Straßensperren, Stromausfälle und Zwiebelsuppe: Eingeschneit im Lesachtal
Österreich fühlt sich im Moment ein wenig zweigeteilt an: Während man sich im Osten aufgrund der lauen Temperaturen mit aller Kraft der Weihnachtsstimmung verweigert, versinkt der Westen in bedrohlichen Schneemassen. Lawinen, Stromausfälle, Straßensperren setzen Teile der Bevölkerung vorläufig fest: Sie sind eingeschneit. Aber was passiert eigentlich genau, wenn man eingeschneit ist? Wie fühlt sich das an? Und wie verhält man sich am besten?
Um das Ganze etwas besser nachvollziehen zu können, haben wir mit Laura, Vicky und Luca gesprochen, die von Freitag bis Montag mit ihrer Studiengruppe der TU Wien in Obergail in Kärnten eingeschneit waren. Eigentlich war Laura als eine von drei Lehrenden mit einer Studiengruppe der TU Wien von 15 Studierenden, zu denen auch Vicky und Luca zählen, auf Exkursion im Lesachtal. Als am Samstag klar wurde, dass sie das Tal wohl nicht alle, wie geplant, am Sonntag verlassen konnten, teilten sie sich auf: Die Hälfte schaffte es noch raus, die andere Hälfte harrte aus, weil nicht genug Platz in den Autos war.
1000things: Ihr wart fast vier Tage eingeschneit. Wie war die Stimmung?
Laura: Die Einwohner des Ortes sind extrem gut vorbereitet auf solche Situationen. Die Stimmung war eigentlich überwiegend gut und entspannt. Von Montag auf Dienstag ist die Stimmung bei manchen von uns etwas gekippt, weil wir uns so eingesperrt gefühlt haben und nichts tun konnten. Dabei ist es in so einer Situation wichtig, zu akzeptieren, dass man im Moment einfach nichts ausrichten kann. Das ist natürlich schwer.
Vicky: Außerdem konnten wir nicht ganz nachvollziehen, warum wir nicht aus dem Tal rauskommen. Denn die letzten paar Tage hatten wir echt schönes Wetter und viel Sonnenschein, also keinen Schneesturm, wie man sich das vielleicht vorstellt. Dabei ist gerade das das Gefährliche. Wenn es warm ist und vielleicht auch noch regnet, werden die Schneedecken so schwer, dass die Bäume das nicht mehr aushalten können, und es kommt zu Lawinen.
Wo wart ihr untergebracht?
Laura: Wir haben in der HEPI Lodge gewohnt, die Helene und Pepi betreiben. Sie sind beide bei der Bergrettung und kennen sich daher gut aus, was in solchen Situationen zu tun ist.
Vicky: Nachts konnte man zwar hören, wie Lawinen abgehen und die Bäume brechen. Aber wir haben uns trotzdem total sicher gefühlt.
In manchen Landstrichen ist ja sogar für einige Tage der Strom ausgefallen. Ist das auch bei euch passiert?
Luca: Ja, wir hatten von Freitag bis Montagmittag keinen Strom.
Laura: Dazwischen hatten wir zwar immer mal wieder Strom dank Notstromaggregaten. So konnten wir unsere Handys und Laptops aufladen. Licht hatten wir aber nicht.
Vicky: Mit den Kerzen war das aber eigentlich ganz angenehm. Mit Duschen war allerdings auch nichts, weil es kein Warmwasser gab. Aber in der Küche gab es einen Holzofen, auf dem wir kochen konnten und der die wichtigsten Räume des Hauses beheizt hat.
Stromausfälle sind ja vor allem für Supermärkte fatal, wenn die Kühlkette unterbrochen wird.
Laura: Am Donnerstag waren wir in einem Supermarkt, als es zu einem Stromausfall kam. Da war es kurz komplett dunkel, weil vom Stromaggregat auf den normalen Netzstrom umgeschalten wurde.
Luca: Später war der Supermarkt komplett abgeschnitten vom Ort und auch Samstag und Montag geschlossen.
Wie habt ihr euch dann mit Lebensmitteln versorgt?
Laura: Wir hatten uns die ganze Zeit über selbst versorgt und hatten noch einige Vorräte übrig.
Vicky: In den letzten zwei Tagen ging uns dann aber langsam das Essen aus und es gab Zwiebelsuppe – Zwiebel waren eben alles, was übrig war. Zum Glück haben uns Helene und Pepi aber mit versorgt.
Laura: Außerdem gab es im ganzen Ort keine Zigaretten mehr. Bald wollte niemand mehr teilen, weil man ja nicht wusste, wie lange der Vorrat halten muss. Unsere Raucher sind durch den ganzen Ort gegangen und haben nach Tschick gesucht.
Und haben sie welche gefunden?
Luca: Ja. In einem Gasthaus haben wir die letzten zwei Packungen bekommen. Zwei Bier und einen Schnaps gab es dann auch noch.
Wie habt ihr euch die Zeit sonst noch so vertrieben?
Vicky: Pepi, unser Gastgeber, ist auch Bergführer und hat uns eine Lawinenschulung gegeben. Wir haben uns in Schneelöcher eingegraben und Rettungshund Neve musste uns finden.
Laura: Außerdem haben wir Tatort geschaut mit Strom vom Notstromaggregat und dabei Trinkspiele gespielt. Gestern haben wir einen Mojito-Abend gemacht. Wir hatten aber kein Eis, also gab’s Mojito mit Schnee.
Vicky: Viel Zeit haben wir auch einfach mit Warten verbracht, weil wir ständig dachten, wir müssen bereit sein zum Aufbruch. Laura ist sogar einer Telegram-Gruppe vom Bürgerservice Lesachtal beigetreten, um up to date zu sein.
Laura: Man muss nur wissen, welche Kanäle man anzapfen soll. Es gibt zum Beispiel auch eine Autofahrergruppe, in der alle Infos über die Straßen geteilt werden. Das geht alles über solche Chat-Gruppen und persönliche Informationsketten. Irgendwie hat es sich ganz schön absurd angefühlt, gemütlich im Haus zu sitzen, während unten im Tal die Einsatzkräfte am Limit gearbeitet haben.
Wie habt ihr es schließlich rausgeschafft?
Laura: Heute [Dienstag] gab es eine Lebensmittellieferung an einen Supermarkt im Ort. Also konnten wir hinter ihm her aus dem Tal rausfahren und wurden zum Schienenersatzverkehr gebracht, mit dem wir nach Lienz gekommen sind. Von dort sind wir mit dem Zug weitergefahren. Jetzt sind wir in einer guten Stunde in Wien. Das war aber eine echte Ausnahme und hat nur deshalb geklappt, weil sich unsere Gastgeber für uns eingesetzt und ewig rumtelefoniert haben. Am Nachmittag wurde die Straße dann dank der Einsatzkräfte, die die Nacht durchgearbeitet haben, wieder geöffnet.
Wir wünschen euch noch eine gute Heimreise. Vielen Dank für das Gespräch!
Im Jänner haben wir übrigens mit Nadine gesprochen, die in Vorarlberg eingeschneit war. Ihr wollt noch mehr Interviews? Wir haben in Graz mit zwei Expertinnen über den Vintage-Lifestyle gesprochen.
(c) Beitragsbild | Laura Heym