Unser Senf: Thermen sind nicht nur für Paare da
Weil ein bisschen Würze im Leben nie schaden kann, geben wir euch mit dieser Kolumne regelmäßig unseren Senf dazu: Wir erzählen euch, was uns beschäftigt, was uns nervt und was uns zum hysterischen Lachen bringt. Eure Käsekrainer könnt ihr zwar nicht darin eintunken, aber dafür ist unser Senf auch gratis. Dieses Mal erzählt unsere Redakteurin, warum wir aufhören sollen, Thermen zu romantisieren.
Warmes Wasser, schummriges Licht, Panflötenmusik – ein Besuch in der Therme könnte so entspannend sein. Ohne Smartphone die Ruhe genießen, ein paar Längen schwimmen und den Alltag hinter sich lassen. Wer alleine in die Therme kommt, hat oftmals allerdings das Gefühl, dass etwas fehlt. Oder besser gesagt: jemand. Denn viele der Besucher*innen treten hier paarweise auf.
Das Grottenbecken scheint dabei der heilige Gral der verliebten Pärchen zu sein. Wer sich auf den Weg zu den Massagedüsen macht, um Verspannungen zu lockern, muss aufpassen, nicht in ein Pärchen zu schwimmen, das sich in einer dunklen Ecke, sagen wir, liebkost. Denn hier ist es scheinbar sozial akzeptiert, dass man an einem öffentlichen Ort aufeinander sitzt und schmust – quasi ein Darkroom light. So manche Therme setzt sogar auf Kameras, damit das Treiben in der Grotte für alle ersichtlich ist – um den Schmuse-Pärchen so Einhalt zu gebieten.
Vom Junggesellinnenabschied zum Hochzeitstag
Sieht man sich verschiedene Angebote von Thermen an, scheint das Paarverhalten gar nicht verwunderlich. Hier kann man quasi alle (vermeintlichen) Stationen des Paarlebens durchlaufen: Die Packages reichen von der Verwöhnnacht über Kuscheltage, vom Junggesellinnenabschied bis zur Hochzeitsaktion (1+1 gratis am Hochzeitstag, bringt eure Heiratsurkunde mit – ja, das gibt es wirklich). Nur Scheidungsrabatte gibt es noch nicht, aber wir schweifen ab. Bebildert wird das meist mit Mann und Frau, die sich mit einem Glas Prosecco zuprosten oder in Handtüchern eingewickelt auf einer Liege kuscheln. Kein Wunder also, dass viele hier ihre – meist heteronormative – Monogamie zur Schau stellen.
Und ja, es gibt mittlerweile auch Angebote, die sich nicht nur dezidiert an Paare richten und niemand ist verpflichtet, die Kuscheltage zu buchen. Ich selbst habe allerdings gemeinsam mit einer Freundin die Erfahrung gemacht: Auch ohne Pärchen-Package bekommt man die volle Romantik-Dröhnung. Also haben wir zwischen all den anderen Paaren ein Candlelight-Dinner genossen und sind gemeinsam durch den Gang der Sinne spaziert. So gerne wir auch an diesen romantischen Tagen unsere Freundschaft zelebriert haben – ganz nachvollziehen kann ich die übermäßige Romantik rund um Thermen trotzdem nicht.
Thermen sind nicht romantisch
Versteht mich nicht falsch, ich möchte an dieser Stelle keine Lanze für die neue Prüderie brechen oder Pärchen aus der Therme verjagen. Aber wenn wir ehrlich sind: So romantisch sind Thermen nun auch wieder nicht. Man schwimmt mit unzähligen anderen Menschen (die euch auch in der Grotte durchaus gut sehen können) in einem Becken, das Quietschen der Flipflops hallt durch die Gänge und es riecht nach Chlor, oft gemischt mit allerlei Frittiertem aus dem Restaurant. Zu zweit am Beckenrand Prosecco schlürfen, wie es in den Werbungen abgebildet ist, kann man eher selten.
Das ist aber auch gar nicht schlimm. Auch ohne Pärchen-Kitsch kann jede*r eine tolle Zeit im warmen Wasser haben, auf den Liegen ein Buch lesen oder in der Sauna schwitzen. Und vor allem: Je weniger einem die Pärchen-Romantik aufs Aug‘ gedrückt wird, desto weniger Druck herrscht, nur als Paar ein vollständiger Mensch zu sein – das gilt im Übrigen nicht nur für Thermenbesuche. Vom Kind bis zur Seniorin, im Schwimmbad sollte jeder Körper einfach sein können, ohne sich mit den gesellschaftlichen Erwartungen auseinandersetzen zu müssen. Werden Thermenbesuche weniger romantisiert, trägt das dazu bei, sie wieder zu einem neutralen Ort zu machen. Wie es auch Schwimmbäder oder Freizeitparks sind. Dann können wir vielleicht auch die Kameras in den Grotten wieder abmontieren. Daher mein Aufruf an alle Unromantischen da draußen: Lasst uns platonisch in die Therme gehen!
Noch mehr Senf gefällig? Dann folgt der Liste Unser Senf und verpasst keine der Kolumnen mehr. Dort erzählen wir euch zum Beispiel, warum das Schwimmbad immer noch leiwand ist.