Stadtkind vs. Landkind: Wie wir als Kinder Fasching gefeiert haben
Unsere Redaktion ist so vielfältig wie sie wunderschön ist – das haben objektive, unabhängige Studien ergeben. Daher tummeln sich in der Wiener Burggasse sowohl eingeborene Stadt- als auch „zuagraste“ Landkinder. Und die sind sich nicht immer einig. Weil wir gerne zündeln, fachen wir den Stadt-Land-Battle in dieser Kolumne mit vollem Bewusstsein an. Dieses Mal diskutieren das Stadtkind und das Landkind darüber, wie sie als Kinder den Fasching erlebt haben.
Lei lei! Leider ist es wieder so weit: Der Faschingsdienstag brüllt uns laut: „Seid lustig!“ entgegen. Damit hat die Faschingszeit wiedermal ihren Höhepunkt erreicht. Für manche ist das Grund zur Trauer, für andere die lang ersehnte Erlösung vom Narrenspuk. Als Kind sieht man das natürlich alles noch ganz anders – da geht’s um lustige Kostüme und Krapfen. Doch inwiefern hat sich unser Fasching am Land und in der Stadt unterschieden?
Julia, das Landkind
Wenn ich an den Fasching denke, denke ich an Krapfen-Eskapaden, peinliche Verkleidungen, schulfrei und viel, viel Konfetti. Denn bei uns am Land war der Fasching das Jahres-Highlight, dem man nicht auskam. Ja, liebes Stadtkind, du hast vorhin richtig gelesen, ich hatte (quasi) schulfrei. Warum? Weil man als Schülerin und Schüler natürlich beim Faschingsumzug am Faschingsdienstag dabei sein musste. Da wurde bereits Monate im Voraus überlegt, als was sich denn die Klasse im Kollektiv verkleiden könnte. So waren wir zum Beispiel mal Mathebücher, Kinder aus anno dazumal oder Cheerleader und Fußballer*innen.
Mein Faschingsdienstag startete zwar immer in der Schule, aber nur zum Verkleiden und Krapfenessen. Eine kleine Stärkung, damit wir dann im Anschluss den Faschingsumzug so richtig rocken konnten. Nach dem Spektakel warteten die verkleideten Eltern, bereits leicht angesäuselt von dem vielen Rum in der Marmelade des Krapfens, am Hauptplatz, um da dann bei diversen extra aufgebauten Hütten den Tag ausklingen zu lassen. Weil uns Kindern der Rum in der Marmelade nicht schmeckte, gab es für uns den ganzen Nachmittag von der Mini-Playback-Show bis zum Glücksfischen die coolsten Spiele, welche vom Kulturverein organisiert wurden. Und wenn ich jetzt so zurückdenke, habe ich diese Partys immer sehr genossen – all die Spiele, das Verkleidetsein und alle Freund*innen auf einem Fleck versammelt, was gibt es Schöneres? Vor allem aber war in unserem kleinen Ort endlich mal wieder was los und alle waren gut drauf. Die ausgelassene Stimmung und die ausgefallenen Verkleidungen zaubern mir heute noch ein Lächeln ins Gesicht, wenn ich daran denke.
Auch wenn der Fasching für viele nur eine Ausrede zum Vollrausch ist, so war es für mich als Kind definitiv ein großes Highlight, Teil einer so großen Party zu sein. Dennoch sind jetzt, wo ich erwachsen bin, die Faschingsumzüge etwas verstörend, laut und zu viel für mich. Deshalb behalte ich den Fasching lieber als schöne Kindheitserinnerung und verbringe ihn heute ganz entspannt in der Stadt, wo der Fasching anscheinend ganz unspektakulär über die Bühne geht, oder?
Viki, das Stadtkind
Ja, liebes Landkind, da hast du recht: Den Luxus, dass wir am Faschingsdienstag aus der Schule türmen und an einem ausgelassenen Umzug teilnehmen durften, hatten wir in meiner Wiener Volksschule nicht. Zum Glück, möchte ich allerdings hinzufügen – in Anbetracht der immer etwas schrägen und fremdbeschämenden Umzüge, die ich als Erwachsene so miterlebt habe. Aber ganz ohne Faschingstrubel ging auch bei uns der vermeintlich lustigste Wochentag im Jahr nicht über die Bühne.
Allen voran durften wir uns natürlich alle verkleiden – das ist im Volksschulalter noch relativ lustig, als Teenager ist man sich dafür ohnehin meist viel zu cool und als Erwachsene ist es meiner Meinung nach einfach nur mühsam und immer wieder eine Enttäuschung, weil man nie so aussieht wie das Rollenvorbild des Kostüms. Das alles spielt als Kind natürlich keine Rolle. Schon in einem einfachen Bettlaken mit zwei Löchern drin fühlt man sich als waschechtes Schlossgespenst. Daher war die Realitätswatschen für mich auch umso schallender, als ich ein Foto von mir als Sailor Moon entdeckt habe, das mir meine Oma liebevoll selbst genäht hat. Wirklich mondsteinmäßig sehe ich nüchtern betrachtet zwar nicht aus, aber bei so viel Liebe und Hingabe meiner Oma ist das auch zweitrangig. Stolz war ich jedenfalls. So stolz wie auf kein anderes Kostüm davor oder danach. Passend gestylt gab’s auch bei uns in der Schule jede Menge Krapfen, Musik, die eine oder andere Tanzchoreographie, aber schon auch ein wenig Mathe zwischendurch.
Faschingsumzüge habe ich als Kind in Wien eigentlich nicht miterlebt. Dafür gab’s regelmäßig private Faschingspartys bei mir oder einem anderen Kind aus meiner Klasse zuhause. Das war zwar ganz süß, weil wir kleinen Knöpfe alle faschingsmäßig herausgeputzt waren. Aber im Nachhinein betrachtet war es für die organisierenden Eltern wohl ein Riesenaufwand. Kinderpartys laufen ja nicht so ab wie heutige Homepartys, bei denen schon ein bisschen Dosenbier reicht, um sich angeregt über aktuelle politische Entwicklungen zu streiten. Nein, die Kids brauchen aktive Bespaßung – vom Topfschlagen bis zur Reise nach Jerusalem. Das alles ist natürlich verbunden mit jeder Menge Kreischerei und auch der einen oder anderen Träne. Und Konfetti. Konfetti hatten wir auch. Und diese Luftschlangen, die sich ausgerollt haben, wenn man reinblies.
Ganz so ernstgenommen wie ihr haben wir das närrische Treiben also nicht, das stimmt schon. Aber ein bisserl waren auch bei uns die Narren los. Mehr hätte ich wahrscheinlich eh nicht verkraftet. Denn der Fasching und so ziemlich alles, was er mitbringt, waren mir immer schon suspekt. Die Faszination, die offenbar mit vorgeschriebener Ausgelassenheit und Ulkigkeit bis zum Fremdschämen einhergeht, ist mir bis heute ein Rätsel.
Außerdem haben unser Stadtkind und unser Landkind über das Grüßen diskutiert. Warum dem Landkind besonders das Wiener „Ur“ auf die Nerven geht, haben die beiden ebenfalls besprochen.