Woran man wirklich erkennt, dass Frühling ist
Klopf, klopf! Wer ist da? Der Frühling, lol. Weil sich der aber meist nicht so brachial selbst ankündigt, haben wir uns überlegt, woran man denn in Wien und Österreich wirklich erkennt, dass er da ist.
Veronika, der Lenz ist da, im Prater blüh’n wieder die Bäume und es dauert sicher nicht mehr lang und irgendwer hat das Fräulein Helen baden seh’n. So schleppend sich der Frühling anbahnt, so sicher kommt er doch. Und natürlich könnten wir ihn an dieser Stelle mit der Marillenblüte in der Wachau gleichsetzen, mit den ersten lauen Abenden am Donaukanal oder mit Vogelgezwitscher in den Wäldern. Haben wir auch, aber in einem anderen Artikel. Statt euch das Offensichtliche am Frühling in Österreich um die Ohren zu hauen, haben wir diesmal unsere hintersten Hirnwindungen ausgekratzt und uns überlegt, wer die wahren Frühlingsboten sind.
Exzessives Autowaschen
Vergesst Schneeglöckchen, pfeif auf Amsel, Drossel, Fink und Star! Die können sich lange hinter unseren echten Frühlingsboten anstellen. Zumindest, wenn sie ihr Auto an einem Sonntag durch die Waschstraße rollen wollen. Denn sobald die ersten Sonnenstrahlen den letzten Schnee zum Schmelzen bringen und unsere Laune auftauen, kündigen auch die akribischen Autowäscher*innen bei den Tankstellen den Frühling an. Schon von weit her hört man es saugen und polieren. Passionierte Autofahrer*innen bringen ihre Gefährte auf Vordermann, um allzeit bereit zu sein für die erste Ausfahrt im Frühling. Denn Sonnenschein verzeiht keinen Dreck. Blöd nur, wenn einem dann der Saharastaub einen Strich durch die frisch gewachste Rechnung macht.
Frühjahrsputz und Fensterschmutz
Der Autoputz ist also für erstaunlich viele offenbar so etwas wie der erweiterte Frühjahrsputz. Und der klopft natürlich auch bei uns jedes Jahr aufs Neue an die Tür, oder eigentlich hauptsächlich an die schmutzigen Fenster. Wenn die Sonne wieder zu neuer Kraft findet, merkt man das am schnellsten daran, dass sie sich durch die staub- und dreckbefleckten Scheiben ins Wohnzimmer kämpft und uns so schamlos daran erinnert, dass wir schleunigst Fensterputzen sollten, wenn wir eine ungetrübte Aussicht auf den Frühling in Wien haben wollen. Danke für den Hinweis, Lenz!
Überall stinkt’s nach Knoblauch
Wenn die ersten Schneeglöckchen ihre weißen Köpfchen aus dem kalten Erdboden recken, wird uns das erste mal wieder etwas wärmer ums Herz. Aber so richtig frühlingshaft wird unsere Herz-Atmosphäre erst, wenn es in Stadt und Land herb nach Knoblauch feut. Rosen? Veilchen? Tulpen? Von wegen, für uns miachtelt der Frühling am intensivsten nach Bärlauch. Und scheinbar die ganze Welt ist plötzlich auf den Beinen, mit Sackerln bewaffnet, und wirft mit Binsenweisheiten um sich über die lebenswichtige Distinktion zwischen Bärlauch und Maiglöckchen. Ganz nach dem Motto: Was dich nicht umbringt, riecht nach Knoblauch und hat einen klar erkennbaren Stiel pro Blatt.
Marie Kondo is back
Noch ein kleiner Nachtrag zum Thema Frühjahrsputz: Der endet natürlich nicht mit blitzblanken Fenstern, sondern zieht sich meistens bis in die Kleiderschränke. Ausmisten, oder um es im 2019er-Sprech zu formulieren: die innere Marie Kondo channelen. Das zeigt sich nicht nur an hartnäckigen Kleiderbergen in der eigenen Wohnung, sondern auch an übervollen Humana-Boxen und vermehrten Einladungen zu privaten Flohmärkten, bei denen man sich im Endeffekt gegenseitig die ausgemusterten Klamotten verkauft. Kleidertauschparty, nennt sich das dann übrigens.
Picknick mit Frostbeulen
Der Winter war lang und entbehrungsreich, der Sommer ist noch in weiter Ferne. Und reichen schon erste zaghafte Temperaturen jenseits des Gefrierpunktes, um die Massen nach draußen zu ziehen. Nein, nicht zum Spazierengehen, davon haben wir dank Lockdown Nummer soundso erst einmal genug. Schon im Februar konnte man in Wien an sonnigen Tagen einige Picknick-Gruppen in Parks und auf öffentlichen Plätzen beobachten, zwar dick eingepackt in Winterjacken und Mützen, aber immerhin – nature is healing. Und das, obwohl eine alte Bauernregel besagt, dass man eigentlich nur in Monaten ohne R im Namen im Gras sitzen sollte. Rebellisch.
Entblößte Knöchel
Sun’s out, guns out – und das bedeutet im Frühling erst mal: Knöchel out. Knöchel-Exhibitionismus macht den Hipster-Stil der späten 2010er-Jahre aus. Ihm haben wir die hartnäckige Rückkehr der ⅞-Hosen zu verdanken. Das bedeutet: Spätestens wenn man die ersten bunten Hello Socks zwischen Röhrenjeans und Sneakers hervorlugen sieht, weiß man: Der Sommer ist vorbei. Aber das geht auch andersrum. Wenn die Knöchelbesitzer*innen ihre Knöchel wieder lüften, wissen wir: Der Frühling ist nur mehr eine Fußlänge entfernt.
Maronistandeln weichen Eisgeschäften
Sie sind die kulinarischen Jahreszeitenwecker, die temporären Saisonbotschafter, die Herbstherolde oder Frühlingsboten: Wird es kühler, riecht es in größeren Städten schlagartig nach Maroni. Die Maronistände ploppen wie Eierschwammerln aus dem restwarmen Asphalt und hauchen den letzten Sommertagen mit ihrem warmen Dunst ins Genick. Weicht die Kälte wieder, weichen mysteriöser Weise auch die Maronistände. Und nicht nur sie. Auch die Schlüsseldienste und Feuerwerkskörpershops, die über den Winter den Platz frei gehalten haben, räumen diesen für seinen ureigenen Platzhirsch: den Eissalon. Sobald die Eisgeschäfte nicht mehr der Zwischennutzung überlassen sind oder sich hinter abgeklebten Fenstern verstecken, können wir den Frühling endlich wieder schmecken.
Eskalation mit Pflanzen
Aber nicht nur die Eissalons kehren zurück und dem Frühling die Tür. Auch bei uns melden sich wieder neue Mitbewohner an, die Jahr für Jahr wiederkommen und doch nie so lange bleiben, wie es uns lieb wäre: Pflanzen. Überall. Pflanzen. Nur ein paar Wochen, nachdem wir im Wald die ersten Schneeglöckchen in freier Wildbahn erspäht haben, überkommt uns mit dem einsetzenden Frühling die unbändige Lust, Pflanzen in Töpfe oder Vasen zu stecken und in unsere Wohnung zu sperren. Klingt brachial, und ist es manchmal wahrscheinlich auch. Denn in den meisten Fällen welkt unser grüner Daumen noch, bevor er überhaupt erblühen kann. Aber hey, die nächste Frühlingsknotenblume kommt bestimmt.
Rauchende Nachbar*innen
Noch markanter als der Duft von Magnolien und Flieder für den Frühling ist nur einer: Passivrauch. Und ja, das ist genauso unromantisch wie es klingt. Auch im kitschig-bunten Frühling muss ja nicht immer alles wildromantisch sein. Raucher*innen müssen sich bei Minusgraden nicht mehr vor den Lokalen die Beuscheln raushusten, sondern können sie sich ganz entspannt im Schanigarten vernebeln. Dasselbe Prinzip gilt übrigens auch für Balkonbesitzer*innen: Wenn ihr eine kleine archtektonische Freifläche zur Verfügung habt und eure Nachbar*innen auch, könnt ihr euch schon mal drauf gefasst machen, dass euch mit den wärmeren Temperaturen auch die eine oder andere Rauchschwade von den Plattenmöblen aus den Nachbarwohnungen entgegenweht.
Alles läuft
Nicht nur die Schneeglöckchen strecken ihre Köpfe und die Schmetterlinge ihre Fühler aus. Eine weitere Spezies heftet sich dem Frühling dicht an die Fersen: Läufer*innen. Kündigt sich das Frühjahr an, kann man das auch daran erkennen, dass nicht nur die Parks aus dem Winterschlaf erwachen, sondern auch vor Schnaufenden, Keuchenden, Laufenden wimmeln. Wo man geht und steht, geht und steht man anderen scheinbar im Weg herum. Sie laufen mit festem Blick, als müssten sie nach der langen Winterpause Tempo gutmachen, Weg gewinnen, den Frühling in der Zielgeraden überholen. Vielleicht laufen sie aber auch einfach dem kalten Winter davon, und das können wir wiederum sehr gut nachvollziehen.