt ihr durch einen Durchgang in die Bräuhausgasse und biegt bei der nächsten Gelegenheit in die Ramperstorffergasse ein dann nach links in Richtung Schönbrunner Straße, über sie drüber und schließlich zum Rosa-Janku-Park.
Ab hier führt euer Weg bis Hietzing stets am Wienfluss entlang, auf einem Fußgänger- und Radweg, vorbei an schmucken Jugendstil- und imposanten Gründerzeit-Häusern, die eng an eng mit glatten, anonymen Gemeindebauten aus dem 20. Jahrhundert und verglasten moderneren Blöcken stehen. Ihr kommt auf eurem Weg zunächst an der Nevillebrücke vorbei, die die ehemaligen Vorstädte Hundsturm und Gumpendorf verbindet. Ihr heutiger Name leitet sich von Ingenieur Franz Neville ab, nach dessen System sie erbaut wurde – als erste unter den Wiener Brücken.
Die nächste interessante Station ist der Bruno-Kreisky-Park, in dem im Sommer normalerweise Open-air-Kinovorstellungen stattfinden. In der warmen Jahreszeit kann man hier in einer der geflochtenen roten Hängematten Rast machen. Quert den Margaretengürtel und setzt euren Weg fort, quer durch den grünen Flecken inmitten des Gürtelverkehrs namens Stadtwildnis Gaudenzdorfer Gürtel und unter der Brücke über die Zeile durch. Die Brücke wurde von Otto Wagner entworfen und Ende des 19. Jahrhunderts für die Wiener Dampfstadtbahn errichtet. Heute fährt dort die U6. Folgt dem Weg bis zur U4-Station Längenfeldgasse und weiter in Richtung U4 Center Meidling. Zugegeben, es gibt sympathischere Plätze. Aber dort erwarten euch die nach unserem Krapfen-Tasting 2019 besten Krapfen Wiens: die Faschingskrapfen der Konditorei Groissböck. Mit einem Krapfen in der Hand geht’s vorbei am legendären Club U4, wo Falco Stammgast war. An dieser Stelle müsst ihr derzeit wegen einer Baustelle den ersten Wohnblock nach der Querung Fabriksbrücke umrunden, ehe ihr wieder auf den Weg links des Wienflusses gelangt. Geradeaus gelangt ihr zur Grünbergstraße. Überquert sie und die Schönbrunner Schloßstraße und betretet den Schönbrunner Schlosspark durch das Meidlinger Tor. Der nächste Stopp, der Schöne Brunnen, liegt nur wenige Gehminuten weiter.
Schöner Brunnen
Auf dem Übersichtsplan des Schlossparks, der jeweils an den Eingängen aufgestellt ist, findet ihr den Schönen Brunnen als Nummer 10 eingezeichnet. Dieser, im Vergleich zu anderen Brunnen auf dem Anwesen, unscheinbare Brunnen, soll dem Areal der Legende nach seinen Namen verschafft haben.
Kaiser Matthias soll Anfang des 17. Jahrhunderts bei einer Jagd an dieser Stelle auf eine Quelle gestoßen sein und ausgerufen haben: „Welch‘ schöner Brunn!“ Aus dem „Katterburg“ genannten Jagdareal samt Jagdschloss soll infolge dessen „Schönbrunn“ geworden sein. Ob sich das genauso ergeben hat, ist nicht belegt. Urkundlich taucht der Name „Schönbrunn“ für das Anwesen jedenfalls 1642 erstmals auf, nachdem die Witwe von Kaiser Ferdinand II. ein Lustschloss errichten lassen hatte.
Setzt euren Weg beliebig durch den Park fort in Richtung Hietzinger Tor. Wir haben den Pfad an der Gloriette und am Tiergarten Schönbrunn vorbei gewählt – mit etwas Glück seht ihr Tiere – und sind dann am Palmenhaus vorbei Richtung Hietzinger Platz spaziert. Dort liegt der Endpunkt des Spaziergangs.
Maria Hietzing
Um das auf dem Hochaltar in der Kirche Maria Hietzing befindliche goldene Gnadenbild rankt sich eine Legende. Als die Kirche 1529 während der Ersten Türkenbelagerung zerstört wurde, konnte die Gnadenstatue der Heiligen Maria in einem Baum versteckt und damit gerettet werden. Die Türken bedrohten die Bevölkerung, töteten oder versklavten sie. Der Legende nach sollen drei Männer von den Belagerern gefangengenommen und an eben jenen Baum gebunden worden sein, in dessen Krone die Gnadenstatue versteckt worden war. Als die Gefangenen die Heilige Maria um Hilfe baten, begann der Baum plötzlich zu leuchten und zwischen den Ästen verborgene Statue wurde von hellem Glanz umgeben. Die Heilige Maria soll die Fesseln der Männer abfallen lassen und ihnen: „Hüats enk!“, also „Hütet euch!“, zugerufen haben. Der Legende nach kommt davon der Name des Vororts. Tatsächlich leitet sich „Hietzing“ aber von der Kurzform „Hezzo“ oder „Hiezo“ für „Heinrich“ ab. Der Ortsname geht zurück auf Kaiser Heinrich II. aus dem sächsischen Adelsgeschlecht der Ottonen. Dieser benannte das heutige Hietzing und Umgebung in einer Schenkungsurkunde an die Propstei Bamberg aus dem Jahr 1015 erstmals, damals allerdings „Godtinesfeld“.
Am Platz 1, 1130
Übrigens hat die Kirche eine sehr turbulente Geschichte: Die ursprünglich Anfang des 15. Jahrhunderts errichtete gotische Kapelle wurde Ende desselben Jahrhunderts durch einfallende Ungarn zerstört, dann wieder durch die Türken 1529, wurde danach zwar wieder etwas hergerichtet, verfiel aber zusehends bis Ende des 15. Jahrhunderts. Die Ruine wurde im ausgehenden 16. Jahrhundert wieder instand gesetzt, knapp 20 Jahre später wieder von den Ungarn zerstört, daraufhin wieder aufgebaut, Mitte des 17. Jahrhunderts barock umgestaltet und fiel dann aber 1683 der Zweiten Türkenbelagerung zum Opfer. Sie wurde wieder aufgebaut und zuletzt während des Zweiten Weltkriegs beschädigt. Heute befindet sich Maria Hietzing in sehr gutem Zustand und steht unter Denkmalschutz.
Zur Stärkung nebenher empfehlen wir euch außerdem die Waldemar Tagesbar und das Nook Café in der Altgasse. Im Sommer lockt die Veganista-Filiale am Fuß der Lainzer Straße.
Falls ihr noch mehr Sagen wollt, bekommt ihr auf unserem Sagenspaziergang durch die Innenstadt die volle Ladung. Wenn ihr noch nicht genug habt, könnt ihr einen Spaziergang durch die versteckten Innenhöfe und Geheimgänge Wiens machen. In unserer Liste Geheimtipps für Wien entdeckt ihr noch mehr spannende Unternehmungen. Meldet euch auf unserer Website an und folgt der Liste, um keine Updates zu verpassen.