„Finger weg vom Trinkgeld!“ – Österreichs Wirte gehen auf die Barrikaden
Ein paar Euro extra für guten Service – das Trinkgeld ist in Österreich heilig. Doch jetzt greift der Staat nach dem Dank der Gäste. Betriebe sollen zahlen, wenn die freiwillige Anerkennung angeblich zu großzügig ausfällt. Die Branche ist entsetzt. Und ein prominenter Gastronom aus Kärnten, Sternekoch Hubert Wallner, bringt es auf den Punkt: „Finger weg vom Trinkgeld!“


Die Gastro kocht – und diesmal ist nicht das Rindsgulasch schuld. Vielmehr sorgt ein möglicher Eingriff in eine jahrzehntealte, ungeschriebene Regel für Zündstoff: das Trinkgeld der Gäste. Eine kleine Geste der Anerkennung wird plötzlich zur großen politischen Debatte.
Von außen wirkt alles wie gewohnt: Die Servicekraft serviert mit einem Lächeln, der Gast rundet großzügig auf, das Trinkgeld wandert in die Tasche – zur Belohnung für Service, Freundlichkeit, Aufmerksamkeit.
Doch was bislang als stillschweigende Übereinkunft zwischen Gast und Personal galt, steht nun zur Diskussion: Die Österreichische Gesundheitskasse (ÖGK) sieht bei Kartenzahlungen genau hin – und fordert bei Betriebsprüfungen immer öfter Nachzahlungen, wenn das „ortsübliche Maß“ an Trinkgeld überschritten wird.
Und was ist „ortsüblich“?
Genau hier beginnt der bürokratische Wahnsinn: Laut der Kasse darf das Trinkgeld maximal ein Viertel über dem Bruttolohn liegen. Sprich: Wer besonders guten Service leistet – und entsprechend belohnt wird – könnte plötzlich in der Sozialversicherungspflicht landen. Das wiederum zahlt in der Regel der Betrieb. Und der versteht die Welt nicht mehr.
Sternekoch Hubert Wallner spricht Klartext:
„Das Trinkgeld ist kein Einkommen im klassischen Sinn, sondern eine freiwillige Anerkennung der Gäste. Es hat mit dem Unternehmen nichts zu tun – wir reichen es lediglich durch.“ Dass in einem Tourismusland wie Österreich nun ernsthaft über eine 20-Prozent-Abgabe auf Trinkgeld diskutiert werde, sei für ihn ein „nicht nachvollziehbarer Eingriff“. Noch dazu in einer Zeit, in der die Gastronomie ohnehin mit explodierenden Kosten, Fachkräftemangel und Bürokratie zu kämpfen habe.

Die Empörung ist groß – auch in der Branche
Walter Veit, Präsident der Österreichischen Hoteliervereinigung (ÖHV), fordert ein klares Nein zu dieser Entwicklung: „Trinkgeld ist ein Dankeschön – kein Finanzierungsinstrument für die Sozialkassen. Sozialversicherungsbeiträge nur, wenn Lohnsteuer fällig wird. Punkt.“ Sein Vorschlag: Die Kassen sollen offenlegen, wie viel sie bereits durch den „Griff in die Trinkgeldkassen“ eingenommen haben.
Albert Ebner, Obmann der Sparte Tourismus und Freizeitwirtschaft in der WKS, fordert aus aktuellem Anlass: „Trinkgelder sind vor allem für die Gastronomie, aber beispielsweise auch für Friseure oder Taxler, ein wichtiger Lohnanteil. Sie müssen daher steuer- und abgabenfrei bleiben! Das Trinkgeld ist ein Geschenk des Gastes für gute Arbeit. Es ist daher absurd, dass Betriebe nun mit teils hohen Nachforderungen konfrontiert sind.“ Ebner weiter: „Das Thema ist sehr komplex, weil es je nach Bundesland unterschiedliche Regelungen gibt.“
Politisch? Eher eine Posse
Während die ÖGK betont, sie lege bei Prüfungen keinen Schwerpunkt auf Trinkgelder, verhandelt die Wirtschaftskammer auf Bundesebene über eine Lösung – und fühlt sich zu Unrecht an den Pranger gestellt. Gleichzeitig wurde im neuen Regierungsprogramm angekündigt, man wolle die regional höchst unterschiedlichen Trinkgeldregelungen „vereinheitlichen“. Klingt gut, bedeutet aber wie so oft: mehr Bürokratie.
Frust in Gastro und Hotellerie
„Die Politik schaut wieder einmal weg. Das Trinkgeld hat nichts mit dem Unternehmen selbst zu tun. Wir agieren hier ausschließlich als treuhändische Vermittler“, so Wallner. Es fehle an echter Interessenvertretung, an praktikablen Lösungen, an Respekt für die Realität des Gastro-Alltags.
Trinkgeld, quo vadis?
Das Trinkgeld – eigentlich ein Symbol für Wertschätzung – entwickelt sich in Österreich zur politisch-wirtschaftlichen Schachfigur. Und während Gäste glauben, mit ihrer kleinen Geldspende direkt dem freundlichen Kellner eine Freude zu machen, landet das „Dankeschön“ womöglich bald in der Staatskasse.
Die Branche tobt. Die Regierung prüft. Und die Gäste? Die zahlen – manchmal ohne es zu wissen – doppelt.
Eine Petition dazu findest du übrigens hier: Petition Trinkgeld