Raunzen & Reisen: Warum Skifahren in Frankreich nicht so ist, wie ihr denkt
Wir lieben Reisen, und ganz ehrlich: Wir lieben auch Raunzen. Weil beides wunderschön sein kann, teilen wir hier schamlos unsere Gedanken und nehmen euch diesmal mit an den Mont Blanc. Die Pisten dort haben unsere Autorin Sonja nämlich ganz schön überrascht.


Ich zische die Piste hinunter und fahre auf eine wirklich unglaubliche Gebirgskette zu. Den nächsten Schwung ziehe ich ein bisschen nach links und sehe ihn endlich: den Mont Blanc. Und um mich herum – fast niemanden. Die Pisten in Les Houches, einem der Skigebiete, die Chamonix umgeben, sind fast leer. Und das, obwohl ich sie nicht etwa unter der Woche, sondern am Wochenende Anfang Februar unsicher mache.
Touri-Magnet Skirennen – oder nicht?
Und das auch noch an DEM Ski-Wochenende des Jahres. Denn heute hätte genau auf dieser Piste eigentlich die FIS-Weltcupabfahrt stattfinden sollen. Die besten Ski-Rennläufer*innen der Welt sind trotzdem angereist: Denn immerhin steigt morgen wie geplant das Slalom-Weltcuprennen. Zeit für Verkehrschaos und Massen, die nicht müde von „Sweet Caroline“ zu werden scheinen, oder doch?
Während man sich in Österreich allwöchentlich brav vor dem Fernseher versammelt, um den ÖSV anzufeuern, scheint das Rennen in Frankreich kaum wen zu interessieren. Die Veranstaltung dürfte nicht auf Fans in Ekstase ausgerichtet sein, sondern gleicht einer Informationsveranstaltung, bei der man den Skirennsport neuen Publikumsgruppen näherbringen will. Bei der Startnummernauslosung etwa scheinen kaum mehr als zwei handvoll Leute die Namen der Athlet*innen zu kennen, und auch für das Rennen selbst muss man nicht besonders früh aufstehen, um Plätze in der ersten Reihe zu ergattern.


Pisten-Picknick
Was ich an dem Wochenende auch lerne: Skifahren in Frankreich ist ganz anders als in Österreich. Während man in der Alpenrepublik regelrecht als Extremsportler*in gilt, wenn man mittags nicht gemütlich auf Schnitzel, Germknödel und die ein oder andere Cremeschnitte in eine Hütte einkehrt, gibt man sich in Frankreich mit bescheidenem Lunch zufrieden. Die Picknickkultur hat es dort nämlich tatsächlich auch auf die Pisten geschafft.
Klar, Essen auf Hütten kostet – aber es ist doch essenzieller Bestandteil eines Skitages. Genau wie das laute Schnaufen beim Schließen der Skischuh-Schnallen und jenes, wenn man sich wieder daran erinnert, dass man doch eigentlich die Skikarte zurückgeben wollte, um den Einsatz einzusammeln.
In Frankreich scheint man das anders zu sehen, und rund um die Mittagszeit wird es sich tatsächlich einfach an mehr oder weniger nette Plätzchen in der Nähe der Lifte bequem gemacht und Baguettes ausgepackt. Wer sich nicht vor dem Skitag ausgestattet hat, kann diese tatsächlich sogar auf den Pisten kaufen. Hütten Lunch light sozusagen.
In Frankreich geht Skivergnügen anders
Während man so im Schatten der Lifte isst, wird einem noch ein für eine Österreicherin ungewohntes Bild geboten: Die Lifte nämlich muten selbst im durchaus bekannten und beliebten Skiort Chamonix sehr anders an, als in den österreichischen Glamour-Pendants Kitzbühel oder Arlberg. Hier geht alles etwas mehr im Retro- und Wes-Anderson-Style zu. Macht sich besser auf Instagram, ist aber Komfort-technisch Jahrzehnte hinter Österreich. Günstiger sind die Skipässe deswegen nicht unbedingt.

Neben der Liebe zu Baguettes sehe ich in Chamonix noch ein weiteres Frankreich-Klischee bestätigt. Kaum ein französischer Familienvater etwa wird die Begleitung hier frühmorgens aus dem Bett scheuchen, um “den Skipass auszunutzen“. Es geht hier – anders, als in Österreich –, nicht um ein als Familienurlaub getarntes Trainingslager, sondern wirklich um Urlaub.
Skipionier*innen essen abends trotzdem Käsefondue
Da ist das Skifahren nur eine von vielen möglichen Aktivitäten: Rund um die Piste finden in Chamonix etliche Spektakel statt, die mit Sport nichts zu tun haben. Es gilt gleich mehrere schöne Zug- bzw. Straßenbahnstrecken, ein Gletschermeer und die Aussichtsplattform zum Mont Blanc zu besichtigen. Ein Besuch in Chamonix fühlt sich aktivitätstechnisch an, wie Sommerurlaub – nur eben mit eisgekühlten Sehenswürdigkeiten.

Eine größere Off-Piste Kultur, Lunch zum Mitnehmen, mehr oder weniger Survival-Camp-Feeling: Wer sich so fühlen mag, als wäre er oder sie noch Skipionier*in, ist – man mag es kaum glauben – in Chamonix richtig. Trotzdem gibts am Abend dann selbstverständlich eine breite Auswahl an Restaurants mit Käsefondue in nettem Ambiente und erwärmtem Rotwein. Skifahren in Frankreich ist 90er – in a good way.