Streifzug durch Wiener Straßen, die nach Frauen benannt sind
Wenn Straßen in Wien nach Personen benannt sind, sind das in 88 Prozent der Fälle Männernamen. Wir haben uns umgesehen, wo es in Wien Straßen mit Frauennamen gibt und nach wem sie benannt wurden.
Marc-Aurel-Straße, Beethovenplatz oder Bruno-Kreisky-Park: In Wien gibt es rund 4.600 Straßen und öffentliche Plätze, die nach Personen benannt wurden. Nur etwa 550 davon tragen die Namen von Frauen, das entspricht zwölf Prozent. Diese Tatsache ist historisch bedingt; erst im 19. Jahrhundert wurden erste Frauen zu Namensgeberinnen für öffentliche Orte.
Doch das Ungleichgewicht soll sich allmählich ändern. Deswegen wird bei künftigen Namensgebungen forciert, Flächen nach Frauen zu benennen, wie die Stadt Wien in einer Aussendung im Juni 2022 mitgeteilt hat. Wir haben uns umgesehen, wo es in Wien Straßen, Gassen und Plätze mit weiblichen Namensgeberinnen gibt und nach wem sie benannt wurden.
Erste Benennungen im 19. Jahrhundert
Beginnen wir mit einigen der Straßen mit historischer Namensgebung: Im 19. Jahrhundert wurden erstmals Wiener Straßen nach Frauen benannt, Hoch im Kurs: Kaiserinnen, Herzoginnen oder Adelige. Maria Theresia wurde 1870 mit der Maria-Theresien-Straße verewigt, 1888 außerdem mit dem Maria-Theresien-Platz, der anlässlich der Enthüllung des Maria-Theresien-Denkmals nach ihr benannt wurde. Weitere Beispiele sind die Elisabethstraße im 1. Bezirk, welche ihren Namen 1862 anlässlich des 25. Geburtstags von Kaiserin Elisabeth bekam. Auch die Namen Wilhelminenstraße (16. Bezirk), Beatrixgasse (3. Bezirk) oder Karolinengasse (4. Bezirk) stammen aus dem 19. Jahrhundert und gehen auf adelige Frauen zurück.
Nicht nur Adelige, sondern auch Wohltäterinnen dienten im 19. Jahrhundert als Namensgeberinnen für öffentliche Plätze. So ist die Längenfeldgasse in Meidling zum Beispiel nach Josepha Haas von Längenfeld-Pfalz benannt, welche ihr Vermögen für Kindergärten und andere wohltätige Zwecke stiftete. Auch die Fillgradergasse im 6. Bezirk verdankt ihren Namen einer Frau: Marie Anna Fillgrader gründete eine Stiftung für verarmte Bürger*innen, 1862 wurde die Straße nach ihr benannt.
Namensgeberinnen aus Wissenschaft, Kultur, Politik
Vor allem alte Straßennamen bilden also Adelige ab, auch Künstlerinnen oder Schauspielerinnen seien vertreten, wie die sozialdemokratische Online-Zeitung Neue Zeit schreibt. Einflussreiche Namensgeberinnen aus Wissenschaft oder Politik gebe es in Wien demnach weniger. Dennoch tragen einige Straßen, Gassen und Plätze in Wien die Namen von Frauen aus jenen Bereichen. Im 6. Bezirk findet ihr den Johanna-Dohnal-Platz, der im Jahr 2011 nach der österreichischen Feministin und der ersten Frauenministerin des Landes benannt wurde. Der Burjanplatz in Rudolfsheim-Fünfhaus hat seinen Namen von der Vorkämpferin der Frauenbewegung Hildegard Burjan.
Wenn ihr im 22. Bezirk unterwegs seid, findet ihr mit der Meitnergasse eine Würdigung der Kernphysikerin Lise Meitner. Im 5. Bezirk erinnert der Schütte-Lihotzky-Park an Margarete Schütte-Lihotzky, Architektin und eine der ersten Architektur-Studentinnen Österreichs. Seit 2019 hat Wien zudem eine Gasse im 21. Bezirk, die nach der beliebten Autorin Christine Nöstlinger benannt wurde. Und ein Abschnitt in der Burggasse in Neubau trägt nun den Namen Ruth-Klüger-Platz, zu Ehren der bedeutenden österreichisch-amerikanischen Schriftstellerin und Holocaust-Überlebenden.
Seestadt und Stadtentwicklungsgebiete
Ein Blick auf den Gender-Atlas, welcher verschiedene Daten in Bezug auf Geschlechterverhältnisse visualisiert, zeigt auch: Straßen mit Frauennamen sind oft kürzere Straßen oder kleinere Plätze, kaum Hauptstraßen. So ziehen sich nur an wenigen Stellen dicke rote Linien durch die Karte, welche weibliche Straßenbenennungen symbolisieren. Was der Straßennamen-Atlas noch nicht zeigt, weil die Daten aus dem Jahr 2015 stammen: In sogenannten Stadtentwicklungsgebieten, wie der Seestadt Aspern oder dem Neuen Landgut, wird sich die Karte verstärkt rot färben. Denn dort, wo neue Flächen entstehen, ist es auch leichter, Orte zu finden, deren Namen Personen gewidmet werden können, wie es in der Aussendung der Stadt Wien heißt.
Ein besonderes Zeichen will man in der Seestadt setzen. Dort sind ausnahmslos Frauen Namensgeberinnen von Verkehrsflächen, die nach Personen benannt werden. Hier könnt ihr durch den Hannah-Arendt-Park und über den gleichnamigen Platz spazieren, welche nach der politischen Theoretikerin benannt wurden. Auch der Schriftstellerin, Philosophin und Feministin Simone de Beauvoir, der Architektin Zaha Hadid und der Umweltaktivistin und Friedensnobelpreisträgerin Wangari Muta Maathai wurden in der Seestadt Denkmäler in Form von Straßennamen gesetzt. Online findet ihr eine Broschüre mit den Straßennamen der Seestadt und den dazugehörigen Biografien.
Im Stadtentwicklungsgebiet Neues Landgut, im 10. Bezirk hinter dem Hauptbahnhof, werden ebenfalls Verkehrsflächen nach Frauen benannt. Dort findet ihr die Elisabeth-Schilder-Gasse, benannt nach der politischen Widerstandskämpferin, Juristin und Sozialwissenschaftlerin Elisabeth Schilder. Außerdem werden die Architektin Elisabeth Sundt und die Soziologin Heidemarie Lex-Nalis mit der Benennung von Verkehrsflächen gewürdigt. Einen populären Namen lest ihr auch im Stadtentwicklungsgebiet Aspanggründe: Dort befindet sich die Elizabeth-T.-Spira-Promenade. Die TV-Journalistin Spira wurde durch ihre Sendung Liebesg’schichten und Heiratssachen bekannt.
Frauennamen am Donaukanal
Aber nicht nur in Stadtentwicklungsgebieten, auch im innerstädtischen Bereich kommen neue Straßennamen hinzu, die Frauen gewidmet sind und so ihr Schaffen in der Öffentlichkeit sichtbar machen. 2017 wurde beispielsweise ein Abschnitt des Fußwegs am Donaukanal im 1. Bezirk nach der Politikerin und Umweltaktivisitin Freda Meissner-Blau benannt. Seit Juni 2022 tragen weitere Abschnitte des Donaukanals die Namen von Frauen: Im 9. Bezirk findet ihr jetzt die Olga-Misař-Promenade. Misař war österreichische Frauenrechtlerin, Friedensaktivistin und Schriftstellerin.
Der Geh- und Radweg zwischen Friedensbrücke und Siemens-Nixdorf-Steg erinnert nun an die jüdische Grafikerin Karoline Tintner, die von den Nazis deportiert und ermordet wurde. Und schon im April 2022 wurden mehrere Abschnitte am Donaukanal im 2. Bezirk nach Frauen benannt. Ihr seht: Es tut sich was in Sachen Namensgebung. Bis das Ungleichgewicht zwischen gewürdigten Frauen und Männern aufgehoben ist, muss die Stadt noch einen weiten Weg zurücklegen.