Unser Senf: Warum ich den AI Yearbook-Trend so schrecklich finde
Instagram, TikTok & Co. bringen beinahe wöchentlich neue Trends hervor, die wir meist gerne ausprobieren. Doch nicht allen sollte man blind hinterherlaufen. Unsere Autorin stört sich aktuell sehr am AI-Yearbook-Trend. Warum, erfahrt ihr in diesem Artikel.
TW: Bodyshaming
Es ist mitten in der Nacht an einem Wochenende in Wien. Ich komme gerade von einer Geburtstagsfeier heim und scrolle vor dem Einschlafen noch „kurz“ durch Instagram. Das wäre an sich nichts Besonderes. Doch an diesem Wochenende schleichen sich zwischen die klassischen Posts von Essen und Erstgeborenen diverse Fotoreihen, die alle diesem typischen High-School-Yearbook-Stil unterliegen. Für die Bilder, die euer Gesicht in ein amerikanisierte Ideal mischen, ist die App EPIK verantwortlich.
Wie soll es anders sein, kostet der Spaß ganze 7 Euro und es dauert bis zu zwei Stunden, bis die 60 verschiedenen Bilder entstanden sind. Ich tippe auf sämtliche Bestätigungsfelder und schlafe doch noch mit dem Handy in der Hand ein.
Ungutes Gefühl
Am nächsten Morgen stechen mir nicht nur Kopfschmerzen ins Auge, sondern auch der Hinweis, dass mein Foto-Experiment abgeschlossen ist. Ich beginne also, mich durch die Sammlung an Versionen meines nostalgischen 90er-Jahre-Ichs zu wischen. Je länger ich das tue, desto unwohler wird mir – und das liegt nicht an meinem sich ausbreitenden Kater.
Mein Problem mit dem AI-Yearbook-Trend: Ich vergleiche mich augenblicklich mit Versionen eines Ichs, das es überhaupt nicht gibt. Diese Lilli gab es nie und wird es nie geben. Sie hat teilweise braune Augen, darüber kann man natürlich hinwegsehen. Irgendwie ja auch spannend, mit der Überlegung zu spielen, was wäre wenn. Womit ich allerdings nicht klarkomme, ist das stereotype Körperbild, das die App in einem Wisch allen von uns aufdrückt.
Sportlich, schlank, sexy: Die AI zeichnet das absolute Klischee
Manche Ausschnitte zeigen mich nur im Profil, andere aber zeichnen ganze Outfits in verschiedenen Stilen mit ab. Das Internet tut sich mit der Repräsentation diverser Körper, die nicht dem 90-60-90-Maß entsprechen, schon schwer genug, der AI-Trend grätscht jeglichem Fortschritt aber auch noch von links rein. Denn mein Gesicht erscheint hier plötzlich auf dem Body einer schlanken Teenagerin. Besonders absurd: Auch Personen des öffentlichen Lebens, die sonst so sehr auf Body Positivity oder Neutrality pochen, teilen ihr künstlich-generiertes Ich und unterstützen damit direkt dieses skinny Körperbild.
Ich selbst sah nie so aus und mittlerweile bin ich absolut okay damit. Meistens. Es ist übrigens auch sehr falsch, anzunehmen, dass unsere Teenie-Ichs alle dünner sind, nur weil sie damals jünger waren. Wo sind außerdem die Zahnspangen? Die Akne? Die Haare, die beim letzten Friseurbesuch doch kürzer geschnitten wurden als gewollt? Ich kann mich gut an ein Klassenfoto erinnern, auf dem ich mehr wie eine explodierte Zahnbürste als ein Hollywood-Sternchen aussehe.
Die Sache ist doch die: Wir vergleichen uns Tag für Tag in den Sozialen Medien. Dass uns das absolut nicht guttut, wissen wir. Dass TikTok, Instagram & Co. wohl nie die Realität zu 100 Prozent wiedergeben, sollte uns auch bewusst sein. Dass AI-Features immer einen Hauch Unwohlsein mit sich bringen, schön und gut. Aber dass ich an einem Sonntagvormittag im Bett liege und mich mit einem nicht-realen Bild von mir selbst vergleiche, das alte Verletzlichkeit triggert und neue Unsicherheiten ans Tageslicht bringt – das braucht’s nun wirklich nicht.
Bodyshaming à la AI? Nein, danke!
Ich glaube, in jeder und jedem von uns schlummern Unsicherheiten. Einige haben mit dem eigenen Körper zu tun und stammen zu großen Teilen noch aus der Schulzeit. Bodyshaming wird nicht von heute auf morgen verschwinden. Und es wird immer ein Schönheitsideal geben, das man nicht erfüllt. Besonders als weiblich gelesene Person ist das unmöglich.
Ich freue mich extrem für all diejenigen, die nie ein Problem mit Kilos, Cool-Sein oder der Körbchengröße hatten. Wer sich aber dem AI-Yearbook-Trend anschließt ohne ein flaues Gefühl in der Magengegend oder negative Gedanken, die längst verarbeitet schienen, ist ziemlich privilegiert. Und 2023 sollte endlich einmal Schluss sein mit unhinterfragten Privilegien.