8 schöne Friedhöfe in Wien zum Spazierengehen
Manch eine*r findet Spaziergänge am Friedhof makaber, andere setzen sich zu ungern mit der eigenen Vergänglichkeit auseinander, als dass sie sich Beweisstücken für dieselbe aussetzen wollen. Wir aber finden: Friedhöfe sind nicht nur schöne Orte zum Spazierengehen, sondern auch zum Reflektieren und Auseinandersetzen mit Geschichte. Wir verraten euch, wo wir besonders gerne als Lebendige unter den Toten wandeln.
Einerseits: Wie wunderbar doch ein Friedhofsspaziergang zur leicht morbiden, schwarzen Seele der Wiener*innen passt. Andererseits: Wieso sollten wir immer nur zu Begräbnissen auf Friedhöfe gehen, bis wir letztendlich nach unserem eigenen für immer dort landen? Schließlich sind Friedhöfe vielseitige Orte, Stätten der schönen Erinnerung und besonders gut zum Nachdenken. Und dann und wann lässt es sich über ungewöhnliche Grabsteine schmunzeln und über kunstvolle Denkmäler staunen, Geschichte lernen und auch mal Fauna beobachten.
Friedhof Rossau
Im Servitenviertel findet ihr einige Erinnerungen an die ehemals in dem Wiener Stadtteil stark vertretene jüdische Gemeinde. Eine davon ist der älteste erhaltene jüdische Friedhof Wiens: der Friedhof Rossau, oft auch Jüdischer Friedhof Seegasse genannt. Falls euch der bei euren Streifzügen durch die Gegend noch nie aufgefallen ist – kein Wunder, denn er liegt verborgen hinter dem Seniorenwohnheim Haus Rossau. Durch dessen Eingang müsst ihr, um zum Friedhof zu kommen. Im Innenhof des Altenheims stehen auf etwa 2.000 Quadratmetern über 350 jüdische Grabdenkmäler, von denen manche über 500 Jahre alt sind.
Der Friedhof hat eine bewegte Geschichte hinter sich: 1540 angelegt, überdauerte er Jahrhunderte von Animositäten gegenüber der jüdischen Wiener Gemeinde, wurde 1783 geschlossen, als Kaiser Joseph II. aus Hygienegründen die Nutzung von Friedhöfen innerhalb des Linienwalls der Stadt untersagte. Stattdessen wurde ein neuer jüdischer Friedhof außerhalb des Linienwalls angelegt: der Jüdische Friedhof Währing. Aber wegen jüdischer Religionsgesetze rührte den Friedhof in der Seegasse niemand an. Während des Zweiten Weltkriegs beschlossen die Nazis, den Friedhof zu schleifen und die Fläche zu verbauen. Einen Teil der Grabsteine mussten jüdische Zwangsarbeiter deshalb am Zentralfriedhof vergraben, wo sie in den 1980ern wiederentdeckt und zu ihren früheren Plätzen zurückgebracht wurden. Die Inschriften sind ausschließlich hebräisch. Übrigens fanden hier etwa der Diplomat Samuel Oppenheimer und der Oberrabbiner Samson Wertheimer ihre letzte Ruhestätte.
Normalerweise ist der Friedhof Rossau montags bis freitags von 7 bis 15 Uhr zugänglich. Allerdings ist er zurzeit wegen Bauarbeiten auf unbestimmte Zeit gesperrt!
-
Servitenviertel | Servitengasse, 1090 Wien
Jüdischer Friedhof Währing
Im Gegensatz zu seinem Vorgänger ist der Jüdische Friedhof Währing nicht öffentlich zugänglich. Das liegt vor allem an seinem desolaten Zustand. In den 1880ern wurde er geschlossen, in der NS-Zeit zum Teil zerstört und war bis vor Kurzem dem stetigen Verfall ausgesetzt. Jüdische Friedhöfe sind aber für die Ewigkeit angelegt – dem jüdischen Glauben nach warten die Verstorbenen hier auf das Jüngste Gericht. Vor etwa zehn Jahren riefen die Grünen daher eine Freiwilligen-Initiative ins Leben, die sich einmal im Monat um die verfallenen Gräber kümmert, Unkraut jätet und Ordnung schafft. Vor einiger Zeit waren wir zu Allerheiligen einmal mit von der Partie. Entweder bei diesen Aufräumaktionen oder im Rahmen von öffentlichen Führungen könnt ihr den Friedhof also doch betreten und einen seltenen Blick hinter seine Mauern werfen.
>> Mehr lesen: Gräber putzen am Jüdischen Friedhof Währing
-
Jüdischer Friedhof Währing | Schrottenbachgasse 3, 1180 Wien
-
nur im Rahmen von Führungen
Sankt Marxer Friedhof
Der Jüdische Friedhof Währing und der Sankt Marxer Friedhof im Dritten sind die beiden letzten Biedermeier-Friedhöfe der Stadt. Der Friedhof in St. Marx wurde 1874 geschlossen und ähnlich wie der Jüdische Friedhof Währing sich selbst und damit dem Verfall überlassen. Jahrzehntelang erkämpfte die Natur sich ihren Platz zurück, später erst wurde der Friedhof wieder revitalisiert. Noch heute zeugen jede Menge Vegetation, grüne, ungepflasterte Wege und Naturbelassenheit von diesen wilden Jahren.
Seine unverputzte Ziegelmauer grenzt ihn, mitten zwischen Starkverkehr und Industriegebiet an der Grenze vom 3. zum 11. Bezirk, deutlich und zugleich subtil vom restlichen Stadtbild ab. All das macht ihn unserer Meinung nach zu einem der idyllischsten Friedhöfe Wiens. Die bekannteste Grabstätte des Friedhofs ist übrigens die von keinem Geringeren als Wolfgang Amadeus Mozart. Hier ruht also definitiv ein Stück Geschichte, und an kaum einem anderen Ort in Wien zeigt der goldene Herbst sein facettenreiches Farbenkleid so deutlich.
-
Sankt Marxer Friedhof | Leberstraße 6, 1030 Wien
-
1. April – 30. September: 6.30 – 20 Uhr; 1. Oktober – 31. März: 6.30 – 18.30 Uhr
Meidlinger Friedhof
Nachdem die 1784 und 1806 geweihten ersten Meidlinger Friedhöfe nacheinander unbrauchbar geworden waren, wurde der heutige Friedhof 1862 eingeweiht. Die Gräber der vorherigen Stätten wurden vollständig übertragen, wodurch der Friedhof als einer der ältesten Wiens gilt. Etwas makaber: Er liegt heute direkt gegenüber des Meidlinger Unfallkrankenhauses.
Die Aufbahrungshalle wurde 1984 von Erich Boltenstern geschaffen. Auf dem weitläufigen, halb sternförmig angelegten Friedhof – er besteht aus zwei Teilen, die durch die Eibesbrunnergasse getrennt sind – findet ihr eine Handvoll bekannter Namen, etwa den Wienerlied-Komponisten Carl Lorens und den Künstler Karl Stojka, Bruder der Schriftstellerin und Künstlerin Ceija Stojka. Übrigens leben auf dem Friedhof seit den 1990ern Feldhamster. Sie stehen auf der Roten Liste der gefährdeten Arten, sind also vom Aussterben bedroht.
-
Meidlinger Friedhof | Haidackergasse 6, 1120 Wien
-
3. November – Ende Februar: 8 – 17 Uhr; März und 1. Oktober – 2. November: 7 – 18 Uhr; April – September: 7 – 19 Uhr
Wiener Zentralfriedhof
Natürlich darf der Wiener Zentralfriedhof auf unserer Liste nicht fehlen. Er ist Wiens größter Friedhof. Das war von Anfang an seine Bestimmung, denn er wurde 1874 damals noch außerhalb der Stadt Wien geweiht, um für Jahrzehnte und Jahrhunderte ausreichend Platz zu bieten. Heute umschließt ihn Wiens 11. Bezirk, Simmering. Der Friedhof nimmt ein Areal von 2,4 Quadratkilometern ein und ist damit beinahe so groß wie die Wiener Innenstadt. Er ist damit nach dem Hamburger Ohlsdorf Friedhof der zweitgrößte Europas. Auf dem Zentralfriedhof haben diverse Konfessionen ihren eigenen Teil zugesprochen bekommen. Im Zentrum des Friedhofs liegt die 1911 geweihte, im Jugendstil errichtete Dr.-Karl-Lueger-Kirche.
Und wie könnte es anders sein, liest sich die Liste der prominenten Gräber und Ehrengräber wie ein Who-is-who der österreichischen Geschichte – alle seit 1951 verstorbenen Österreichischen Bundespräsidenten, Adolf Loos, Antonio Salieri, Helmut Qualtinger, die Strauss-Familie und viele mehr. Mit etwas Glück seht ihr auf eurem Spaziergang etwa Rehe oder Eichhörnchen zwischen den Grabsteinen hindurch huschen. Ihr könnt übrigens auch Friedhofsführungen mit verschiedenen Schwerpunkten buchen.
>> Mehr lesen: 11 Dinge, die man im 11. Bezirk machen muss
-
Zentralfriedhof Wien | Simmeringer Hauptstraße 234, 1110 Wien
-
täglich
Simmeringer Friedhof
Tatsächlich ist der Zentralfriedhof aber längst nicht das einzige sehenswerte Gräberfeld im 11. Bezirk. Viel kleiner, aber dafür auch viel ruhiger ist etwa der Friedhof unter der Pfarre Alt Simmering. Geht man über den Kopfstein gepflasterten Platz vor der Kirche, kommt fast ein bisschen Dorf-Feeling auf. Dann geht’s die Steinstufen neben dem kleinen Kirchengebäude bergab mit Blick auf die aufgereihten Grabsteine. Große Bäume spenden im Sommer Schatten und sorgen im Herbst für ein einzigartiges Farbenspiel. Interessanter, wenn auch ziemlich morbider Fakt: Hier liegt Österreichs letzter Scharfrichter Josef „Peppi“ Lang begraben.
-
Simmeringer Friedhof | Unter der Kirche 5, 1110 Wien
-
3. November – Ende Februar: 8 – 17 Uhr; März und 1. Oktober – 2. November: 7 – 18 Uhr; April – September: 7 – 19 Uhr
Friedhof der Namenlosen
Noch kleiner, noch spezieller und viel weiter draußen am Stadtrand ist der Friedhof der Namenlosen. Fast versteckt hinter der Alberner Hafenanlage recken sich ein paar Handvoll Messingkreuze aus dem Boden, die jenen gedenken, die den Fluten der Donau zum Opfer fielen – freiwillig oder unfreiwillig. Der Friedhof, den man heute besuchen kann, ist aber eigentlich der zweite Standort. 1840 wurde nämlich die erste unbekannte Wasserleiche aus der Donau an dem Ort bestattet, an dem man sie aus dem Wasser zog. So entstand der ursprüngliche Friedhof der Namenlosen.
Allerdings wurde diese Stelle immer wieder von Hochwasser überflutet. 1900 wurde daher ein zweiter Friedhof hinter dem Hochwasserdamm errichtet. Die letzte Beisetzung fand zwar 1940 statt, aber auf einem der Grabkreuze steht die Jahreszahl 1953. Heute ist er jedenfalls stillgelegt und dient dem Gedenken der Donauversehrten. Auf manchen Grabkreuzen stehen ihre Namen, andere sind wiederum völlig anonym, wie etwa auch das Kindergrab vom „Seppl“, dem dieser Name nachträglich gegeben wurde und dem noch heute manche Besucher*innen Grabgaben unters Kreuz legen. Einerseits ein düsterer, beklemmender Ort, andererseits aber ein seltsam friedlicher Ruheplatz zwischen Hafenlärm und Donaurauschen – definitiv aber ein einzigartiges Zeugnis der Stadtgeschichte.
-
Friedhof der Namenlosen | Alberner Hafenzufahrtsstraße, 1110 Wien
-
täglich
Baumgartner Friedhof
In Sachen Größe steht der Baumgartner Friedhof zwar an fünfter Stelle in Wien, aber in Sachen Aussicht ist er ganz vorne mit dabei. Er zieht sich vom Waidhausenpark bis hinauf zum Flötzersteig und bietet einen einzigartigen Blick über die Grabsteine hinweg auf ganz Wien. Die signifikante Jesusstatue aus dem Meißel von Andreas Halbig etwa in der Mitte des Friedhofs war ursprünglich für den Dom im ungarischen Gran bestimmt, fand über Umwege zunächst in einen Gastgarten im 14. Bezirk und schließlich auf den Baumgartner Friedhof. Übrigens besitzt dieser auch einen eigenen Grabsteinhain mit interessanten Grabsteinen, die nach der Auflassung ihrer Gräber hier aufgestellt sind.
-
Friedhof Baumgarten | Waidhausenstraße 52, 1140 Wien
-
täglich