Stadtkind vs. Landkind: Die Sache mit dem Autofahren
Unsere Redaktion ist so vielfältig wie sie wunderschön ist – das haben objektive, unabhängige Studien ergeben. Daher tummeln sich in der Wiener Burggasse sowohl eingeborene Stadt- als auch „zuagraste“ Landkinder. Und die sind sich nicht immer einig. Weil wir gerne zündeln, fachen wir den Stadt-Land-Battle in dieser Kolumne mit vollem Bewusstsein an. Dieses Mal diskutieren das Stadtkind und das Landkind über das Autofahren.
Es gibt natürlich so einiges, worin sich Stadt und Land in Österreich unterscheiden. Ein ganz wesentlicher Punkt ist aber mit Sicherheit das Autofahren. Während die einen den Führerschein so früh wie möglich gemacht haben, um mobil zu sein, machen ihn die anderen vielleicht nie, weil sie sich auf die Öffis verlassen. Und auch unter welchen Bedingungen wir fahren gelernt haben, variiert natürlich ganz schön. Aber das lassen wir unser Stadtkind und unser Landkind am besten selbst ausdiskutieren.
Viki, das Stadtkind
Der Führerschein war in meiner Familie immer ein großes Ding. Anscheinend gehört es nun einmal zum Erwachsenwerden dazu, ein motorisiertes Fahrzeug durch die Gegend zu lenken – oder es zumindest theoretisch zu können. Egal, Hauptsache der Schein steckt im Börserl. Je näher ich dem führerscheinreifen Alter rückte, desto größer wurde der Druck – und desto kleiner wurde mein Bock. Ich sah einfach nicht ein, warum ich in Wien, mitten in der Großstadt, die Fähigkeit erlernen sollte, mich selbst durch die Gegend zu kutschieren, wo es doch viel bequemere Möglichkeiten gibt, von A nach B zu kommen. Aus Desinteresse wurde zusehends Protest, mit jeder Nachfrage, jedem nett gemeinten Rat von verkehrstüchtigeren Reifenrollern. Ja, das Ganze ging so weit, dass ich sogar einen Artikel für die Vice schrieb und mich öffentlich dazu bekannte, auf den Führerschein zu pfeifen. Nimm das, Establishment.
Das Establishment hat mich dann aber doch irgendwann eingeholt – was abzusehen war, immerhin besaß es ja im Gegensatz zu mir auch einen Führerschein. Jedenfalls knickte mein rebellisches Ich irgendwann ein und holte sich doch den Deckel. Und nicht nur das: Mittlerweile besitze ich sogar ein eigenes Auto. Das ist zwar in Wien immer noch alles andere als notwendig, aber berufsbedingt bin ich oft außerhalb des urbanen Raums unterwegs und dabei erleichtert ein fahrbarer Untersatz das Prozedere enorm. Aber das muss ich dir ja nicht erzählen, oder liebes Landkind?
Doch wenn man als Stadtkind überland fährt, kann das schon mal zur schweißtreibenden Herausforderung werden, besonders in einem kleinen Nissan Micra, der noch nie Schnee geschweige denn Ketten auf seinen zarten Rädern gespürt hat. Da glaubt man, man hat alles gesehen, wenn man mitten in Wien im Berufsverkehr seine Führerscheinprüfung absolviert hat und Konfrontationen mit Straßenbahnen, Einbahn-Labyrinthen und Parklücken an voll befahrenen Hauptstraßen halbwegs cool meistert, und dann kommt die erste Passstraße. In 30er-Zonen mit grantigem Hupen im Genick kenne ich mich aus, das ist quasi mein natürliches Habitat als Wienerin. Aber sobald ich mich über eine Serpentinenstraße einen Berg hinaufschlängeln muss – am besten noch bei Schneefahrbahn – werde ich wieder zur blutschwitzenden Anfängerin. Kann ich schon hochschalten oder gibt mein Clownsauto dann endgültig weh oh? Das genervte Drängeln und Hupen hinter mir ist nur allzu verständlich – vielleicht triggert das aber auch schon mein Wiener Kennzeichen.
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Wie ist das bei dir, liebes Landkind? Kriegst du ebenbürtige Panik im Wiener Stadtverkehr?
Kathi, das Landkind
Ja, ja, liebe Viki, du hast leicht reden bei einer gut funktionierenden öffentlichen Verbindung: Straßenbahnen, U-Bahnen und Busse, die im Zehn-Minuten-Takt abfahren. Bei mir in der Einöde sah das etwas anders aus. Entweder legte ich meine Wegstrecken zu Fuß zurück oder ich wartete im besten Fall zwei Stunden auf den nächsten Bus. Ja, zwei Stunden – unvorstellbar für Stadtkinder, oder? Aber auch meine Eltern hatten ab und an Erbarmen mit meinem Schicksal und beförderten mich von A nach B. Aber nur, wenn es keinen anderen Ausweg gab. Leichter war es da, meine Oma zu beknien. Das war aufgrund ihres Fahrstils durchaus riskant, aber besser als im Winter an der Bushaltestelle zu erfrieren. Daher war es für mich nur logisch, mit 15 Jahren den Moped-Führerschein zu machen. Ob das sicherer war als in Omas Auto zu sitzen, wage ich im Nachhinein zu bezweifeln.
Mit 17 konnte ich es dann kaum erwarten, endlich den Führerschein für ein Gefährt mit vier Rädern und Außenwänden zu machen. Nur noch 3.000 Kilometer und eine sehr anstrengende Zeit mit meinem Vater standen also zwischen mir und meiner Unabhängigkeit. So viel sei gesagt: Es sind sehr viele Tränen geflossen. Mittlerweile können aber wir beide über diese Zeit lachen. Nach scheinbar endloslangem Serpentinenstraßentraining kam dann endlich der Moment: Ich durfte meinen Führerschein in Händen halten! Ich war frei und unabhängig – zumindest dachte ich das. Nicht bedacht habe ich die bevorstehenden Diskussionen, wer denn wann das Auto bekommt. Also um deine Frage zu beantworten, liebes Stadtkind, der Führerschein war für mich nicht einmal mit Gold aufzuwiegen.
Als ich dann nach Wien gezogen bin, gab ich das Autofahren allerdings freiwillig auf. Meine erste Berührung mit dem Wiener Stadtverkehr hat mich, gelinde gesagt, traumatisiert. Denn du musst wissen, Straßenbahnen existieren am Land nur in der Theorie, nicht in der Realität und schon gar nicht zwei Meter hinter dir bimmelnd auf der Fahrbahn. Versteh mich nicht falsch, ich liebe das Autofahren: Serpentinenstraßen sind meine Heimat. Auch Wind und Wetter können mir nichts anhaben, Schneeketten anlegen kann ich im Schlaf. Aber sobald ich mich durch die Wiener Straßen navigieren muss, steige ich aus – am liebsten nicht nur metaphorisch. Der schleppende Stadtverkehr zur Rush Hour bringt mich zu jeder Jahreszeit ins Schwitzen und ich sitze wie gelähmt hinter dem Lenkrad. Wo war noch einmal das Gas? Rechts oder links? Hilfe!
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Stadtkind und Landkind haben übrigens auch schon mal über ihre unterschiedlichen Ansichten zum Grüßen diskutiert. Und wie unterschiedlich sie die alljährlichen Krampus-Läufe erlebt haben.