Stadtkind vs. Landkind: Der erste Schnee
Unsere Redaktion ist so vielfältig wie sie wunderschön ist – das haben objektive, unabhängige Studien ergeben. Daher tummeln sich in der Wiener Burggasse sowohl eingeborene Stadt- als auch „zuagraste“ Landkinder. Und die sind sich nicht immer einig. Weil wir gerne zündeln, fachen wir den Stadt-Land-Battle in dieser Kolumne mit vollem Bewusstsein an. Dieses Mal diskutieren das Stadtkind und das Landkind über den ersten Schnee.
Die einen machen Luftsprünge, wenn sie es sehen und die anderen verdrehen nur genervt ihre Augen: Die Rede ist natürlich vom allerersten Schneegestöber im Winter. Während bereits wenige Zentimeter den Stadtverkehr außer Gefecht setzen können, ist man am Land von „dem bisserl Schnee“ nur wenig beeindruckt. Aber das lassen wir unser Stadtkind und unser Landkind am besten selbst ausdiskutieren.
Kathi, das Landkind
Wenn im Winter die ersten dicken Schneeflocken vom Himmel rieseln, kann ich mich vor Freude kaum halten: Endlich! Der Winter ist da! Schon als Kind konnte ich den ersten Schnee gar nicht abwarten – daran hat sich bis heute wenig geändert. Wenn der Kalender den Winterbeginn voraussagt und in den nächsten Tagen die Landschaft nicht wenigstens „angezuckert“ ist, sitze ich nach wie vor etwas enttäuscht vor dem Fenster. Da übernimmt mein inneres Kind das Ruder. Daher kannst du dir vielleicht vorstellen, wie sehr ich mich freue, wenn der erste Schnee dann endlich da ist, liebes Stadtkind. Es gibt nichts Schöneres!
Ich bin in Kärnten aufgewachsen und eine mehrere Zentimeter bis Meter hohe Schneeschicht ist hier Normalität – zumindest während meiner Kindergarten- und Schulzeit. Da musste aufgrund meines höher gelegenen Wohnortes die Schule das ein oder andere Mal auf meine Anwesenheit verzichten: Zu viel Schnee auf den Straßen und meine Eltern konnten unser Auto trotz Schneeketten nicht aus der Parklücke manövrieren. Ach, wie schade – hust, hust. Das hieß für meine Schwester und mich: „Pfeif auf die Schule, raus in den Schnee!“ Wir lieferten uns ausgiebige Schneeballschlachten und bauten Schneemänner – zwar nicht die schönsten, aber sie waren immerhin als solche zu erkennen. Auch wenn ich heute noch in den Weihnachts- und Semesterferien nachhause fahre und die in Schnee gehüllte Landschaft vor unserer Haustüre sehe, wird mir trotz der schweinekalten Temperaturen ganz warm ums Herz.
Vor allem, weil dann endlich richtig Winter ist. Denn während die Wiener*innen bei zwei Zentimetern Pseudo-Schnee ihren angeblichen Wintereinbruch feiern und auf Instagram Fotos von dem Gatsch, den sie Schnee nennen, posten mit dem Text: „This time of the year“, kann ich nur müde lächeln. Mit 20 km/h dahingurkende Autos und drohendes Verkehrschaos – „this time of the year“, da passt es. Also, liebes Stadtkind, kannst du mir bitte mal erklären, warum euch so ein paar Schneeflöckchen gleich so in Ausnahmezustand versetzen?
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Viki, das Stadtkind
Entschuldige bitte meine Verspätung. Ich bin gerade Reinhold-Messner-mäßig, dick eingemummelt durch das Schneegestöber zu meinem Auto gestapft und konnte leider nicht schneller als 20 km/h fahren, weil ich sonst Gefahr gelaufen wäre, in Zeitlupe in das Auto vor mir zu schlittern. Bei einer Steigung von zwei Prozent musste ich dann auch noch Schneeketten anlegen, das hat verständlicher Weise etwas den Verkehr aufgehalten.
Nein, das ist natürlich Blödsinn. Aber es stimmt schon: Schnee in Wien ist etwas ganz eigenes. Wie ich finde: Magisches. Also so in etwa vom späten Abend bis um sechs Uhr Früh, danach wird’s eher unromantisch. Deswegen stehe ich dem Schnee, wie wahrscheinlich viele andere Stadtmenschen auch, sehr zwiegespalten gegenüber: Einerseits freue ich mich maßlos über das, was du so unsensibel als „Pseudo-Schnee“ bezeichnest. In Wien sind wir ja meistens nicht unbedingt mit weißen Weihnachten gesegnet, sondern könnten am 24. Dezember genauso gut unsere Übergangsjacken wieder auspacken. Also feiern wir eben alles an Schnee, was wir kriegen können. Ich erinnere mich noch gut an die kläglichen Versuche meiner Kindheit, mit dem bisschen gefrorenen Niederschlag in unserem Vorgarten etwas zusammenzustöpseln, das man nur mit sehr viel Fantasie als Schneemann identifizieren konnte.
Andererseits geht mir der Schnee in der Stadt auch ziemlich schnell auf den Senkel. Spätestens dann, wenn er von den ersten Autos des Frühverkehrs verlässlich zu grauem Matsch verschandelt wird, die Straßenbahn Verspätung hat, weil Schnee im Dezember uns doch immer wieder erstaunlich kalt erwischt, und mein Hund beim Gassigehen in Salz steigt, das irgendein unachtsamer Mitmensch ausgestreut hat, obwohl das in der Stadt längst verboten ist. Die zugegeben etwas übertriebene Euphorie über den ersten Schnee nach dem Aufstehen schwenkt also spätestens nach dem Rausgehen in ebenso leidenschaftlichen Grant um. Das, liebes Landkind, hat es also – zumindest für mich – mit dem verwunderlichen Winderwonderwien auf sich. This confusing time of the year.
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