Trainerin Elly Magpie: Fitness for everybody
“Ich mache nur zwei, drei Übungen mit dir, es sollte nicht so anstrengend sein und ich bin mir sicher, du hast morgen keinen Muskelkater”, verspricht mir Fitnesstrainerin Elly. Zwei Tage später sitze ich hier an meinem Schreibtisch, schreibe diese Reportage und bekomme meine Arme nicht weiter als schulterhoch. Warum ist aber der Muskelkater gar nicht das Wichtigste am Training und was macht das Fitnessstudio von Elly Magpie so besonders? Die Antworten auf diese Fragen bekommt ihr hier.
“Fitness for everybody” steht schon ganz prominent an der Eingangstür zum Studio und ist das Hauptcredo von Inhaberin Elly Magpie. Sie ist diplomierte Personal-, Gesundheits- und Functionaltrainerin und hat sich mit der Eröffnung ihres Studios einen Kindheitstraum erfüllt. “Ich hab’ mich als Kind wirklich gerne bewegt, aber ich hab’ damals auch gemerkt, dass ich immer schon einen anderen, einen dickeren Körper als alle anderen hatte”, erzählt sie und spricht an, was für viele schon im Kindesalter ein großes Problem darstellt.
Sport und Leistung
Denn schon in der Schule wird uns Sport als Leistungsdruck vermittelt. Wir wählen uns für Ballspiele in Teams und suchen uns natürlich die schnellsten, beweglichsten und vermeintlich fittesten Mitstreiter*innen als Erstes aus. Wir werden benotet für Bewegung, die eigentlich Spaß machen sollte, aber unter diesem Druck auch nur wie jedes andere Schulfach eine Beurteilung nach sich zieht. Und uns wird suggeriert, dass Sport eine Beschäftigung für dünne Menschen ist. In der Schule, im Fernsehen, im Fitnessstudio. Und wer bleibt über? Die Menschen, deren Körper nicht dem gesellschaftlich etablierten Schönheitsideal entsprechen. Behinderte, “zu” große, “zu” kleine, “zu” dünne und “zu” dicke Menschen. Das weiß auch Elly aus eigener Erfahrung: “Ich hatte irgendwann dann den Drang, meinen Körper immer zu verstecken. Und das geht beim Sport halt wirklich nicht. Also hab’ ich einfach damit aufgehört.”
Vom Frust zur Fitness
Jahrelang hat sich Elly mit dem Zählen von Kalorien und anderen diätologischen Spompernadeln abgekämpft. Das gute Körpergefühl blieb dabei auf der Strecke, die Fitness sowieso. Irgendwann dann, im jungen Erwachsenenalter kam der Entschluss: Sie will etwas ändern und Sport hat ihr ja eigentlich eh immer schon Spaß gemacht. Über den CrossFit-Hype kam Elly Magpie dann zum Kraftsport. “Die Erfahrungen waren aber auch da ganz unterschiedliche”, erzählt sie. Denn während die einen Trainer*innen bemüht waren, das für sie richtige Trainingsprogramm zu erarbeiten, fanden andere diesen Weg nicht und ließen Elly mit Menschen trainieren, die weit weniger wogen und ganz andere körperliche Voraussetzungen mitbrachten. “Liegestütze machen bei über 100 Kilo macht halt einfach wirklich keinen Sinn, das geht sich nicht aus”, sagt sie. “Dafür sind meine Beine viel kräftiger und ich kann da viel mehr machen als andere. So ist halt jeder Körper unterschiedlich.”
Vorbild Elly
Und genau darum geht es im Studio von Elly. Aus ihren Erfahrungen hat sie gelernt und will für andere ein Vorbild sein. Fitness for everybody soll nicht nur auf der Eingangstüre stehen, sondern auch im Trainingsraum gelebte Realität sein. “Jede und jeder hat halt andere Bedürfnisse, einen anderen Körper und braucht somit auch im Sport einen anderen Input.” Und so gehen bei ihr wirklich die unterschiedlichsten Menschen mit den unterschiedlichsten Körpern ein und aus. Eine Teilnehmerin ihres Kurses hat zum Beispiel ein amputiertes Bein. Und viele kämpfen mit ihrem Bild vom eigenen Körper. “Manche Teilnehmende schreiben mir dann auf WhatsApp, dass sie wieder fünf Kilo zugenommen haben, und haben wirklich große Probleme damit und dann bin ich natürlich nicht mehr nur die Trainerin, sondern unterstütze sie auch da und versuche, Mut zu machen.”
Denn in Wahrheit geht Ellys Arbeit mit den Teilnehmer*innen ihrer Kurse über eben diese hinaus. “Ich versuche meinen Kund*innen das Handwerkszeug für ihren Körper mitzugeben. Sportlich und mental.” Im Studio von Elly stehen kaum Geräte herum, so wie wir es von Fitnessstudios oft kennen. Hauptsächlich finden sich hier Medizinbälle, Gewichte und Sportbänder. “Ich will zeigen, was man mit dem Körper alles so machen kann. Aber ich will auch zeigen, wie man es richtig macht. Es bringt nichts, wenn wir 20 Push-Ups hintereinander machen, Hauptsache viel, wenn die dann aber ganz falsch ausgeführt werden.” Qualität vor Quantität lautet also der Grundsatz im Studio und so nehmen sich die Teilnehmenden die Techniken mit nach Hause. Ein nachhaltiges Sportkonzept also.
Safe Space Fitnessstudio
“Ich will jetzt aber nicht, dass nur dicke Menschen zu mir kommen”, spricht Elly an, weil davon oft ausgegangen wird. “Ich will einen Safe Space, weil ich weiß, wie es ist, wenn man mit einem Körper wie zum Beispiel meinem in ein Fitnessstudio geht. Die Blicke von allen Seiten kann man gar nicht ausblenden, auch wenn man es versucht.” Einen sicheren Platz will die Trainerin also für alle, die ihn brauchen. Aber keine Abschottung, auch das soll nicht das Ziel des Projektes sein. Denn wie soll es endlich zur Normalisierung aller Körperformen kommen, wenn wir sie erst recht aus der Öffentlichkeit nehmen? “Aber ich will ohne Druck und ohne irgendwelche Schönheitsideale zu verfolgen den Menschen ein gutes Körpergefühl vermitteln. Und das beginnt am besten an einem Safe Space.” Momentan konzentriert sich das Programm noch hauptsächlich auf Frauen. “Oft fragen dann die Frauen für ihre Männer, ob die mitkommen können, das passt dann auch, aber ich nehme schon vorwiegend Frauen in meine Kurse auf.”
Urteilsfläche Körper
Elly wird oft auf ihren Körper angesprochen. Oft auf nicht so gute Art und oft auf gut gemeinte, aber eigentlich auch nicht so angenehme Weise. Sie erzählt davon, dass sie mitten auf der Straße angesprochen wird, sie solle ein bisschen weniger essen. Wenn sie am Weg zur U-Bahn die Treppe zur Station hinauf zwei Stufen auf einmal nimmt und dabei andere überholt, dann hört sie oft ein: “Arg, hast du das gesehen, wie die laufen kann?”. Auch bei Bewerbungen für Jobs wurden ihr in der Vergangenheit häufig Kompetenzen abgesprochen, ohne dass sie sich beweisen konnte. “An der Kassa im Lebensmittelladen zu sitzen, ist anstrengender, als man glaubt. Von mir haben sie das anfangs auch nicht gedacht, aber ich hab’s ihnen gezeigt, wie ich das kann. Verstehen werde ich es trotzdem nie, warum die Leute andere immer auf ihr Gewicht und ihren Körper ansprechen müssen.“ Noch lange nach der Eröffnung ihres Studios und ihrer sportlichen Zeit kamen auch immer wieder Ärzt*innen auf sie zu und rieten ihr, sie solle mehr Sport machen. “Dann muss ich immer lachen, weil mehr als sieben Tage die Woche geht halt wirklich nicht mehr. Da sind die dann immer ganz baff”, erzählt sie und freut sich umso mehr, dass auch eine Ärztin unter ihren Teilnehmer*innen ist. “Es gibt sie zum Glück, diejenigen, die eine wichtige Rolle im Gesundheitswesen spielen, die sich damit auseinandersetzen und die eh interessiert sind.”
Das Studio
Das Studio im 11. Wiener Gemeindebezirk ist also kein gewöhnliches Fitnessstudio. Es ist mehr. Und das spürt man ab der ersten Minute, in der man es betritt. Elly strahlt einem schon entgegen und man sieht ihr an, mit welcher Freude sie an diese Herzenssache rangeht. “Die Pflanze da heißt übrigens Geraldine”, führt sie durch ihr Studio und zeigt auf eine kleine Palme. Ein großer Spiegel lässt das Studio noch größer wirken, als es ohnehin schon ist, und die Medizinbälle und Gewichte am Boden lassen schon erahnen, wie sehr man ein paar Minuten später ins Schwitzen kommen wird. “Ich mach’ da aber keine High-Intensive-Irgendwas-Workouts, wie sie oft auf Youtube oder so angepriesen werden. Wo sie versprechen, dass man 1.000 Kalorien in 15 Minuten verbrennt, das ist einfach utopisch, das schafft kein normaler Körper.” Deshalb setzt Elly bei ihren Trainings wirklich auf gezielte Übungen in 50-minütigen Einheiten. “Ganz wichtig ist vor allem bei dicken Menschen auch, im Training besonders auf die Gelenke zu achten”, erklärt sie und zeigt Übungen vor, wie Schulter- und Hüftgelenke am besten in Schwung gebracht werden können. Aufwärmübungen, wie sie sagt, aber schon diese haben es ganz schön in sich.
Im Lockdown haben sich die Online-Kurse etabliert, natürlich haben aber auch die Kurse vor Ort mittlerweile voll Fahrt aufgenommen. Eine Übersicht an dem vielfältigen Kurs-Programm findet ihr online. Die Online-Klassen bleiben aber. “Ich hab’ mittlerweile auch so viele, die aus ganz Österreich, Deutschland und sogar Indien mitmachen, natürlich mach’ ich das weiter”, verspricht sie. Darüber hinaus wird es auch Einzel- und Gruppentrainings im Studio geben. Und wer weiß, was noch alles kommt.
Noch mehr spannende Portraits zu interessanten Persönlichkeiten gefällig? Wir haben einen Schirmmacher besucht und außerdem noch eine Runde mit einer Wiener Taggerin gedreht. Weitere Reportagen findest du außerdem in unserer Reportagen-Liste. Wenn du dich auf unserer Website registrierst, kannst du dieser Liste sogar folgen und bleibst so immer auf dem Laufenden.