So geht es Künstlerinnen in Corona-Zeiten
Die Corona-Krise trifft uns alle. Auch die Kulturbranche kämpft seit Monaten mit abgesagten Veranstaltungen, Umsatzeinbußen und anderen Hürden. Wir haben sieben österreichische Künstlerinnen gefragt, wie es ihnen in Corona-Zeiten geht.
Eines ist klar: Die derzeitige Situation laugt uns alle aus. Verschiedene Bevölkerungs- und Berufsgruppen sind auf unterschiedlichste Weise von der Corona-Krise betroffen. Auch die Kulturbranche treffen die wiederholten Lockdowns und ausfallende Veranstaltungen hart. Wir haben sieben Künstlerinnen gefragt, wie es ihnen damit geht.
Bibiane, Musikerin & Model
Bibiane singt, spielt Klavier und komponiert ihre eigene Musik. Und das schon seit vielen Jahren. 2019 hat sie es gewagt und sich selbstständig gemacht. Der anfängliche Enthusiasmus hatte einen starken Konkurrenten: den Lockdown.
Ich habe davor viel extern gemacht, aber eben nicht meine eigenen Sachen, und wollte das mit 2020 starten. Als es dann geheißen hat: Künstler*innen dürfen bis September 2020 erstmal gar keine Veranstaltungen organisieren, war das schon ein kurzer Schockmoment – eine Existenzkrise. Ich habe dann schon ernsthaft überlegt, bei der Ernte auszuhelfen. Das Gefühl, die eigene Unabhängigkeit zu verlieren, drückt extrem aufs Gemüt und macht einen nicht unbedingt kreativer.
Die Motivation ist dann erst wieder mit den ersten Lockerungen im Mai gekommen. Da musste ich mich dann auch erst mal wieder an Menschen gewöhnen. Es hat sich in diesem Jahr sehr gut herauskristallisiert, mit welchen Menschen man gut zusammenarbeiten kann und mit welchen nicht. Ich habe die Gelegenheit dann genutzt, mit der Videografin Ines Futterknecht mein erstes Musikvideo zum Song Kopfkino zu produzieren. Das war zum Beispiel etwas, das ich in einem normalen Jahr nie geschafft hätte, weil ich einfach keine Zeit dafür hatte.
Dominique Jardin, DJane & Entertainerin
Dominique ist seit acht Jahren weltweit als DJane unterwegs. Sie stand dabei schon mit Legenden wie David Guetta und Calvin Harris auf der Bühne. Um in der männlich-dominierten Festival-Szene erfolgreich zu sein, hat sie sich durch ihre charismatische Art ein dickes Fell zugelegt, das sie nun auch in der Krise warmhält.
Ganz am Anfang, als ich mit dem Auflegen begonnen habe, kam schon viel Gegenwind und das eine oder andere Vorurteil, aber blöde Kommentare haben mich eher motiviert, als dass sie mich runtergezogen hätten. Bei bestimmten Veranstaltern ist mir zum Beispiel aufgefallen, dass sie mich mit Absicht nicht gebucht haben. Ich versuche, die Situation dann im direkten Kontakt umzudrehen und das klappt meistens auch.
In den ersten Pandemie-Tagen war ich wirklich in einer Schockstarre, aber mit der Zeit haben sich viele Türen geöffnet: Es gab Kooperationen mit großen Brands, die durch den großen Zusammenhalt innerhalb der Szene in dieser schweren Zeit auch zugänglicher waren, und ich habe das erste Mal eigene Tracks produziert – das werde ich mir auch für die Zeit nach der Krise mitnehmen. Was Social Media betrifft: Die Plattformen sind zwar ganz gut, um das Publikum zu erreichen, aber die Leute sind mittlerweile übersättigt. Da kommt zum Teil auch gar nicht mehr an, was man den Menschen mitgeben möchte.
Brini, Tänzerin & Creative Entrepreneur
Von der My Heart Will Go On-Kinderzimmerperformance über eine Tanz-Ausbildung in New York bis hin zur Selbstständigkeit: Brini sieht sich als vielfältige Künstlerin, die es kaum erwarten kann, all ihre Ideen zu verwirklichen. Dass das zurzeit nicht einfach ist, liegt aber nicht nur an der Pandemie.
Mit der Krise bin ich eigentlich gut zurechtgekommen. Ich habe mich mit 1. Jänner 2020 selbstständig gemacht und schon davor das Unternehmen „Vienna Heels“ mit vier anderen tollen Frauen gegründet, um Künstlerinnen durch das Tanzen mehr Selbstvertrauen zu geben. Damit bin ich derzeit online unterwegs, da es so schon auch möglich ist, die eigene Energie mit anderen zu teilen.
Ein anderes Projekt, das sich durch die Situation in eine andere Richtung entwickelt hat, ist „buildupbybrini“ — ursprünglich hätte das eine Ausbildung für kommerzielle Tänzer*innen in Österreich werden sollen, hinsichtlich der Pandemie geht es jetzt eher darum, im Alltag mit Ritualen und Bewegung fit zu bleiben. Ich muss sagen, dass diese Verschiebung im Nachhinein gar nicht so schlecht war, da ich festgestellt habe, dass Österreich für bestimmte Dinge noch nicht bereit ist. Ich möchte zum Beispiel keine Tänzer*innen ausbilden, für die es danach keine richtigen Perspektiven gibt und das auch deshalb nicht, weil Tanz nicht genug wertgeschätzt wird, obwohl wir Tänzer*innen auf vielen Ebenen einen so essenziellen Beitrag für die Gesellschaft leisten.
Lili, Malerin
Lili hat das Studium der Malerei und Grafik an der Universität für Angewandte Kunst in Wien abgeschlossen. Anfangs war ihr die viele Zeit, die so plötzlich da war, nicht ganz geheuer. Doch nach dem ersten Schock konnte sie sich seit Langem (da auch die Kinder ausgezogen sind) wieder einmal auf sich konzentrieren.
Wie fast alle Künstler*innen habe auch ich ein Brotjob, um finanziell durchzukommen. Ich jongliere zwischen Job, Family und Kunst. Als im ersten Lockdown dann die 20 Stunden Arbeit wegfielen, ging es mir psychisch zunächst gar nicht gut. Ich habe mich aber schnell entschlossen, künstlerisch weiterzuarbeiten. Da meine erwachsenen Kinder zudem ausgezogen sind, hat mir die Situation mehr Zeit gegeben, mich auf meine Person zu fixieren. Dadurch habe ich mehr Selbstsicherheit gewonnen und disziplinierter denn je gearbeitet.
Ich habe die Arbeit einiger Galeristen und ihre Bemühungen, das ganze Business zu digitalisieren, verfolgt. Anfangs hat mich das traurig gemacht, gleichzeitig wusste ich aber, dass es für diese Zeit notwendig sein wird. Es hat mich schlussendlich motiviert, auch in diese Richtung zu denken. Also habe ich meine Webpage aktualisiert, ein Shop eingerichtet und zahlreiche Online-Tutorials über Social Media geschaut.
Theresa, Makramee Artist
Das als Zeitvertreib begonnene DIY-Projekt hat Fahrt aufgenommen: Die Lehramt-Studentin Theresa hat sich während des Lockdowns im Knüpfen von Blumenampeln, Untersetzern und Co. wiedergefunden und daraus ein kleines Instagram-Business „Makreesl“ aufgebaut.
Im ersten Lockdown habe ich, um meinen Verstand nicht zu verlieren, mit einigen DIY-Projekten begonnen. Zu Beginn waren die Blumenampeln noch sehr einfach geknüpft. Nach einiger Zeit hat mich die Makramee-Welle aber gepackt und ich probierte verschiedenste Knoten und Muster aus. Nachdem meine Mama dann gefühlt 100 Blumenampeln für ihre Freundinnen bestellt hat, habe ich gemerkt, wie gut ich das eigentlich kann und wie begehrt meine Makramee-Stücke bei anderen sind. Also habe ich den Entschluss gefasst, die Blumenampeln nicht mehr für mich selbst zu knüpfen, sondern auch anderen eine kleine Freude damit zu bereiten.
Diese Situation hat mich auf alle Fälle gelehrt, mutig zu sein und an mich selbst und meine Fähigkeiten zu glauben. Ich habe auch richtig gemerkt, wie anstrengend und zeitintensiv Handarbeit eigentlich ist. Ich glaube vielen ist das gar nicht wirklich bewusst wie viel Arbeit, Zeit und auch Ressourcen in einem einzigen Stück stecken. Diese Kunstform wird scheinbar noch nicht als solche wahrgenommen und findet vielleicht eher vor dem Hintergrund des Stereotyps der knüpfenden, nähenden Hausfrauen statt.
Lena, Schmuckdesignerin
Lena hat sich im Rahmen eines bereits bestehenden Familienbetriebs mit einer eigenen Schmucklinie selbstständig gemacht. Stücke wie „Amelia die Zweite“ oder „Constanze“ vertreibt sie als „klein Gräfin“ derzeit zwangsläufig online, obwohl sie eigentlich viel lieber im Geschäft stehen würde.
Ich denke, dass uns die derzeitige Situation gut vor Augen führt, dass wir ohne den direkten Kontakt mit anderen Menschen ein komplett anderes Leben führen. Der Onlineshop, Werbung über Instagram und Co. sind zwar Alternativen, aber sie ersetzen nicht das Gefühl, jemanden direkt zu beraten und somit ein schönes Erlebnis zu haben.
Beruflich gesehen hat die neue Situation für mich leider keine neuen Chancen geboten. Das fehlende Einkommen und die andauernde Ungewissheit sind für uns alle eine große Belastung. Die angekündigten Hilfen kamen nur unter großen Anstrengungen. Ich möchte mich zudem nicht mehr als Bittstellerin fühlen und mich vor jeder Forderung bis ins Detail rechtfertigen, da ich doch so viel Eigenenergie für mein Unternehmen aufbringe. Von der Politik wünsche ich mir daher mehr Einfühlsamkeit und flexible Hilfe für die vielen kleinen Unternehmen, an denen einige Existenzen hängen.
Ines, Schauspielerin
„Das Schauspielen klopfte an meine Tür und sagte: Hier bin ich und jetzt gehen wir gemeinsam“, sagt Ines. Und das konnte auch die Pandemie nicht ändern. Im Gegenteil – im heruntergefahrenen System hat für Ines auf mehreren Ebenen sogar etwas Positives gefunden, auch wenn die Rahmenbedingungen dafür besser sein könnten.
Vielleicht sind durch die Pandemie einige draufgekommen, dass der alltägliche Arbeitstrott nicht allein der Sinn des Lebens sein kann. Man wurde gezwungen, die eigene Lebensphilosophie nochmal zu überdenken und genau das habe ich auch getan. Ich habe sehr viel an meinen eigenen Texten weitergeschrieben, sehr viel musiziert und begonnen, meine Website zu erstellen. Ich habe mich nicht aufhalten lassen, weiter kreativ zu sein. Zurzeit probe ich für die Nestroyspiele, die Premiere soll am 26. Juni stattfinden. Ich hoffe, dass dieses Vorhaben gelingt.
Die andauernde Planungsunsicherheit ist wirklich ermüdend. Hier hat mir die Unterstützung der Regierung sehr gefehlt. Man muss bedenken, dass ohne uns die Unterhaltung, die man etwa jeden Lockdown-Abend im Fernsehen konsumiert, nicht vorhanden wäre. Dafür wurde uns meiner Meinung nach sehr wenig Anerkennung gezollt. Die Kunst ist und bleibt eben eine unverzichtbare Medizin für die Seele.
Wir stellen euch 5 weitere Künstler*innen vor, deren Werke ihr zurzeit online bestellen könnt. Außerdem haben wir auch bei Studierenden gefragt, wie es ihnen während der Corona-Krise geht.
(c) Beitragsbild: Lili