So geht es Studierenden in der Corona-Zeit
Das Lernen spielte sich in den vergangenen Monaten – wie so vieles andere auch – überwiegend online ab. Und während nach dem Semesterferien die Schüler*innen in Österreich unter Auflagen wieder in die Klassenzimmer zurückkehren können, lautet die Devise in vielen Studiengängen wohl voraussichtlich auch im kommenden Semester: lernen auf Distanz. Weil im Vergleich zu Kindergärten und Schulen deutlich weniger über die Situation der Studierenden gesprochen wurde, haben wir die Semesterferien genutzt, um nachzufragen, wie es einigen von ihnen im Distance Learning bisher gegangen ist.
Pit, 25
Pit hat gerade sein erstes Semester an einer Wiener Universität hinter sich, zieht aber erst im März nach Wien. An den Online-Lehrveranstaltungen hat er bisher von Hamburg aus teilgenommen.
Die Vorlesungen wurden bei uns meistens gestreamt und aufgezeichnet. Das war ein großer Vorteil im Vergleich zu einer normalen Vorlesung, weil man so die Möglichkeit hatte, den Vortrag zum Mitschreiben zu pausieren oder sich bestimmte Passagen noch einmal anzuhören. Seminare liefen über Videokonferenzen. Wir waren aber nicht dazu verpflichtet, die Kameras einzuschalten. Fragen konnten wir über den Chat oder direkt mit dem Mikro stellen.
Ein Problem war für mich definitiv die Internetverbindung. Ich bin für eine Prüfung sogar nach Berlin zu meinen Eltern gefahren, weil ich in Hamburg mit sieben anderen Leuten in einer WG wohne – da ist das W-Lan schon mal überlastet. Bei meiner letzten Prüfung des Semesters musste ich während der Prüfung meine Handy-Kamera laufen haben und meinen Arbeitsplatz filmen, um nachzuweisen, dass ich nicht spicke. Das ist schon eigenartig, wenn man die Kamera die ganze Zeit auf sich gerichtet hat. Als würde einen die ganze Zeit ein Auge beobachten.
Der Vorteil war natürlich, dass ich während der Lehrveranstaltungen sein konnte, wo ich wollte. Andererseits fehlte natürlich der soziale Lernfaktor komplett, also dass man mit anderen noch mal über die Inhalte der Lehrveranstaltung sprechen kann. Ich war noch nicht einmal an der Uni und habe meine Kommiliton*innen noch gar nicht gesehen. Das ist schon eigenartig. Vor allem, weil es bei einem Studium ja auch darum geht, Leute kennenzulernen, die ähnliche Interessen haben. Ich fände es sehr cool, wenn das zeitnah wieder geht.
Mit dem Laden des Inhaltes akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von Giphy.
Mehr erfahren
Lucia, 19
Lucia hat ebenfalls ihr erstes Semester an einer Wiener Universität hinter sich. Bei zwei Übungen hatte sie kurzzeitig Präsenzunterricht, der Rest lief online.
Distance Learning an sich war für mich nicht besonders mühsam, weil ich es ja bereits von meinem letzten Schuljahr kannte. Aber natürlich habe ich mir das Studieren sicher nicht so vorgestellt: Man lernt kaum jemanden kennen, es gibt keine Lerntreffen, keine Semesterpartys. Das Uni-Feeling gab es also überhaupt nicht.
Eine Prüfung hatten wir in Präsenz, da waren wir auf mehrere Hörsäle aufgeteilt. Die andere war online. Da musste wir die Antworten einscannen und hochladen. Da kommt natürlich schnell großer Zeitdruck auf, vor allem, wenn dann auch noch irgendein Gerät abstürzt. Mein Studium ist sehr zahlenbasiert; Rechenschritte haben bei dieser Art von Prüfung nicht gezählt, nur die konkreten Antworten. Filmen mussten wir uns während der Prüfung nicht. Die war ohnehin so schwer, dass man gar nicht hätte schummeln können. Wir haben sogar probiert, uns über Whatsapp-Chats gegenseitig zu helfen, aber das hat nicht funktioniert, weil praktisch niemand die Antworten wusste. Die meisten haben die Prüfung nicht bestanden.
Angenehm am Distance Learning war, dass die Vorlesungen aufgezeichnet und gespeichert wurden und man sie sich später noch mal ansehen konnte. Übungen haben über Zoom stattgefunden oder über Discord, diesen Spieleserver. Auch dass man nicht, wie sonst, vor etwa 200 Leuten etwas an der Tafel vorrechnen musste, wie normalerweise, sondern sich mehr oder weniger anonym in der Videokonferenz zu Wort melden oder in den Chat schreiben konnte, war für mich schon angenehm. Aber das Hingehen zur Uni, das Lernen auf der Bibliothek oder in Cafés und der Kontakt mit den anderen haben mir wirklich sehr gefehlt.
Mit dem Laden des Inhaltes akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von Giphy.
Mehr erfahren
Lena, 22
Lena macht in Graz zwei Bachelor-Studien parallel; das vergangene Wintersemester war ihr sechstes Semester.
Ich denke, komisch ist ein gutes Wort dafür, wie sich das Studieren in letzter Zeit angefühlt hat. Ich habe ein sprachenbasiertes Studium, da ist das aktive Sprechen fast komplett weggefallen. Klassische Vorlesungen gab es eigentlich gar nicht mehr, sondern viele verschiedene Arten von Formaten. Manche haben ihre Vorlesungen aufgezeichnet und hochgeladen, andere haben PowerPoint-Folien geteilt und wieder andere Skripten.
Ich hatte im Distance Learning eine Gruppenpräsentation. Wir haben sie vorher aufgenommen als Backup. Im Online-Seminar hat dann eine Person präsentiert und wir haben angegeben, wer welche Teile recherchiert hat, weil das sonst mit dem Internet einfach nicht geklappt hätte. Bei dem Programm, mit dem wir gearbeitet haben, konnte man auch die jeweiligen Icons der Teilnehmenden zusammenschieben und sich so in eigene virtuelle Unterräume begeben. Das war ganz angenehm, weil man dann untereinander mehr zum Reden kam.
Aber mir hat neben dem sozialen Aspekt auch die Routine gefehlt, dass man aufsteht und auf die Uni geht, sich danach vielleicht noch ins Café setzt oder woanders hingeht, um zu lernen. Man setzt sich normalerweise also auch nach der Lehrveranstaltung mehr mit dem Thema auseinander als wenn man zu Hause einfach den Laptop zuklappt. Ich glaube aber, dass man das Studieren auch über die momentane Situation hinaus mit Blended-Learning-Konzepten erweitern könnte, also einer Kombination aus Präsenz- und Online-Unterricht. Das wäre bei meinem Studium gut, weil es sehr überlaufen ist. Dass man die Vorlesungen auch weiterhin online überträgt, wäre ebenfalls sinnvoll, besonders für jene, die manche Vorlesungen nicht besuchen können, weil sie nebenbei arbeiten, so wie ich.
Enes, 24
Das vergangene Semester war für Enes sein 8. Semester seines Bachelor-Studiums in Wien.
Die meiste Zeit war das Studieren im Distance Learning für mich frustrierend, weil sich ständig etwas geändert hat. Man konnte das Semester also nicht wirklich gut planen. Mein Studium wird sich deshalb sicher um ein Jahr verzögern. Bei uns gab es die meisten Vorlesungen entweder als Live-Stream oder als Skripten oder PowerPoint-Folien. Die zwei Übungen, die ich hatte, bestanden eigentlich nur aus E-Mail-Verkehr und virtuellen Sprechstunden.
Bei einer Vorlesungsprüfung hätte man zwei Kameras aufstellen müssen: eine, die dich filmt, und eine, die den Bildschirm filmt. Die eine Kamera hätte man so aufstellen müssen, dass man die Tür des Zimmers sieht. Das sollte sicherstellen, dass niemand rein- oder rausgeht. Zu dieser Vorlesung habe ich mich erst gar nicht angemeldet. Bei anderen Prüfungen konnte man angeblich wiederum leichter schummeln, aber diese Vorlesungen hatte ich leider nicht.
In meinem Studium ist das gemeinsame Lernen mit anderen essenziell, alleine kommt man nicht wirklich gut voran. Also habe ich mit anderen meistens über Skype gelernt, aber natürlich ist es viel angenehmer, wenn man sich persönlich treffen kann. Man hat ein Ritual, setzt sich hin, lernt und geht anschließend wieder nach Hause und kann abschalten.
Ich finde, es sollte selbstverständlich sein, dass Vorlesungen aufgezeichnet oder allgemein bessere Unterlagen zur Verfügung gestellt werden. Das wurde durch das Distance Learning sicher angekurbelt. Ein paar Lehrveranstaltungen wurden aufgezeichnet, die sonst sicher nicht online verfügbar gewesen wären. Das könnte man auch ohne Distance Learning beibehalten.
Mit dem Laden des Inhaltes akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von Giphy.
Mehr erfahren
Katharina, 24
Katharina macht zurzeit zwei Masterstudien parallel; eines an einer Universität, wo sie gerade das zweite Semester hinter sich hat, und eines an einer Fachhochschule, an der sie ihr erstes Semester absolviert hat.
Die Fachhochschule ist praxisorientierter, daher fallen da viel mehr Lehrveranstaltungen weg, die wir vor Ort gehabt hätten. Das macht das Ganze schon sehr schwierig, weil wir bestimmte Kurse und Erfahrungen gar nicht machen konnten und es auch wenig Infos gibt, ob und wann sie nachgeholt werden. Für viele Praxisprojekte bräuchten wir einfach das Equipment vor Ort. Die sonst sehr strenge Anwesenheitspflicht wurde vorerst ausgesetzt, auch bei den Online-Kursen. Dank Gruppenarbeiten haben sich zwar kleine Gruppen gebildet, mit denen man über WhatsApp oder Zoom kommuniziert. Aber so richtig kennenlernen konnte ich in meinem ersten Semester kaum jemanden. Ich hoffe, das ändert sich bald. Die Online-Prüfungen funktionieren dafür ganz gut, sie sind sich vom Format her auch ziemlich ähnlich.
Auf der Uni war es während des ersten Lockdowns im Sommersemester echt verwirrend, weil sich auch die Prüfungsformate laufend geändert haben. Ich habe in dem Semester daher keine Prüfungen, sondern hauptsächlich Kurse gemacht. Mittlerweile funktioniert das aber alles ziemlich gut, ist viel strukturierter und ich konnte die Prüfungen inzwischen nachholen. Aber ich befinde mich noch am Beginn meines Studiums und habe trotzdem schon jetzt das Gefühl, dass ich sehr viel verpasst habe.
Ich kann das anfängliche Chaos natürlich verstehen; die Situation ist für alle sehr schwierig. Auch für die Lehrenden ist die Situation sicher sehr belastend, sie befinden sich zum Teil auf ganz neuem Terrain. Und auch dass vieles zurzeit nicht möglich ist, verstehe ich vollkommen – Gesundheit geht natürlich vor. Was mich am meisten stört, ist, dass bisher in den Pressekonferenzen kaum auf die Hochschulen und Universitäten eingegangen wurde. Ich verstehe auch, dass die Schulen da Vorrang haben, aber die Situation ist für Studierende auch nicht einfach. Ich glaube, viele fühlen sich sehr allein gelassen.
Mit dem Laden des Inhaltes akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von Giphy.
Mehr erfahren
Eva, 22
Das vergangene Wintersemester war Evas 5. Uni-Semester. Zusätzlich hat sie auch zum ersten Mal ein Tutorium abgehalten und war Prüfungsaufsicht.
Für mich persönlich war es eigentlich sogar von Vorteil, dass alles online abgelaufen ist. So konnte ich meine Kurse, das Tutorium und mein Praktikum viel besser koordinieren – ich weiß nicht, wie ich das sonst überhaupt geschafft hätte. In meinem Tutorium ging es unter anderem darum, dass sich die Erstsemestrigen kennenlernen und untereinander Kontakte knüpfen können, um ihnen so den Uni-Einstieg zu erleichtern. Das war natürlich ziemlich schwer, weil ich das Tutorium online abgehalten habe und wir dabei alle die Kameras ausgeschaltet hatten, um Fehlerquellen bei der Übertragung vorzubeugen. Also waren wir im Endeffekt 15 Quadrate mit Stimme. Außerdem habe ich den Teilnehmer*innen empfohlen, sich zusätzlich in einer WhatsApp-Gruppe auszutauschen. Trotz allem haben die meisten aber sehr aktiv an dem Tutorium teilgenommen, manche haben sich dadurch vielleicht sogar mehr getraut, sich zu Wort zu melden, als sonst.
Organisatorisch hat das für mich trotz allem sehr gut funktioniert; wir wurden von unserem Institut regelmäßig mit Infos versorgt und haben viel Unterstützung bekommen. Außerdem wurden wir im September in einem Workshop an der Uni – natürlich alle mit Masken und Sicherheitsabstand – aufs Distance Learning vorbereitet und bekamen etwa verschiedene Online-Tools gezeigt. Für die Studierenden war es allerdings verwirrend, dass sich die Termine und Anforderungen für Erstsemestrige immer wieder etwas geändert haben. Es war also nicht immer einfach, den Überblick zu behalten. Auch für uns nicht bei der Flut an Mails und Infos. Wir haben daher wirklich darauf geachtet, alles zu filtern und nur die Infos weiterzugeben, die auch wirklich fix waren.
Die Prüfung, bei der ich Aufsicht hatte, wurde überraschender Weise vor Ort an der Uni abgehalten. Zuerst fand ich das unverantwortlich, habe meine Meinung aber schnell geändert: Wir waren insgesamt 40 Menschen in einem Raum, der auf 100 Studierende ausgelegt ist. Da konnte man gut zwei bis drei Meter Abstand zueinander halten, die Fenster waren geöffnet und alle haben natürlich Masken getragen. Meiner Meinung nach war das also doch sehr gut organisiert.
Noch mehr Erfahrungsberichte gefällig? Wir haben Arbeitnehmer*innen nach ihren Erfahrungen im Homeoffice gefragt. In Wien vergeben wir Ende Februar übrigens unsere 1000things Awards – stimmt jetzt für eure Lieblingslokale ab!
(c) Beitragsbild | Pixabay