Stadtspaziergang: Nachhaltig durch Neubau
Die Austria Guides for Future beleuchten die Stadt unter den Aspekten Nachhaltigkeit, Klima und Umwelt. Wir haben sie bei einer Tour zum Thema Konsum und Nachhaltigkeit im siebten und achten Bezirk begleitet.
Normalerweise führt Alessandra Brucchietti durch die imperialen Gebäude Wiens. Im Rahmen ihrer Tätigkeit bei den Austria Guides for Future nimmt sie uns heute auf einen Stadtspaziergang mit anderem Fokus mit: Bei der Tour “Weniger ist mehr” thematisiert sie bei verschiedenen Stationen in Neubau und am Schluss auch in der Josefstadt das Konsumverhalten der Gesellschaft, weist auf Initiativen für Nachhaltigkeit hin und gibt einen kurzen sozialgeschichtlichen Überblick zum Thema. Die Austria Guides for Future haben sich nämlich zum Ziel gesetzt, mit ihren Stadttouren einen Beitrag zum Bewusstsein für eine klimagerechte Zukunft zu leisten und wollen die Klimaschutzziele auch in die Ausbildung von Tourguides aufnehmen. Auf der Website findet ihr einen Überblick aller Touren.
Mariahilferstraße: Zentrum des Konsums
Der Spaziergang zum Thema Nachhaltigkeit und Konsum startet auf der Mariahilfer Hilferstraße – sozusagen dem Epizentrum des Konsums in Wien. Gleich vorweg betont Alessandra, dass es sich bei der Tour nicht um ein Shoppingangebot für nachhaltige Labels handelt. Vielmehr sollen die Teilnehmer*innen über das gesellschaftliche Konsumverhalten nachdenken. Und an welchem Ort ginge das besser als in der größten Einkaufsstraße Wiens?
In der Inneren Mariahilfer Straße reiht sich ein Geschäft ans nächste und oft schieben sich Massen an Einkaufsfreudigen durch die Mahü. Kein Wunder, dass die Mieten für Geschäftsflächen hier hoch sind. Die Mariahilfer Straße ist nicht erst in der heutigen Zeit eine wichtige Einkaufsstraße. Schon in der Römerzeit war hier ein Weg, im Mittelalter war sie eine wichtige Verbindung nach Linz und Bayern. Weil die Straße Anfang des 19. Jahrhunderts auch vom Kaiser als Zufahrtsstraße nach Schönbrunn genutzt wurde, bekam die Mariahilfer Straße als erste Vorstadtstraße eine öffentliche Beleuchtung. Im Zuge der Industrialisierung wurde die Straße schließlich immer stärker zur Einkaufsstraße. Das Einkaufszentrum Gerngross gibt es bereits seit den 1880er-Jahren und es wurde zum größten Kaufhaus der Monarchie. Das Konsumverhalten unserer modernen Gesellschaft hat also schon eine längere Geschichte.
Neubaugasse: Nachhaltige Initiativen
Dass Konsum auch anders aussehen kann, zeigt sich in der Neubaugasse, der nächsten Station des Spaziergangs. Auch die Neubaugasse hat sich mittlerweile als Einkaufsstraße etabliert. Im Gegensatz zur Mariahilfer Straße herrscht hier aber eine andere Atmosphäre. Viele Unternehmen sind Teil des Öko-Businessplans der Stadt Wien, erklärt Alessandra. Dieser soll Unternehmen dabei unterstützen, umweltfreundliche Maßnahmen umzusetzen und so die Betriebskosten zu senken. Teil davon ist zum Beispiel das Geschäft maronski, das faire Mode anbietet.
Wenige Meter weiter findet ihr das Reformhaus Buchmüller, das verschiedene Naturprodukte, aber auch Speisen anbietet. Wusstet ihr übrigens, dass Reformhäuser und Bio-Läden unterschiedlichen Ursprungs sind? Reformhäuser sind aus der Lebensreformbewegung des 19. Jahrhunderts entstanden, einer Gegenbewegung zur zunehmenden Industrialisierung. Bio-Geschäfte sind erst viel später mit der 68er-Bewegung aufgekommen.
Außerdem findet jeden Mittwoch der Neubaumarkt statt, ein Wochenmarkt, der sich zum Ziel gesetzt hat, keinen Müll zu produzieren. Kaufen könnt ihr dort regionale Produkte von rund 25 Anbieter*innen. Der Fokus liegt auf Bio-Produkten.
Müllstationen und Gemeinschaftsgärten im 7. und 8. Bezirk
Die Tour geht weiter durch die Mondscheingasse, in der es beim alten Postgebäude um das Thema Gentrifizierung und soziale Nachhaltigkeit geht, und vorbei an der Umweltschutzorganisation Global 2000, wo wir unter anderem über Klimaschutz und Stadtbegrünung sprechen. Stichwort Stadtbegrünung: Auf der Tour kommen wir auch an zwei Gemeinschaftsgärten vorbei: den Salatpiraten in Neubau und dem Tigergarten in der Josefstadt. Hier haben Menschen die Chance, mitten in der Stadt Gemüse und Obst anzubauen und zu garteln. Außerdem finden hier immer wieder Gartenfeste statt.
Rund um den Garten der Salatpiraten ist auch eine Recycling-Sammelstelle. Gelbe, blaue und braune Tonnen reihen sich aneinander und auch eine Kleidersammelbox befindet sich hier in der Kirchengasse. In Wien werden jährlich rund 14.000 Tonnen an Altkleidern gesammelt. Diese landen aber nicht sofort bei den Menschen, die sie benötigen, sondern haben eine weite Reise vor sich. Die meisten Altkleider werden in Verteilzentren nach Italien gebracht. Dort werden sie sortiert: Etwa die Hälfte wird entweder entsorgt oder anders weiterverwendet, daraus entstehen zum Beispiel Putzlappen oder Dämmmaterial. Die zweite Hälfte wird teilweise an karitative Organisationen gespendet und kommt zum Teil wieder zurück nach Österreich oder in andere europäische Länder, in denen die Kleider gespendet wurden. Der Großteil davon wird aber mit dem Schiff in afrikanische Länder transportiert. Alessandra verdeutlicht an dieser Stelle die Konsequenzen von unserem Konsum – wir produzieren Müll – und regt an, uns über unser Kaufverhalten Gedanken zu machen.
Lerchenfelderstraße: Unverpackt-Läden und Bauernmarkt
Müll vermeiden, das haben sich sogenannte Unverpackt-Läden auf die Fahnen geschrieben. Im Rahmen der Tour mit Alessandra kommen wir in der Lerchenfelder Straße an zwei Beispielen für solche Geschäfte ohne Verpackungsmaterial vorbei. Zum einen gibt es da Holis, ein verpackungsfreier Supermarkt, bei dem ihr großteils regionale und biologische Lebensmittel bekommt. Auch ein kleines Sortiment an Haushalts- und Hygieneprodukten wird angeboten. Letztes gibt es auch in der Füllbar, wo ihr unter anderem Seife, Duschgel und Geschirrspülmittel direkt in mitgebrachte Gefäße füllen lassen könnt.
Außerdem ist jeden Freitag der Bauernmarkt in der Lerchenfelder Straße eine gute Anlaufstelle, wenn ihr regionale Produkte in Bio-Qualität kaufen wollt. Am Ceija-Stoika-Platz, dem Platz vor der Altlerchenfelder Kirche, werden Obst, Gemüse, Brot und noch mehr feilgeboten.
Wiener Würstelstand: Vegane Bio-Würstel
Die Lerchenfelder Straße bildet die Grenze zwischen 7. und 8. Bezirk, in dem der Stadtspaziergang mit Alessandra endet. Die letzte Station der Tour ist der Wiener Würstelstand in der Pfeilgasse, Ecke Strozzigasse. Nicht etwa, weil man sich nach der gut zweieinhalbstündigen Tour sofort stärken muss. Sondern weil hier viele Themen, die wir besprochen haben, ineinanderfließen, wie Nachhaltigkeit und Müllvermeidung. Beim Wiener Würstelstand gibt es nicht nur klassische Würstel, sondern auch vegane Würstel aus Pilzen von Hut & Stiel. Die Austernpilze wachsen aus gebrauchtem Kaffeesatz – dafür holt das Unternehmen den Kaffeesatz von Wiener Cafés ab und bewahrt ihn vor dem Mülleimer. Eine nachhaltige Initiative, die sich schmecken lassen kann. Was für die eine Person Abfall ist, kann also für andere eine wertvolle Ressource sein. Und das ist nur eines der Learnings, die wir vom Stadtspaziergang durch Neubau und die Josefstadt mitgenommen haben.
Noch mehr spannende Spaziergänge gesucht? Wir waren auch auf einem Stadtspaziergang durch das grüne Wien unterwegs und haben uns auf eine Entdeckungstour durch den 1. Bezirk begeben.
FB-Beitragsbild: (c) Alissa Hacker | 1000things